Parteileben

Dietmar Nietan: Was das neue SPD-Geschichtsforum leisten soll

An diesem Mittwoch konstituiert sich das neue Geschichtsforum der SPD. Dessen Arbeit sollen künftig in politische Strategien und das politische Handeln der Partei einfließen, sagt SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan. In diesem Jahr soll ein Thema besonders im Mittelpunkt stehen.
von Kai Doering · 20. Februar 2019
Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Arbeit im Geschichtsforum in politische Strategie und konkretes politisches Handeln einfließen lassen. Der Geschichtsbeauftragte des SPD-Parteivorstands Dietmar Nietan.
Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Arbeit im Geschichtsforum in politische Strategie und konkretes politisches Handeln einfließen lassen. Der Geschichtsbeauftragte des SPD-Parteivorstands Dietmar Nietan.

An diesem Mittwoch trifft sich das jüngst eingerichtete SPD-Geschichtsforum zum ersten Mal. Was sollen seine Aufgaben sein?

Das Geschichtsforum soll geschichtspolitische Debatten innerhalb der SPD organisieren. Wir brauchen in unserer Partei einen Ort, an dem wir uns über geschichtskulturelle Fragen und Erinnerungspolitik auseinandersetzen können. Dieser Ort wird das Geschichtsforum sein. Der Blick soll aber nicht nur zurückgehen, sondern auch vorwärtsgerichtet sein. Was bedeutet es für eine Partei, die historisch aus einer Emanzipationsbewegung gegen Obrigkeiten kommt, aber mittlerweile regiert? Auch über solche Fragen wollen wir diskutieren und die Ergebnisse für die Partei fruchtbar machen.

Wie unterscheidet sich das Forum von der im vergangenen Jahr aufgelösten Historischen Kommission?

Wir verfolgen einen interdisziplinären Ansatz. Das Neue am Geschichtsforum ist, dass dort nicht nur Historikerinnen und Historiker vertreten sind, sondern auch aktive Politikerinnen und Politiker. Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Arbeit im Geschichtsforum in politische Strategie und konkretes politisches Handeln einfließen lassen. Damit reagieren wir auch auf die Anforderungen einer neuen Zeit, die maßgeblich von sozialen Medien und ähnlichem beeinflusst wird. Wir wollen wieder mehr Relevanz für historisches Bewusstsein schaffen.

Was meinen Sie damit konkret?

Das kann ich an einem Beispiel deutlich machen. Während der Novemberrevolution vor 100 Jahren hat sich die SPD gegen die Diktatur des Proletariats in einer Räterepublik und für den demokratischen Sozialismus in einer parlamentarischen Demokratie entschieden. Das bedeutete auch, dass die Feinde des Sozialismus Mitbewerber bei einer Wahl wurden. Im Geschichtsforum würde ich gerne diskutieren, was diese Weichenstellung vor 100 Jahren für die Positionen der SPD heute und ihr Verhalten gegenüber der Linkspartei bedeutet. In der Debatte über die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts Anfang des Jahres haben wir ja gesehen, welche Rolle Geschichte noch heute spielt.

Wie können die SPD-Mitglieder sich in die Arbeit einbringen und vom Geschichtsforum profitieren?

Das Geschichtsforum soll Teil eines Netzwerks von Gruppen innerhalb der SPD sein, die sich auf unterschiedliche Weise mit Geschichtspolitik beschäftigen. Dazu gehören Historische Kommissionen auf Landesebene, aber auch aktive Ortsvereine, die die Geschichte der Partei auf lokaler Ebene erforschen. Das Geschichtsforum mit seinen 26 Mitgliedern soll innerhalb dieses Netzwerks die geschichtspolitische Arbeit der SPD koordinieren – etwa mit Blick auf Gedenktage der Sozialdemokratie bzw. der Arbeiterbewegung.

Erster thematischer Schwerpunkt des Geschichtsforums soll die Gründung der SDP vor 30 Jahren in der DDR sein. Welchen Stellenwert hat sie in der 156-jährigen Geschichte der Sozialdemokratie?

Die Gründung der SDP ist eine der entscheidenden Wegmarken der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. KPD und SPD waren in der DDR ja zwangsvereinigt worden. Anhänger des sogenannten Sozialdemokratismus zu sein, war deshalb aus Sicht der SED-Führung das Schlimmste, was man machen konnte. Insofern war die Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR eine riesige Provokation aus Sicht der einen, eine besonders wichtige Emanzipationsleistung aus Sicht der anderen. Im Umfeld der 40-Jahr-Feierlichkeiten der DDR eine sozialdemokratische Partei neu zu gründen, war für die Selbstbehauptung der gesamtdeutschen Sozialdemokratie ein ganz wichtiger Schritt. Im Gegensatz zu CDU und FDP, die sich nach dem Mauerfall undemokratische Strukturen in Form ehemaliger Blockparteien einverleibt haben, hat die West-SPD auf eine unbelastete Partei bauen können. Das ist eine besondere Leistung der Genossinnen und Genossen in der damaligen DDR. Das wollen wir im Geschichtsforum thematisieren.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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