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Klimakonferenz: „Eine Kurskorrektur hätte eingeleitet werden müssen.“

Lange wurde um die Abschlusserklärung der diesjährigen Weltklimakonferenz gerungen. Das Ergebnis reicht aber nicht aus, um die Erderwärmung wirksam zu begrenzen, ist Klima-Expertin Sarah Zitterbarth überzeugt. Ein anderer Beschluss mache hingegen Hoffnung.

von Kai Doering · 22. Dezember 2023
Kommt für sie jede Hilfe zu spät: die Delegation der vom Untergang bedrohten Marshall-Inseln bei der Weltklimakonferenz in Dubai

Kommt für sie jede Hilfe zu spät: die Delegation der vom Untergang bedrohten Marshall-Inseln bei der Weltklimakonferenz in Dubai

Die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz in Dubai wird von vielen Beobachter*innen als „historisch“ bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein. Bei der diesjährigen COP sollte es vor allem darum gehen, die globale Bestandsaufnahme (global stocktake) als Instrument zur Steigerung der Ambitionen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zu nutzen. Eine Kurskorrektur hätte eingeleitet werden müssen mit verbindlichen neuen Vorgaben, um die nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) bis 2025 zu erhöhen. Diese Verbindlichkeit fehlt jedoch in der Abschlusserklärung. Der Beschluss zum „Abkehr von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen“, der von vielen als historisch bezeichnet wird, ist immer noch völlig unzureichend. Es ist natürlich ein wichtiger Schritt, dass endlich die Worte „fossile Energieträger“ Eingang in eine COP Abschlusserklärung gefunden haben und somit die Ursache der Klimakrise konkret und unmissverständlich genannt wird. Um das 1,5 Grad Ziel noch in Reichweite zu halten – aktuell sind wir auf dem Weg zu 3 Grad Erderwärmung – hätte jedoch der von mehr als 100 Staaten und von der Zivilgesellschaft geforderte klare Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern beschlossen werden müssen.

Was bedeutet es konkret, wenn in der Abschlusserklärung von der „Abkehr von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen“ die Rede ist?

Die Aussage in der Abschlusserklärung bleibt leider vage. Zwar wird damit die Aufforderung an alle Länder verbunden, bis 2050 globale Netto-Null-Emissionen zu erreichen, aber es gibt keine Zwischenziele für 2030 und 2040 und keinen konkreten Plan, wie die Abkehr von fossilen Brennstoffen erfolgen soll. Am Ende ist das Abschlussdokument völkerrechtlich nicht verbindlich und Staaten werden nur „aufgefordert“ („calls upon“) sich von fossilen Energien zu verabschieden. Die Umsetzung muss nun national erfolgen und die Aufforderung sollte sich zukünftig in ambitionierteren nationalen Klimaschutzbeiträgen widerspiegeln. Die Entscheidung, das Ende des fossilen Zeitalters einzuläuten, in Verbindung mit dem im Dokument genannten Ziel, den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen, ist ein politisches Signal – auch an Investoren.

Sarah
Zitterbarth

Der Zivilgesellschaft kommt bei der Umsetzung und Ambitionssteigerung bis zur nächsten COP eine wichtige Rolle zu.

Gleich zu Beginn der Konferenz hat der Beschluss zur Umsetzung des Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste für Furore gesorgt. Wie ist das zu bewerten?

Das war wirklich eine gute Nachricht, dass der auf der letzten Klimakonferenz beschlossene Fonds direkt am ersten Tag der COP handlungsfähig gemacht wurde. Der Fonds ist ein zentrales Instrument für mehr Klimagerechtigkeit, denn er unterstützt die besonders von der Klimakrise betroffenen Länder und Menschen im Umgang mit dadurch entstehenden Schäden und Verlusten, z.B. durch Extremwetterereignisse oder den weltweiten Anstieg des Meeresspiegels. Dieses Thema wurde lange Zeit sehr kontrovers diskutiert und Industrieländer blockierten die Verhandlungen. Die Startfinanzierung von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Höhe von jeweils 100 Millionen US-Dollar kam überraschend und hat das Vertrauen von Ländern des Globalen Südens gestärkt. Bis zum Ende der COP28 haben Industrieländer Zusagen von insgesamt 700 Millionen Dollar für den Fonds gemacht. Das ist jedoch immer noch nur ein Bruchteil dessen, was für die zukünftige Finanzierung von Schäden und Verlusten notwendig ist – Schätzungen gehen von 580 Milliarden Dollar im Jahr 2030 aus. 

Besonders erwähnenswert ist, dass mit den VAE zum ersten Mal ein Land, das 1992 in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) noch als Entwicklungsland eingestuft wurde, nun als Geberland in einen UN-Fonds einzahlt. Damit wurde ein wichtiges Signal für reiche Schwellenländer mit mittlerweile hohen Emissionen gesetzt, wie zum Beispiel China, sich nicht als „Entwicklungsland“ hinter dem Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ zu verstecken. Angesichts großer Finanzierungslücken, zum Beispiel bei der Klimaanpassung, wird es in Zukunft darauf ankommen, dass reiche Länder mit hohen Emissionen neben den Industrieländern einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten.

Was muss bis zur nächsten Weltklimakonferenz in Baku geschehen, um die Beschlüsse von Dubai mit Leben zu füllen?

Vor allem die Industrieländer sollten nun mit gutem Beispiel vorangehen und die Beschlüsse der COP in ambitioniertere nationale Klimaschutzbeiträge (NDCs) und nationale Gesetze und Vorhaben übersetzen, zum Beispiel mit konkreten Beschlüssen zum schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Außerdem sollte die Staatengemeinschaft bis zur COP29 in Baku einen konkreten und detaillierten Plan dafür entwickeln, wie der Ausbau von Erneuerbaren Energien weltweit schnell vorangetrieben werden kann und woher die Investitionen kommen können. Um die Glaubwürdigkeit der internationalen Klimapolitik mit dem 1,5-Grad-Ziel und das Vertrauen der Länder im Globalen Süden zu stärken, dürfen Industrieländer keine neuen Öl- und Gasförderprojekte mehr starten.

Partnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungs- bzw. Schwellenländern für eine sozial gerechte Energiewende wie die Just Energy Transition Partnerships mit Südafrika, Vietnam, Indonesien und dem Senegal müssen weiter vorangetrieben werden mit einem Fokus auf sozialer Gerechtigkeit und der Beteiligung von Zivilgesellschaft und Gewerkschaften. Der Zivilgesellschaft kommt bei der Umsetzung und Ambitionssteigerung bis zur nächsten COP eine wichtige Rolle zu – sie sollte sich weiterhin lautstark für einen vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgen einsetzen, Regierungen an die gemeinsamen Beschlüsse in Dubai erinnern und sie zur Rechenschaft ziehen.

Sarah Zitterbarth ist Expertin für Internationale Energie- und Klimapolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Do., 28.12.2023 - 10:39

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Was nützen teure Konferenzen, was nützen private Maßnahmen wie Stromsparen und Heizungserneuerung, was nützen ehrenamtliche Aktionen zum Klimaschutz?

Für mich wirken viele politische Appelle an die Bevölkerung zum Klimaschutz so lange unglaubwürdig, wie die Politik selbst nichts dafür tut, indem sie beispielsweise die unsinnige Silvesterballerei verbietet, womit Verletzte, sogar Tote, Polizeieinsätze, der Einsatz von Rettungskräften und die Beseitigung von Massenmüll eingespart werden könnten.

Alle privaten Aktionen zur Klimaverbesserung werden doch durch diese Geldverschwendung in wenigen Sekunden völlig zunichte gemacht. Und dabei lehnt sogar noch ein Grünen-Ministerpräsident ein Verbot des Verkaufs von umweltschädlichen und lebens- und gesundheitsbedrohlichen Feuerwerksverkaufs ab.