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Was Melonis Wahlsieg für Italien, Europa und Deutschland bedeutet

Die Parlamentswahl in Italien brachte das befürchtete Ergebnis: Die Rechtsextremistin Giorgia Meloni wird wohl neue Ministerpräsidentin des Landes. Es werden aber bereits Risse in ihrem Bündnis sichtbar.
von Jonas Jordan · 26. September 2022
Die Postfaschistin Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl in Italien gewonnen.
Die Postfaschistin Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl in Italien gewonnen.

Giorgia Meloni wird wohl die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Italiens. Am Sonntag gewann das Wahlbündnis der Rechtsextremistin, bestehend aus ihrer Partei Fratelli d'Italia (26 Prozent), der Lega von Matteo Salvini (8,8 Prozent) und der Forza Italia (8,1 Prozent) des fast 86-jährigen Silvio Berlusconi die Parlamentswahl deutlich. Manuel Gava aus Osnabrück ist seit vergangenem Jahr SPD-Bundestagsabgeordneter und hat neben der deutschen auch die italienische Staatsbürgerschaft. Für ihn war der Wahlausgang ein Schock, wenngleich er nicht völlig überraschend kam. „Leider habe ich das schon kommen sehen, auch wenn ich bis zum Schluss gehofft habe. Es war spürbar, wenn man mit Leuten aus Italien gesprochen hat, ganz egal aus welcher Gegend“, sagt er einen Tag nach der Wahl im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Der SPD-Politiker geht jedoch davon aus, dass die Zusammenarbeit der drei maßgeblich beteiligten Politiker*innen und ihrer Parteien nicht so reibungslos verlaufen dürfte, wie es im Wahlkampf oftmals den Anschein hatte. Denn das Kräfteverhältnis innerhalb des Rechtsblocks hat sich deutlich verschoben. Noch 2019 wurde Salvinis Lega bei der Europawahl mit fast 35 Prozent stärkste Kraft in Italien. Zuletzt konnten sich jedoch Melonis Fratelli d'Italia als einzige nennenswerte Opposition zur Allparteienregierung unter dem früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi profilieren. „Ich sehe diese Regierung noch nicht. Das werden jetzt spannende Tage in Italien“, sagt Gava daher.

Konfliktpotenzial innerhalb des rechten Lagers

Innerhalb der Lega sorge der Wahlausgang für Unruhe und biete durchaus Konfliktpotenzial, insbesondere in den norditalienischen Regionen wie der Lombardei oder dem Veneto, wo die Partei Regierungsverantwortung trägt. Auch sagt Gava: „Ich glaube, dass diese Regierung nicht die volle Wahlperiode halten wird.“ Er rechne damit, dass sehr schnell Spannungen zwischen den Parteien auftreten werden. Beispielhaft dafür nennt er die Positionierung gegenüber Russland. Während Salvini sich in der Vergangenheit häufiger prorussisch äußerte, vertrat Meloni differenziertere Positionen und suchte eher die Nähe zu Trump.

Inhaltlich rechnet Gava nicht damit, dass Meloni einen Austritt aus der EU oder dem Euro-Raum forcieren wird: „Das Geld, das Italien aus dem Corona-Hilfsfonds und dem European Green Deal zusteht, wird sie gerne nehmen.“ Jedoch befürchtet der SPD-Bundestagsabgeordnete eine Abkühlung der deutsch-italienischen Beziehungen: „Wir werden einen deutlichen Deutschlandhass spüren. Das hat sie schon im Wahlkampf deutlich gemacht.“ Meloni werde zudem die Gesellschaft weiter spalten und Hass säen, glaubt er. Auch sei es zweifelhaft, wie sie ihre Wahlversprechen – die Steuern zu senken und mehr für Bedürftige zu tun – finanzieren wolle. „Ich bin gespannt, wie diese Quadratur des Kreises gelingen soll“, sagt Gava.

Gava: PD muss sich massiv erneuern

Enttäuschend verlief die Wahl für dien sozialdemokratische Partito Democratico (PD), der unter Führung von Enrico Letta angetreten war. Nachdem seine Partei nur 19,1 Prozent der Stimmen erzielte, kündigte Letta am Tag nach der Wahl seinen Rückzug von der Parteispitze an. Ein konsequenter Schritt aus Gavas Sicht, der selbst für die Partei gestimmt hatte. „Die PD muss sich jetzt ganz massiv erneuern, auch inhaltlich, aber vor allem personell, damit die Italiener wieder mehr Vertrauen in diese Partei setzen, als sie es bislang getan haben“, sagt er.

Gesellschaftlich komme der Partei, die im Parlament künftig wohl als Oppositionsführerin agieren wird, ebenfalls eine Schlüsselrolle als Korrektiv zu einer von Meloni geführten Regierung zu: „Die PD wird dafür sorgen müssen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt auch immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird. Sie wird dafür zuständig sein müssen, dass Gruppen, die von der Regierung nicht beachtet werden, immer wieder in den Fokus gestellt werden“, so Gava.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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