Parteileben

Frauenrechte: „Eine Welt wie in den 50ern wird es nicht wieder geben.“

Bei der Gleichstellung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge getan. Doch es wird auch versucht, Frauenrechte zu beschneiden. Warum dennoch kein Rollback droht, sagen die Vorsitzenden der ASF, Ulrike Häfner und Maria Noichl.
von Kai Doering · 8. März 2023
ASF-Vorsitzende Ulrike Häfner (l.) und Maria Noichl: Frauenrechte und Gleichstellung sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
ASF-Vorsitzende Ulrike Häfner (l.) und Maria Noichl: Frauenrechte und Gleichstellung sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Verhältnis der Geschlechter in Deutschland in vielen Bereichen liberalisiert und modernisiert. Was war der größte Erfolg? 

Maria Noichl: Ich würde hier gar kein spezielles Vorhaben nennen, sondern das Erstarken der Frauenrechtsbewegung. Trotz Rückschlägen und Gegenbewegung: Frauenrechte und Gleichstellung sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und werden nun nicht mehr von einer kleinen Gruppe verteidigt. Feministin ist kein Schimpfwort mehr, sondern eine Bezeichnung, die viele Menschen mit Stolz tragen. Und gekämpft wird endlich für alle Frauen, in ihrer Vielfalt.

Auch Wahlrecht und Selbstbestimmung schützen nicht vor Gewalt. Wovon sind Frauen heute besonders bedroht? 

Noichl: Heute wie gestern sind Frauen am meisten der direkten Gewalt von Partnern bzw. Ex-Partnern ausgeliefert. Die eigenen vier Wände und das Ehebett sind für Frauen sehr gefährlich. Tödlich wird es, wenn Frauen die Wohnung, das Bett und den Mann verlassen wollen. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau in Deutschland durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners, die die Entscheidungen von Frauen nicht respektieren. So wie es schon immer war.


Ulrike Häfner: Hinzu gekommen ist die wachsende Brutalität im Internet. Deepfakes, schnell hochgeladene Upskirting-Bilder – also das unerlaubte Filmen oder Fotografieren von intimen Bereichen unter dem Rock oder dem Kleid – und blanker Hass in den sozialen Medien haben eine neue Dimension der Gewalt gegen Frauen eröffnet. Ziel ist es, Frauen zu demütigen und mundtot zu machen.

Noichl: Damit das Netz kein rechtsfreier Raum ist, bringt die EU auch gerade eine Richtlinie zur besseren Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Einführung von europäischen Mindeststandards und Mindeststrafen auf den Weg. Denn: Gewalt gegen Frauen muss online so reale Konsequenzen haben, wie es sie offline hat.

Mit dem Erstarken der AfD greift ein neuer Antifeminismus um sich. Droht hier ein Rollback? 

Häfner: Wir müssen in vielen Ländern der Welt beobachten, wie Menschen versuchen, die Zeit zurückzudrehen, wenn es um Frauenrechte und ihren Platz in der Gesellschaft geht. Die AfD versucht dies hierzulande und benutzt dazu auch noch weibliche Aushängeschilder. Wir müssen wachsam sein. Aber ich denke, dass gesellschaftlicher Wandel nicht aufzuhalten ist. Eine Welt wie in den 50er Jahren im Westen, wird es nicht wieder geben.

Die Ampelregierung will eine Strategie gegen Gewalt gegen Frauen entwickeln. Worauf kommt es dabei an? 

Häfner: Wir brauchen eine umfangreiche nationale Strategie, die die bestehenden Länderstrategien aufgreift und bundesweit unterstützt, damit auch die Ziele und Vorgaben der Istanbul-Konvention umgesetzt und vorangetrieben werden können. Eine nationale Monitoringstelle muss die Probleme identifizieren und aufdecken. Präventive Maßnahmen sind genauso wichtig wie die Ächtung und konsequente Strafverfolgung. Frauen haben in der gesamten Bundesrepublik ein Recht auf denselben Schutz und die gleiche Unterstützung. Das steht uns zu.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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