Als erste Frau: SPD-Politikerin mit 74 Prozent zur Ortsvorsteherin gewählt
Jung, Frau, Sozialdemokratin, zugezogen, Migrationshintergrund und künftig Ortsvorsteherin. Das hat Hasmik Garanian geschafft. Im Trierer Stadtteil Kürenz wurde die SPD-Politikerin mit fast 75 Prozent Zustimmung gewählt.
Privat
Die SPD-Politikerin Hasmik Garanian ist neue Ortsvorsteherin im Trierer Stadtteil Kürenz.
„Das muss schon vor meiner Geburt gewesen sein“, sagt Hasmik Garanian auf die Frage, wann zuletzt ein SPD-Politiker Ortsvorsteher im Trierer Stadtteil Kürenz war. Sie verspricht, zur Sicherheit noch mal im Stadtarchiv nachzuschauen, wenn sich der Trubel gelegt hat.
Seit wenigen Tagen ist die Sozialdemokratin als erste Frau Ortsvorsteherin, nachdem der Stadtteil lange konservativ geprägt war und es zuletzt einen Ortsvorsteher von den Grünen gab. „Ein bisschen wild“ sei das, sagt sie im Gespräch mit dem „vorwärts“ und gesteht: „Ich habe es immer noch nicht ganz realisiert.“ Dabei war das Ergebnis recht eindeutig: Rund drei Viertel der abgegebenen Stimmen konnte sie auf sich vereinen, ihr Gegenkandidat von den Linken musste sich deutlich geschlagen geben.
Der Stapel wurde immer größer
Doch Garanian sagt auch: „Ich konnte es null einschätzen, wie das Ergebnis ausgeht. Ich bin als erste Frau überhaupt als Ortsvorsteherin in Kürenz angetreten. Dann auch noch relativ jung, zugezogen und mit Migrationshintergrund.“
Eigentlich rechnete sie daher mit einer knappen Entscheidung. Doch als sie selbst in einem der fünf Wahlbezirke die Stimmzettel auszählte, dämmerte es ihr langsam, dass es zur Wahl gereicht haben könnte: „Der Stapel von mir wurde immer größer. Um 22 Uhr kamen die ersten Ergebnisse auf der Seite der Stadt. Die ersten, die mir gratuliert haben, waren dann auch die Wahlhelfer*innen, die mit mir zusammen ausgezählt haben. Das war total verrückt.“
Sie sei erst einmal „total überrascht und überwältigt“ über die große Zustimmung gewesen, berichtet Garanian. Gleichzeitig sagt die 33-Jährige: „Ich freue mich total auf die Aufgaben, die jetzt auf mich zukommen.“
Gleichwohl habe sie auch Respekt davor, zumal die Stimmung im rund 10.000 Einwohner*innen zählenden Ortsbezirk der Römerstadt zuletzt nicht die beste war. Ihr Vorgänger von den Grünen habe relativ viel Kritik bekommen und daher nach nur einer Wahlperiode entschieden, nicht wieder anzutreten. Zu wenig Transparenz, zu wenig Kommunikation über im Ortsbeirat getroffene Entscheidungen seien die Hauptvorwürfe gewesen, berichtet die Sozialdemokratin.
Mehr Transparenz schaffen
Deswegen sei für sie klar, dass sie künftig mehr Transparenz und Struktur schaffen wolle, sobald sie das Amt am 11. Juli während der konstituierenden Ortsbeiratssitzung offiziell übernommen hat. „Meine Arbeitsweise ist eine ganz andere“, sagt sie und kündigt beispielsweise an, einen Runden Tisch für alle Bürger*innen zu schaffen. „Damit möchte ich schauen, welche Probleme, Bedürfnisse und Kritikpunkte es in Kürenz gibt. Ich möchte dieses Format verstetigen, damit jede Person die Möglichkeit hat, sich einzubringen. Denn auch im Ortsbeirat sind wir nur 15 Mitglieder und können nicht jedes Problem kennen.“
Ein Problem, das sie bereits erkannt hat, ist das der fehlenden Aufenthaltsqualität in Teilen des Ortsbezirkes. Sie berichtet von einer Hochhaussiedlung, in der sich die Nachbar*innen untereinander teilweise gar nicht kennen. Dieses Problem möchte sie beispielsweise durch mehr Sitzmöglichkeiten angehen.
Dass sie für das Amt der Ortsvorsteherin überhaupt kandidiert hat, sei auch der Motivation seitens ihres SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Stefan Wilhelm zu verdanken, der bislang stellvertretender Ortsbeiratsvorsitzender war. „Er hat mich so krass gefördert und meine letzten Bedenken hinsichtlich meines Alters auch weggeräumt“, berichtet Garanian.
Symbol der Hoffnung für armenische Diaspora
Ihre Wahl ist nicht nur innerhalb des Trierer Stadtteils eine Premiere, sondern auch deutschlandweit. Denn die Sozialdemokratin ist die mutmaßlich erste Ortsvorsteherin armenischer Abstammung.
„Meine Eltern sind 1992 aufgrund von politischer Unterdrückung aus Armenien nach Deutschland gekommen, um uns Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können, aber auch aus einem System geflohen, in dem diese postsowjetischen Strukturen mit Korruption und Oligarchie vorherrschend waren“, berichtet Garanian. Sie zeigt sich überwältigt von der historischen Wahl, die für sie aber auch eine große Verantwortung sei.
Ihre neue Funktion habe auch bei ihrer Familie in der armenischen Heimat hohe Wellen geschlagen. Auch habe sie von ihr komplett unbekannten Personen aus der armenischen Diaspora in ganz Deutschland Gratulationen bekommen. „Für sie alle ist die Wahl ein tolles Zeichen und ein Symbol der Hoffnung. Dieser Zusammenhalt der Diaspora hat mich krass berührt.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo