Meinung

Warum wir eine andere Afrika-Politik brauchen

Die afrikanischen Staaten wollen kein Spielball europäischer Großmächte mehr sein. Deutschland braucht deshalb einen neuen Ansatz in den Beziehungen zu Afrika – auch im eigenen Interesse.
von Franziska Pflüger · 21. Juni 2023
Schule in Kenia: Afrikas Bevölkerung ist unglaublich jung. Ein Potenzial, das Deutschland fördern sollte.
Schule in Kenia: Afrikas Bevölkerung ist unglaublich jung. Ein Potenzial, das Deutschland fördern sollte.

Die Überraschung war groß als sich am 28. Februar 2023 in der UN-Generalversammlung 17 afrikanische Länder bei der Abstimmung zur Resolution, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilte, enthielten. Zu diesen Ländern zählten auch wichtige Partner*innen deutscher Entwicklungszusammenarbeit, zum Beispiel Südafrika, Namibia und Senegal. Für viele war das ein Zeichen, dass sich die afrikanischen Staaten von den westlichen Partner*innen abgewendet haben. Das Papier der Kommission Internationale Politik der SPD analysiert: „Es gibt Alternativen zum westlichen Entwicklungsmodell. Vor allem Länder, die zu den Hauptempfängern von Entwicklungsleistungen der OECD-Länder gehören, nutzen ihre Möglichkeiten, zwischen unterschiedlichen Angeboten zu wählen“ (S.12).

Ungleiche Machtstrukturen zwischen Globalem Süden und Norden

Aber darf uns das wirklich überraschen? Ich denke nein. Die Beziehungen zum afrikanischen Kontinent sind immer noch tief – auch vom deutschen – Kolonialismus geprägt. Ausbeutung und Unterdrückung in der Kolonialzeit manifestieren sich heute in ungleichen Machtstrukturen zwischen Globalem Süden und Norden. Dies zeigt sich insbesondere auch im Afrikabild, das oft noch von den Ländern des Globalen Norden gezeichnet wird und welches nicht der afrikanischen Realität entspricht: arm und hilfsbedürftig. Die Entwicklungszusammenarbeit als Rettung, Entwicklungshelfer*innen, die dem „unterwickelten“ Afrika aus der Misere helfen. Das wird natürlich auch in Afrika wahrgenommen, genauso wie wenn für afrikanische Staaten andere (menschenrechtliche) Standards angewandt werden als für andere Partner*innen.

Es wurde registriert, dass afrikanische Student*innen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten wollten, es im Gegensatz zu weißen Flüchtlingen schwerer hatten, Hilfe zu bekommen und tagelang an den europäischen Außengrenzen festhingen. Die Corona-Pandemie hätte die Leuchtstunde internationaler Solidarität sein können. Sie war das Gegenteil. Statt internationaler Solidarität zählten nationale Egoismen bei der Impfstoffverteilung.

Afrika hat geopolitisches Gewicht

Die afrikanischen Staaten wollen kein Spielball europäischer Großmächte mehr sein. Ein neuer Ansatz in den Beziehungen zu Afrika sind außerdem im ureigenen Interesse Deutschlands. Die Abstimmung in der UN-Generalversammlung sollte spätestens gezeigt haben: Afrika hat geopolitisches Gewicht. Für die Transformation zu einer C02-neutralen Gesellschaft sind Deutschland und Europa auf Rohstoffe angewiesen, die Bevölkerung ist unglaublich jung, hier herrscht Fachkräftemangel und Europa will wirtschaftlich unabhängiger von Russland und China werden, muss also seine Handelsbeziehungen diversifizieren.

Deshalb ist es so wichtig, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz für die Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20 und für eine bessere Repräsentanz afrikanischer Länder im UN-Sicherheitsrat einsetzt und dass die Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik, aber auch die neue Afrika-Strategie von Entwicklungsministerin Svenja Schulze es ganz klar benennen: es bedarf einer wirklich partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent, einer feministischen, dekolonialen und antirassistischen Entwicklungszusammenarbeit.

In einer multipolaren Welt brauchen wir Partner*innen für Demokratie und Menschenrechte. Der Umgang mit der aktuellen Ernährungskrise, die viele afrikanische Länder als Folge des Kriegs gegen die Ukraine bedroht, wird ein erster Test für diese neue Partnerschaft und Solidarität.

node:vw-infobox

Autor*in
Franziska Pflüger

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestagsbüro von Rebecca Schamber. Sie hat Politik- und Verwaltungswissenschaft sowie nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit studiert und engagiert sich im SPD-Netzwerk Feministische Außenpolitik.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare