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Nach Orbáns Wahlsieg: Barley sieht EU-Einheit gegen Russland in Gefahr

„Die Geschlossenheit bröckelt.“ Katarina Barley kritisiert im Gespräch das Vorgehen der EU-Kommission gegen Viktor Orbán kurz nach der Wahl in Ungarn. Am Ende könnte Putin profitieren, befürchtet die Vizepräsidentin des EU-Parlaments.
von Benedikt Dittrich · 8. April 2022
Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlamentes.
Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlamentes.

Frau Barley, was waren ihre ersten Gedanken am Mittwoch, als Ursula von der Leyen angekündigt hat, dass die Kommission gegen Orbán vorgehen will? 

Ich war ziemlich erschüttert. Wir hätten den Rechtsstaatsmechanismus schon vor einem Jahr einsetzen können und müssen. Es ist auch ein ungeschickter Moment so kurz nach der Wahl. Natürlich wird Orbán jetzt sagen: „Die ungarische Bevölkerung hat gerade entschieden und das ist ein Angriff auf diese Entscheidung.“ Das ist aber nicht der Fall. Außerdem will die Kommission sich auf die Korruptionsvorwürfe beschränken. Das ist ein großes Thema in Ungarn, Orbán ist korrupt. Aber es ist bei weitem nicht das einzige Problem in dem Land.

Wie kommt denn ein so unglückliches Timing zustande? 

Das war eine politische Entscheidung der Kommission. Dieser Rechtsstaatsmechanismus wurde schon zum 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt. Das ist eine Verordnung, die sofort umgesetzt werden muss. Die Kommission hat sich aber alle möglichen Ausreden ausgedacht, warum man sie noch nicht anwenden kann. Man wollte erst Guidelines erarbeiten, dann das Gerichtsurteil des europäischen Gerichtshof abwarten. Aber auch dieses Urteil liegt inzwischen schon eine Weile vor. Es fehlte einfach der politische Wille. Deswegen haben wir als Parlament die Kommission auch wegen Untätigkeit verklagt.

Und jetzt ist die EU in einer Zwickmühle: Man braucht Orbán um als EU geschlossen gegen Russland vorzugehen, gleichzeitig geht die EU gegen Orban vor. 

Das ist ein generelles Problem, nicht nur bei der Entscheidung über Sanktionen. Orbán ist ein Kumpel von Putin und hat auch gute Kontakte zu China. Wir werden also bei vielen Entscheidungen Probleme haben. Ungarn hat auch schon in der Vergangenheit chinesische Interessen in der EU vertreten. Gegenüber Russland ist es jetzt aber besonders bitter. Orbán wird versuchen, Entscheidungen zu verwässern. Das fing schon bei den Entscheidungen über Waffenlieferungen an, wird aber sicherlich noch deutlicher werden.

Vor Kriegsbeginn stand auch Polen noch in der Kritik. Hat sich das Verhältnis der Osteuropäer*innen untereinander, auch zu Ungarn, seit dem 24. Februar verändert? 

Die Rechtsextremen halten weiterhin zu Orbán. Darunter sind ja auch viele Russland-Freunde, beispielsweise aus der AfD in Deutschland oder der Partei von Marine Le Pen in Frankreich. Aber: Die Abgeordneten der PiS aus Polen hatten immer schon das Russland-Problem mit Orbán. Das ist für sie ein sehr wichtiges Thema, immer schon. Dieser Konflikt mit Orbán tritt jetzt deutlich zutage. Das kann auch eine Chance sein, ihn weiter zu isolieren und klarzumachen, dass er mit seiner Verächtlichmachung der EU nicht durchkommt. 

Gibt es irgendeine Möglichkeit die Geschlossenheit in der EU gegen Russland aufrecht zu erhalten, mit Orbán? 

Die Geschlossenheit bröckelt, das muss man so klar sagen. Der Krieg hat zuerst in der EU eine große Einigkeit erzeugt, wir konnten schnell gemeinsam Entscheidungen treffen. Aber an manchen Punkten entzweit es sich jetzt. Langfristig hoffe ich aber, dass der Krieg dazu führt, dass die EU wieder stärker zusammenrückt. Denn gerade in der Bevölkerung gibt es angesichts der Bedrohung aus Russland das Gefühl: Wir sind nur zusammen stark.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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