Welttheatertag: „Die Lust auf Kunst ist wieder da.“
Welche Bedeutung hat das Theater noch in einer Welt, in der alles digital wird und viele lieber auf dem Sofa Netflix schauen als ins Kino zu gehen?
Theater ist ein Ganzkörpererlebnis. Gemeinsam mit anderen Menschen in einem Raum sitzen und zu erleben, wie Kunst in diesem Moment auf der Bühne entsteht, das ist etwas ganz Besonderes. Wir werden angeregt oder können uns fallen lassen und hinweg träumen. Und wir erleben das alles gemeinsam mit anderen. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Qualitäten des Theaters nicht ersetzbar sind. Und dass jeder, der sie einmal gespürt hat, auch wieder spüren möchte.
Der Welttheatertag steht in diesem Jahr im Zeichen des Kriegs in der Ukraine. Wo ist die Verbindung?
Wir widmen den diesjährigen Welttheatertag sehr grundsätzlich der Kraft der Darstellenden Künste und dem Wirken der Künstlerinnen und Künstler, die uns diese Kraft spüren lassen. Das ist gerade angesichts der vielen Krisen unserer Zeit, wie dem Krieg in der Ukraine, so wichtig. Denn Theater kann eine andere Welt imaginieren und so die Zuversicht stärken, dass wir unsere Welt auch verändern können. Die ägyptische Schauspielern Samiha Ayoub betont in der offiziellen Botschaft zum diesjährigen Welttheatertag, wie wichtig Empathie und Solidarität für unser Leben sind und wie sehr das Theater diese Werte fördern kann.
In Deutschland haben die Theater stark unter den Schließungen während Corona gelitten. Können sie inzwischen wieder an die Vor-Corona-Zeit anknüpfen?
Wir sehen seit Ende des letzten Jahres, dass die Auslastungen wieder deutlich steigen und teilweise schon wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit sind. Das heißt: Das Publikum kehrt zurück. Aber trotzdem hat sich einiges verändert. Viele kaufen ihre Karten später und wollen genauer wissen, auf welches Erlebnis sie sich einlassen. Das gilt für alle kulturellen Angebote, so dass wir hier gemeinsam daran arbeiten, den Erwartungen der Besucherinnen und Besucher noch besser gerecht zu werden. Aber die Lust auf Kunst, die ist absolut wieder da und deutlich zu spüren.
Auch die Theater leiden unter den zurzeit steigenden Preisen. Wann wird es Existenz bedrohend?
Das lässt sich so abstrakt nicht sagen, aber natürlich sind das wirtschaftlich keine leichten Zeiten. Die Energiepreisbremsen und der Sonderfonds Energie helfen, einen Teil der Kostensteigerungen zu decken. Aber wir dürfen die Theater und die Kultureinrichtungen im Allgemeinen in dieser Zeit nicht alleine lassen. Jeder Einzelne kann helfen, indem er die Angebote besucht – und kulturpolitisch müssen wir wie schon während die Corona die Rahmenbedingungen für die Kultur so gestalten, dass das, was wir gesellschaftlich für wichtig erachten, auch eine Chance hat, durch diese schwierige Zeit hindurch zu kommen.
Jedes Jahr werden in Deutschland rund zehn Milliarde Steuergelder ausgegeben, um Theater und Opernhäuser zu finanzieren. Reicht das, um die Zukunft der Bühnen zu sichern?
Das ist jedenfalls eine enorme Summe, die zeigt, für wie wertvoll wir als Gesellschaft unsere einzigartige Theaterlandschaft halten. Und dazu kommen ja noch viele private Bühnen und freie Gruppen, die das Theater als Kunstform ebenfalls pflegen. Aber natürlich kann es sein, dass diese Summe nicht reicht, wenn alles teurer wird. Dann müssen wir gemeinsam mit den Bühnen sicherstellen, dass die Zukunft des Theaters nicht in Gefahr gerät. Das will keiner. Und das wird auch dieses Mal nicht passieren. Theater ist nicht nur unersetzlich, es ist auf eine bestimmte Weise auch unverwüstlich. Und gerade jetzt brauchen wir die Leidenschaft, die Kreativität, die Kraft und die Zuversicht des Spiels auf den Bühnen.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
node:vw-infobox
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.