Parteileben

MindestTon: Wie die Nürnberger SPD das gemeinsame Singen entdeckte

Trotz Corona-Pandemie hat die Nürnberger SPD den Chor „MindestTon“ gegründet. Bald steht der erste große Auftritt an.
von Jonas Jordan · 7. Juli 2022
Jeden Freitagnachmittag probt „MindestTon“, der Chor der Nürnberger SPD.
Jeden Freitagnachmittag probt „MindestTon“, der Chor der Nürnberger SPD.

„Die Karo ist wirklich ein Goldstück“, sagt Claudia-Kupfer-Schreiner. Es ist kurz nach 17 Uhr an einem Freitagnachmittag im Nürnberger Karl-Bröger-Zentrum. Langsam trudeln alle Sänger*innen ein. So wie jedes Mal, wenn sich der Chor der Nürnberger SPD zum Start ins Wochenende zur Probe trifft. Im September 2021 haben sie damit angefangen. „Seitdem ging es auch mit den Umfragewerten für Olaf Scholz und die SPD steil bergauf“, verrät Klaus Schrage augenzwinkernd das eigentliche Geheimnis, warum die Sozialdemokratie im vergangenen Jahr die Bundestagswahl gewann.

Schrage ist stellvertretender Vorsitzender des Chores. Er war auch verantwortlich für den Namen: „MindestTon“, in Anlehnung an das Hauptthema der SPD im Wahlkampf, die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro. Der Rest der Gruppe war sofort begeistert.

„Die, die kommen, bleiben auch“

Dass der Chor zustande kam, ist Claudia Kupfer-Schreiner zu verdanken, die im vergangenen Jahr in den Vorstand der Nürnberger SPD gewählt wurde. Ihr Herzensanliegen: die große Tradition sozialdemokratischer Chöre wiederbeleben. Das Ziel: zeigen, dass Freude am Singen und gesellschaftskritisches Engagement gut zusammenpassen. „Mitmachen können alle, die uns politisch nahestehen“, sagt Kupfer-Schreiner. Eine SPD-Mitgliedschaft ist kein Muss. Immerhin ein Sänger, der zuvor kein Mitglied war, ist inzwischen schon in die Partei eingetreten.

Der Stamm besteht aus circa 20 Personen. An diesem Abend singen sechs Männer und sieben Frauen mit, eine weitere Genossin ist per Video zugeschaltet. „Es könnten noch ein paar mehr sein, vor allem junge Leute. Aber die, die kommen, bleiben auch“, sagt Kupfer-Schreiner, die Vorsitzende des Chors. Mitgliederwerbung ist schwierig in Zeiten von Corona. Die Sänger*innen ließen sich nicht unterkriegen, trafen sich trotz Pandemie auch im Winter wöchentlich, testeten sich vor jeder Probe und verhinderten so einen Ausbruch innerhalb des Chores. „Ewig rausschieben wollten wir unseren Start auch nicht“, sagt Kupfer-Schreiner.

Singen mit Anspruch

Doch „MindestTon“ existiert nicht nur zum Selbstzweck. „Es ist kein Rudelsingen, sondern wir wollen anspruchsvolles Singen“, stellt Kupfer-Schreiner klar. Und da kommt das eingangs des Artikels erwähnte „Goldstück“ ins Spiel: Karoline Wlochowitz machte gemeinsam mit dem Nürnberger SPD-Vorsitzenden Nasser Ahmed und seiner Lebensgefährtin Michaela Schwegler Abitur, studierte später in Bremen Gesang, ehe sie coronabedingt in ihre Heimatstadt zurückkehrte. Nun arbeitet sie vorübergehend im Gesundheitsamt der Stadt und leitet den Chor der Nürnberger SPD, mit Charme und Anspruch. 

Klaus Schrage weiß davon zu berichten: „Karo hat einen ganz bestimmten Blick, wenn ein Ton nicht sitzt. Dann zieht sie die Augenbraue leicht hoch.“ Doch so streng, wie das vielleicht klingt, ist Wlochowitz gar nicht. Im Gegenteil: Sie versucht, die Nürnberger Sozialdemokrat*innen zu besseren Sänger*innen zu machen. Das zeigt sich an diesem Nachmittag schon beim Aufwärmen. „Zeigt unseren Gästen die optimale Sängerhaltung!“, sagt Wlochowitz. Wer sich auf seinem Stuhl nicht anlehne, „kriegt ein Extra-Fleißsternchen“. 

Eine Überraschung für den Parteichef

Und dann geht's einmal quer durch die europäische Kulturlandschaft: Der Chor hat inzwischen ein breites Repertoire, singt auf Schwedisch, Italienisch, Deutsch, Englisch und Fränkisch. Auch sozialdemokratische Klassiker wie „Bella Ciao“, „Brüder, zur Sonne zur Freiheit“ und das Solidaritätslied gehören dazu. Künftig wollen sie sich noch stärker der Frauenbewegung widmen. Erste Auftritte hat der Chor bereits gemeistert. Mit dem Chor des türkischen Kulturvereins ist inzwischen eine Chorfreundschaft entstanden. Bei einer Jubilarehrung der SPD kam die Darbietung von „Kein schöner Land“ so gut an, dass das Publikum spontan mitsang.

Doch die Feuerprobe steht in wenigen Tagen an, beim Jahresempfang der Nürnberger SPD am 11. Juli sollen sie 20 Minuten live vor mehr als 200 Personen singen, darunter auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Chorleiterin Wlochowitz motiviert ihre Sänger*innen noch mal: „Schön locker lassen! Ich hab gesehen, dass ihr es könnt. Der Sopran darf noch etwas mutiger sein.“ Ein Lied wollen sie am 11. Juli zum ersten Mal singen. Doch mehr dazu an dieser Stelle noch nicht. Denn das soll eine Überraschung für Nürnbergs SPD-Chef Nasser Ahmed werden.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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