Kultur

Filmtipp „Le Mali 70“: Auf der Suche nach dem Sound der Freiheit

Eine Berliner Bigband folgt den Spuren ihrer Vorbilder in Mali. Der Dokumentarfilm „Le Mali 70“ erzählt von der Kraft der Musik in dem krisengeschüttelten Land.
von ohne Autor · 18. August 2023
Spannender Trip: Musiker*innen aus Deutschland und Mali reisen kreuz und quer durchs Land.
Spannender Trip: Musiker*innen aus Deutschland und Mali reisen kreuz und quer durchs Land.

Als die Frauen und Männer die Songs aus vergangenen Zeiten hören, fegt es sie von den Stühlen. Die Euphorie in dem improvisierten Konzertsaal ist fast körperlich zu spüren. Die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne lassen sich von dieser Energie tragen. Ein magischer Moment.

Malis musikalische Vielfalt hat Weltrang

Es ist alles andere als ein normales Konzert. Die Berliner Bigband „Omniversal Earkestra“ ist nach Mali gereist, um die Ursprünge ihrer musikalischen Idole zu erkunden. Es sind jene Künstlerinnen und Künstler, die während der 60er- und 70er-Jahre den Soul-, Jazz- und eben auch Bigband-Sound in dem westafrikanischen Land prägten und dadurch international bekannt wurden. Einer von ihnen ist Salif Keita. Den Sänger der Band „The Ambassadeurs“ kennen viele auch von Auftritten in Deutschland.

Malis musikalische Vielfalt – man denke nur an den legendären „Wüsten-Blues“ des Gitarristen Aki Farka Touré – wurde damals zu einer popkulturellen Marke von Weltrang. Sie beeinflusste zahllose Künstler*innen im Ausland und eignete sich vielerlei Impulse von dort an. Die Entfesselung dieses ungeheuren künstlerischen Potenzials ging einher mit dem politischen und gesellschaftlichen Aufbruch des Landes während der ersten Jahre der Unabhängigkeit. Bis Ende der 1960er-Jahre ein Militärputsch erneut Unterdrückung und Verbote brachte, auch für Musikerinnen und Musiker. Und auch gegenwärtig – nicht nur, aber gerade angesichts einer zunehmenden Bedrohung durch radikalislamistische Kräfte – haben es Musikschaffende dort nicht immer leicht.

Tief in der Kultur verwurzelt

Doch viele von ihnen lassen sich ihre Leidenschaft nicht nehmen: Weil sie in ihnen, aber auch in der Kultur und Spiritualität Malis, viel zu tief verwurzelt ist – auch das macht Regisseur Markus CM Schmidt mit seinem Film eindrucksvoll deutlich. Jenes Konzert zählt zu den emotionalen Höhepunkten einer langen Reise. Sie beginnt mit Jamsessions der Berliner Bandmitglieder und malischen Musiker*innen in der Hauptstadt Bamako und erfährt ihre Krönung in gemeinsamen Studioaufnahmen – das dabei entstandene Album ist ebenfalls unter dem Titel „Le Mali 70“ erschienen.

Den angereisten Deutschen ging es aber nicht nur darum, jene Songs zu jammen, die sie von uralten Schallplatten kannten. Sie reisten kreuz und quer durchs Land, um zu verstehen, woher all die Rhythmen und Melodien kamen – und auch so manche wie aus der Zeit gefallene Textzeile. Auch der Film nimmt die Perspektive eines Suchenden ein: Er führt uns durch die betörenden, aber auch hässlichen Seiten eines Staates, dessen Zukunft mehr denn je ungewiss ist (die Dreharbeiten fanden allerdings zwei Jahre vor dem Militärputsch von 2021 statt). Der ruhige, aber intensive Erzählfluss trägt uns mit sich wie ein nicht enden wollender Bigband-Track: Man weiß nicht, wohin das Ganze führt, kann sich ihm aber auch nicht entziehen.

Eine Begegnung auf Augenhöhe

Während dieser Suche taucht immer wieder die Musik auf. Mal beiläufig durch eine Gitarre irgendwo aus dem Off oder während einer Fachsimpelei. Und natürlichen immer wieder beim gemeinsamen Musizieren. Was beide Seiten von der Zusammenarbeit mitnehmen, bleibt im Ungefähren. Wer den Musiker*innen über die Schulter schaut, meint es allerdings zu erahnen. Und wird auch Zeuge von Konflikten – zum Beispiel bei der Frage nach dem richtigen Beat.

Markus CM Schmidt verfolgte den Ansatz, einen Austausch auf Augenhöhe in all ihren Facetten festzuhalten und damit dem gewöhnlichen Bild von den Menschen in Mali – also als Opfer übermächtiger Strukturen und gewaltsamer Konflikte – etwas entgegenzusetzen. Das ist ihm gelungen: „Le Mali 70“ erzählt von mit Neugier erfüllten Begegnungen mit etwas anderem, das zugleich vertraut wirkt.

„Musik kennt keine Grenzen“

Manchmal wird das, worum es bei dieser Reise geht, dann doch konkret in Worte gefasst. „Musik kennt keine Grenzen“, sagt Mouneissa Tandina. Schon als Jugendliche, in den 70er-Jahren, spielte sie als Schlagzeugerin in verschiedenen Bands. „Wir müssen einander zuhören und hart arbeiten“, fügt sie hinzu. „Und dann klappt es auch.“ Dabei hat man das Gefühl, dass der Appell an die Gemeinsamkeit weit über das Jammen mit den Deutschen hinausreicht und sich auch an die malische Gesellschaft richtet.

Wie überhaupt dieser atmosphärisch starke, die Musik feiernde Film immer wieder unterstreicht, dass es ihm längst nicht „nur“ um Musik geht.

Info: „Le Mali 70“ (Deutschland 2022), Regie: Markus CM Schmidt, mit Cheick Tidiane Seck, Sory Bamba, Mouneissa Tandina, Salif Keita, dem Omniversal Earkestra u.a.,90 Minuten.
https://www.realfictionfilme.de/
https://mali70.de/
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