20 Jahre nach 9/11: Die angeschlagenen Staaten von Amerika
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Zwei Jahrzehnte nach den Anschlägen am 11. September 2001 endet der Kriegseinsatz in Afghanistan in einer Niederlage. Genau diese sollte eigentlich verhindert werden, deswegen hatten die US-Truppen dort so lange ausgeharrt. Das Land sollte eben nicht wieder in die Hände der Taliban fallen.
Vier Präsidenten hatten die USA seit dem Schicksalstag 2001 und der Feldzug gegen Al Quaida und die Taliban, wurde vor 20 Jahren noch von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen. Was am Abend des 11. September noch ging, nämlich das gemeinsame – Republikaner und Demokraten – Singen der Nationalhymne auf den Stufen des Kongresses, wäre heute undenkbar. Sie waren geeint in dem Glauben, die Nation verteidigen zu müssen, es war ihre patriotische Pflicht und die Amerikaner*innen stimmten überwältigend zu.
Die USA überschätzten sich selbst
Doch der Regierung von George W. Bush fehlte es an Augenmaß, sie begann nach innen wie nach außen den überspannten Krieg gegen den Terrorismus. Das Unwort von der „Achse des Bösen“ wurde geschaffen. Es war der Versuch, die Welt in Gut und Böse einzuteilen und wurde der komplexen Gemengelage der internationalen Politik so gar nicht gerecht. Schlimmer noch: Die USA überschätzten sich selbst in Wirkung und Stärke. Der Versuch, Demokratie mit dem Schwert einzuführen, musste scheitern und brachte vielmehr Krieg, Folter und Menschenrechtsverletzungen im Dienste des vermeintlich Guten. Diese Politik destablisiert den Mittleren Osten bis heute.
Der Angriff auf den Irak war in der Bevölkerung der USA nicht populär und war letztendlich auf Lügen gebaut. Das vergiftete die Politik insgesamt. Sowohl Bush als auch Trump haben Vertrauen verspielt und gleichzeitig die Spaltung des Landes gefördert. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Regierung lag im September 2001 bei mehr als 50 Prozent. Seither ist es stetig weniger geworden und liegt heute laut Pew research center (Pew) bei 24 Prozent.
Der weltweite Ruf der USA ist angeschlagen
Für die USA ist die Ära des 11. Septembers zu Ende, denn in den vergangenen 20 Jahren ist eine Generation herangewachsen, die nur noch eine kollektive Erinnerung an die Anschläge hat, und nun wird auch Afghanistan aus dem täglichen Blick fallen. Die Vereinigten Staaten verloren wärend zwei Jahrzehnten Tausende von Soldaten und Billionen von Dollar – ob im Irak, in Syrien oder Afghanistan. Die Versuche des Aufbaus von Nationen (nation building) scheiterten, und der weltweite Ruf der USA ist angeschlagen.
Die (vielleicht naive) Hoffnung, autoritäre und konfliktgeprägte Länder demokratisieren zu können, ist gescheitert. Alle Präsidenten seit George W. Bush haben versucht, diese Kriege zu beenden, sich aus dem Mittleren Osten zurückzuziehen und sich auf den Aufstieg Chinas zu konzentrieren. Mit dem Rückzug aus Afghanistan ist Joe Biden der erste, dem dies gelungen ist – aber nur mit enormen Kosten. Damit löste er ein Wahlversprechen ein. Die Bevölkerung und die US Politik selbst sind in ihrer Mehrheit der Kriege, die sie selbst begonnen haben, überdrüssig.
Was kann an die Stelle militärischer Macht treten?
Was daraus folgt ist weniger klar: Eine aktuelle Pew-Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Amerikaner*innen glaubt, dass sich durch 9/11 vieles zum Schlechteren verändert habe. Sie fühlen sich auch nicht unbedingt sicherer. Krieg als Instrument der Veränderung und als Mittel der Politik, wenn alles andere versagt, hat in den USA deutlich an Unterstützung verloren.
Jede zukünftige militärische Intervention wird nicht mehr leicht auf den Weg zu bringen sein. Doch die freie westliche Welt muss sich überlegen, was an die Stelle militärischer Macht treten kann, um einen Diktator am Einsatz von Chemiewaffen zu hindern oder um Minderheiten vor Völkermorden zu schützen.