Ukraine-Krieg: Wie F-35-Kampfjets die Bundeswehr stärken
Die Entscheidung zur Beschaffung einer Tornado-Nachfolge stand bereits lange vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf der Agenda der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen festgehalten: „Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.“ Die Entscheidung über ein Nachfolgesystem wäre also auch ohne die Aggression Russlands früh in dieser Legislaturperiode getroffen worden, jedoch erhöht der Krieg in der Ukraine die Dringlichkeit der Beschaffung.
Für die SPD war die Debatte über Atomwaffen und über die Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe prägend wie für keine andere Volkspartei. Uns Genossinnen und Genossen eint das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt. Über den Weg dorthin haben wir aber immer wieder – auch sehr emotional – miteinander gerungen. Nicht nur in den Ortsvereinen, auch in der Bundestagsfraktion treffen hier verschiedene und teilweise gegensätzliche Ansichtsweisen aufeinander. Vor diesem Hintergrund muss die aktuelle Entscheidung über ein Nachfolgesystem für den Tornado gut begründet und erklärt werden.
Nukleare Teilhabe funktioniert mit F-35 am besten
Derzeit hat die Bundeswehr 93 Kampfflugzeuge vom Typ „Tornado“ im Bestand. Mit diesen deckt die Luftwaffe die Fähigkeiten zur nuklearen Teilhabe, zum elektronischen Kampf, Luftangriff und zur taktischen Aufklärung ab. Doch können wir die überalterte Tornado-Flotte nur unter großen Anstrengungen und immer höher werdenden Kosten in der Luft halten. Dabei ist klar, dass gerade die Sonderrolle nuklearer Teilhabe nicht ohne weiteres vom europäischen Modell „Eurofighter“ übernommen werden kann. Für den bruchfreien Fähigkeitserhalt braucht es jetzt also eine kurzfristige Lösung mit einem marktverfügbaren System.
Nun ist die Entscheidung für den modernen Kampfjet F-35 endlich gefallen. Unsere Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat die Entscheidung am Montag, den 14. März 2022 verkündet. Nach der Bundestagswahl, den Verhandlungen und der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler wurde erneut geprüft, welche Kampfflugzeuge als Tornado-Nachfolge in Betracht kommen.
Ukraine-Krieg verändert sicherheitspolitische Lage
Seit 2019 haben wir eine veränderte Lage. Zum einen schauen wir auf unsere europäischen Partner und die Möglichkeiten des Zusammenwirkens. Zum anderen müssen wir die sicherheitspolitische Lage, die sich gerade dramatisch im Krieg in der Ukraine widerspiegelt, mitberücksichtigen. Daher war es notwendig noch einmal alle Optionen intensiv zu prüfen. Mit der Entscheidung zur F-35 bekommt die Luftwaffe nun das aktuell modernste Kampfflugzeug. Und das ist gut so.
Aber natürlich halten wir am trinationalen Programm FCAS, in dessen Zentrum der Next Generation Fighter als Kampfflugzeug der 6. Generation steht, weiter fest. Denn der Aufbau europäischen Know Hows ist essentiell für die europäische Souveränität und sichert auch deutsche Schlüsseltechnologie. Um den Tornado noch zeitgerecht ablösen zu können, kann aber nicht auf dieses Flugzeug gewartet werden.
Siemtje Möller: Wir müssen jetzt handeln
Wir müssen jetzt beschaffen. Mit der F-35 kaufen wir ein Produkt, das nicht entwickelt werden muss, sondern möglichst schnell zur Verfügung stehen wird. Aber, wie bei vielen Rüstungsprojekten dieser Größenordnung, wird auch das ein paar Jahre dauern. Deswegen: Jetzt handeln.
Die F-35 ist das Kampfflugzeug, für das sich auch viele unserer Partner in NATO und EU entschieden haben. So stärken wir nicht nur das Zusammenwirken zwischen unserer Luftwaffe und den Luftstreitkräften unserer Partner, sondern modernisieren auch die Bundeswehr. Tatsächlich war das Kooperationspotenzial der F-35 ein gewichtiges Argument für das Flugzeug, das sich u.a. auch schon in Italien, Finnland, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Belgien, Polen und Dänemark sowie in den USA und in Israel in der Nutzung befindet. Mit diesen Ländern verbinden uns nicht nur jahrzehntelange Freundschaften und wertebezogene Bündnisse, sondern künftig auch die F-35, mit der wir gemeinsam im Bündnis wehrhafter und resilienter sein werden. Mit der Nachfolgelösung des Tornados erhält Deutschland seine NATO-Fähigkeiten zur nuklearen Teilhabe ohne Unterbrechung und stärkt somit die transatlantische Allianz.
Klares Signal für Sicherheit der NATO-Partner
Zum Ende der vergangenen Wahlperiode haben wir in der SPD-Bundestagsfraktion erneut über Sinn und Zweck dieser nuklearen Teilhabe diskutiert. Die Fähigkeit zum Einsatz von Atomwaffen innerhalb und für das Atlantische Bündnis vorzuhalten, obwohl wir diese Atomwaffen niemals einsetzen wollen, ist für viele in der SPD nur schwer oder gar nicht nachzuvollziehen. Nun hat uns der Angriff Russlands auf die Ukraine gezeigt, dass das Konzept der Abschreckung, auch mit nuklearen Waffen, nicht so unbedeutend ist, wie wir lange gedacht und gehofft haben. Die Entscheidung für die F-35 ist ein klares Signal – auch an unsere NATO-Partner im Osten, dass wir es mit unserem Bekenntnis zur Sicherheit des nordatlantischen Gebietes ernst meinen.
ist SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium.