Meinung

Mietendeckel-Urteil: Wo der kaputte Wohnungsmarkt repariert werden kann

Dass der Mietendeckel vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, ist auch über Berlin hinaus ärgerlich. Denn ein mutiger Ansatz von Rot-Rot-Grün wurde nicht belohnt, während der kaputte Wohnungsmarkt bleibt. Das Urteil zeigt aber auch einen Ausweg aus der Sackgasse.
von Benedikt Dittrich · 15. April 2021
Der Mietendeckel war eine Idee, die Mietpreisexplosion in Berlin zu stoppen.
Der Mietendeckel war eine Idee, die Mietpreisexplosion in Berlin zu stoppen.

Die politische Maschinerie von Liberalen und Konservativen läuft am Donnerstag auf Hochtouren. Gerade aus den Reihen der FDP sind die Reaktionen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel überschwänglich, von einer Absage von ideologischen Experimenten und Missbrauch ist gar die Rede. Was all diese hämischen Kommentare, Reaktionen und Bewertungen allerdings verschweigen: Die Probleme am Wohnungsmarkt bleiben bestehen und eine Lösung haben auch die Gegner*innen des Mietendeckels nicht.

Die Wunschvorstellung, ja, die neoliberale Grundüberzeugung, dass der Markt am Ende für Gerechtigkeit sorgt, bleibt für den Wohnungsmarkt eine Utopie. Schlimmer: Sie ist ein Trugschluss. Denn Wohnfläche ist ein begrenztes Gut, das gerecht verteilt werden muss. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage wird bei Grundbedürfnissen an dem Punkt ungerecht, an dem eine Seite eine natürliche Grenze hat. Und das ist bei dem Grundbedürfnis, ein Dach über dem Kopf zu haben, der Fall. Das hat schon Hans-Jochen Vogel früh erkannt und bis zu seinem Tod immer wieder betont: „Grund und Boden sind keine Ware.“

Gesellschaft leidet unter Verdrängung

Wenn es in deutschen Großstädten wie in Berlin so weitergeht wie bisher, können sich zwar Millionär*innen ihr Luxus-Appartment in Mitte weiterhin leisten. Aber direkt vor der Haustür dürften dann bald Gastronomie, Friseursalons und Krankenhäuser verschwinden, weil dafür die Arbeitskräfte vor Ort fehlen. Weil Pflegepersonal, Friseur*innen und Kellner*innen sich die Mieten in Berlin-Mitte nicht mehr leisten können und auch nicht jeden Tag zwei Stunden in die Stadt pendeln wollen oder können. Kurz: Viele Menschen, vor allem Geringverdiener*innen werden aus der Stadt verdrängt, das gesellschaftliche Leben in der Großstadt leidet und es droht sogar der Verlust der wohnortnahen Daseinsvorsorge.

Auch die Mietpreisbremse hat diese Entwicklung in Berlin und anderen Städten nicht sichtbar aufgehalten. Eine Entwicklung, die der Mieterbund immer wieder kritisiert und die weitergehende Überlegungen wie einen Mietendeckel erst nötig gemacht hat. Das wird von den Kritiker*innen allerdings gerne übersehen. Der Mietendeckel sollte auch eine „Atempause“ verschaffen, in der der soziale Wohnungsbau wieder aufholen kann. Es sind zwei Spuren derselben Straße, die zu einem entspannteren, sozial gerechteren Wohnungsmarkt führen sollten: Bei den Mietpreisen die Beschleunigung rausnehmen, gleichzeitig den Wohnungsbau auf die Überholspur setzen. Die Anzahl der genehmigten und gebauten Wohnungen in den vergangenen Jahren zeigt auch, dass die Richtung stimmte.

Dann eben auf Bundesebene

Dass der Deckel nun auf juristischem Weg gestoppt wurde, ist deswegen aus politischer Perspektive doppelt zu bedauern. Denn die Mietpreisexplosion bleibt weiterhin ein Problem nicht nur für Berlin. Gleichzeitig wurde der Mut, dieses Problem trotz der bekannten juristischen Bedenken mit dem Mietendeckel anzugehen, nicht belohnt.

Die Antwort darauf kann aus sozialdemokratischer Perspektive aber nur sein: dann eben auf Bundesebene. Es ist auch der Weg, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung deutlich sichtbar offenlässt.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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