Neu im Bundestag: Wie vier Abgeordnete die ersten Wochen erlebt haben
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Ihren Bollerwagen hat Maja Wallstein erst einmal in die Ecke gestellt. Dabei hat ihr das Gefährt recht gute Dienste geleistet, denn mit diesem hat die Cottbuserin im Wahlkampf 500 Kilometer zu Fuß durch ihren Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße zurückgelegt. Mit Erfolg, denn die Wissenschaftsmanagerin hat hier mit 27,6 Prozent der Stimmen knapp vor der AfD das Direktmandat gewonnen. „Das Siegestaumel-Gefühl“, wie sie es beschreibt, blieb indes aus. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie ganz genau weiß, wie groß die Aufgaben sind. Im Übrigen hat Maja Wallstein noch nicht für alle Probleme, die ihr die Bürger*innen auf ihrer Tour anvertraut haben, Lösungen parat. Trotzdem ist sie stolz, ihre Stadt und ihre Region vertreten zu dürfen.
Verwalten statt gestalten
Sie ist nicht alleine, wenn sie sagt, dass es aktuell wegen der Corona-Pandemie mehr ums Verwalten statt ums Gestalten gehe: Statt die Themen der Zukunft angehen zu können, müsse sie sich mit ihren Kolleg*innen mit der Impfpflicht befassen, weil die Impflücke so groß ist oder wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und eines überlasteten Gesundheitssystems über die gesetzlichen Kriterien für eine Triage entscheiden. Das findet Maja Wallstein aktuell „frustierend“.
Trotz allem freut sich die Cottbuserin über ihre ureigenen Zukunftsthemen: die Reform der Bundesausbildungs-Förderung, das Bafög, und die insbesondere von der SPD als Ziel festgeschriebene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro. Letzterer ist übrigens inzwischen fast beschlossene Sache. „Ich bin total motiviert“, sagt Maja Wallstein. Dies betreffe natürlich auch die Arbeit im Wahlkreis, denn dort gibt es gerade in Sachen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung noch einiges zu tun.
Durchstarten nach der Orientierungsphase
Franziska Mascheck hält es mit dem Fliegen – zumindest dann, wenn sie ihre Lage als frisch ins Parlament gewählte Abgeordnete beschreiben soll. „Ich bin im Landeanflug und setzte jetzt mit den Rollen auf“, sagt die Sozialdemokratin, die für den Wahlkreis Leipzig-Land kandierte und es über die Landesliste der Sachsen-SPD in den Bundestag geschafft hat. Für sie, wie alle anderen Neuen am Berliner Spreebogen, seien die ersten Wochen geprägt gewesen von Orientierung, „doch inzwischen hat sich eine Menge zurechtgerüttelt“, ist Franziska Mascheck zufrieden.
Ihr Haupt- oder Herzensthema ist die Entwicklung des ländlichen Raumes. Hier kann Franziska Mascheck mit ihren Erfahrungen in der Kommunalpolitik beziehungsweise ihrem Mandat im Stadtrat Frohburg punkten. Dort gehört sie der gemeinsamen Fraktion von SPD und Linken an. Zudem bringt sich die Sozialdemokratin in den Ortschaftsrat von Koren-Sahlis ein. Das etwas mehr als 1.000 Einwohner*innen zählende Städtchen am westlichen Rande Sachsens wurde zum 1. Januar 2018 nach Frohburg eingemeindet.
Eine Brücke aus Berlin bauen
Zwischen beiden Ebenen möchte Franziska Mascheck eine Brücke bauen. Deshalb hätten die Abgeordnete und ihre Mitarbeiter*innen „unzählige“ Vereine, Verbände und Einrichtungen angeschrieben, berichtet sie: „Ich bitte darum, dass wir in den Austausch kommen.“ Vereine und Co. sollten keine Bittsteller*innen sein. Vielmehr möchte die Abgeordnete auf Augenhöhe mit deren Vertreter*innen sprechen. In Berlin heißt es jetzt, sich in ihre Fachgebiete einzuarbeiten.
Wie bei Maja Wallstein, ist der Strukturwandel durch den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung das große Thema in Maschecks Wahlkreis: „Wir müssen jetzt anfangen umzusatteln“, ist sie überzeugt. Die Zielmarke für den Kohleausstieg sei mit 2030 nicht in Stein gemeißelt, findet Franziska Mascheck. Vielmehr müsse das alles geordnet ablaufen. Franziska Mascheck kann sich deshalb vorstellen, dass der Ausstieg erst zum Jahr 2032 kommt. Schließlich sei dies auch eine soziale Frage. Da sind sich Maja Wallstein und Fransziska Mascheck einig: Es dürfe nicht wieder zu einem Kahlschlag wie in den 1990er-Jahren kommen.
Ein Frühaufsteher aus Magdeburg
Dass er Chancen haben würde, im Wahlkreis 69 – Magdeburg ein gutes Ergebnis zu holen, war Martin Kröber schon im Wahlkampf klar. Aber dass es für den Newcomer aus Sachsen-Anhalt gleich das Direktmandat wird, habe ihn dann doch „überwältigt“. Der Einzug in den Bundestag zu dieser Zeit ist für ihn eine echte Herausforderung. „Ich halte das für eine spannende Wahlperiode“, sagt Martin Kröber. Das Land sei an einem Scheidepunkt, was die Verkehrswende, die Energiepolitik und die Friedenspolitik angehe.
Insbesondere der Verkehr liegt dem Magdeburger am Herzen: Wie kommen die Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B? Was kann eine Alternative zum Auto sein? Deshalb stellt Martin Kröber die Finanzierungsfragen des öffentlichen Nahverkehrs und des Schienenpersonen-Nahverkehrs in den Mittelpunkt seines Seins im Deutschen Bundestag. Für den Sozialdemokraten ist klar: „Öffentlicher Verkehr ist Daseinsvorsorge.“
Am Anfang allerdings standen für ihn die üblichen administrativen Aufgaben: Wo ist das neue Büro? Wie kann er ein junges Team zum eigenen Stab machen? Die Suche sei gleich nach der Wahl losgegangen. Etwas Ruhe sei erst zwischen Weihnachten und Neujahr eingekehrt, berichtet er. Wer wie Martin Kröber und die anderen Abgeordneten viel zu tun hat, sucht nach seiner eigenen Strategie, das Pensum zu bewältigen. Der Magdeburger sagt zu seinem: „Ich stehe um 4 Uhr auf.“
Der einzige Abgeordnete der Mitte
Einer der jüngsten Abgeordneten ist mit 24 Jahren Fabian Funke. Er vertritt die Sozialdemokratie im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge – als einziger Abgeordneter „der Parteien der Mitte“. Dies sagt er mit einer Mischung aus Stolz und Gruseln in der Stimme. Hintergrund: In seinem Wahlkreis hat die AfD sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen die Nase weit vorn gehabt. Aber gerade das spornt Fabian Funke, der auch Landesvorsitzender der sächsischen Jusos ist, erst recht an, in die inhaltliche Arbeit einzusteigen. Doch wie für alle Neuen im Bundestag, galt anfangs auch für ihn: Aufgrund der Corona-Pandemie mussten ganz schnell viele Entscheidungen gefällt werden.
Doch inzwischen hat Fabian Funke sein Team im Wahlkreis und in seinem Berliner Büro zusammen. Somit kann der Sachse sich auf die Arbeit in seinen beiden Ausschüssen Menschenrechte und Europa sowie als stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss konzentrieren. Dabei müsse er unter anderem lernen, Aufgaben zu delegieren – am Anfang eine Herausforderung, mittlerweile aber Normalität.
Auf die Frage, was das oder die bislang herausragendsten Ereignisse seit seinem Einzug ins Parlament gewesen sind, muss Fabian Funke nicht lange überlegen: „Die Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler sowie die ganze Dynamik und die vielen neuen Eindrücke und Herausforderungen, die bewältigt werden mussten.“