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Europa-SPD fordert von EU mehr Druck auf Ungarn und Polen

Der SPD-Europabeauftragte Udo Bullmann wirft EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der CDU/CSU vor, falsche Rücksichten auf Ungarns Ministerpräsidenten Orban zu nehmen. Die Angriffe Ungarns und Polens auf die Medienfreiheit müssten endlich Konsequenzen haben.
von Lars Haferkamp · 19. Februar 2021
Sie bekämpfen die Medienfreiheit in ihren Ländern: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (l.) mit seinem ungarischen Amtskollegen Victor Orban am 17. Februar 2021 in Krakau
Sie bekämpfen die Medienfreiheit in ihren Ländern: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (l.) mit seinem ungarischen Amtskollegen Victor Orban am 17. Februar 2021 in Krakau

Udo Bullmann, in Ungarn musste der letzte große unabhängige Radiosender vor wenigen Tagen sein Hörfunkprogramm einstellen. Was haben Sie gedacht, als sie davon gehört haben?

Mein erster Gedanke war: Europa darf das nicht einfach geschehen lassen. Die immer wiederkehrenden Angriffe von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán unterwandern die Demokratie ein ums andere Mal. Klubrádió, der Sender, um den es geht, ist nach dem Entzug der Sendelizenz gezwungen, als reines Onlineformat zu funktionieren. Es ist mehr als zweifelhaft, dass das ungarische Gesetz zur Vergabe von Sendelizenzen sowie dessen Umsetzung in Einklang mit EU-Recht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen.

Welche Konsequenzen fordern Sie gegenüber der Regierung Orban?

Die Freiheit der Presse und die freie Meinungsäußerung gehören zu den wichtigsten Grundprinzipien der Europäischen Union. Appelle reichen hier nicht aus. Orbán fühlt sich stark, weil er weiß, dass seine eigene Parteienfamilie sich weiterhin nicht von ihm distanziert. Seine Fidesz gehört, wie auch CDU und CSU, zur Europäischen Volkspartei EVP. Schlicht, um sich politische Mehrheiten zu sichern, greifen seine Parteifreunde nie beherzt ein. Dabei ist das Maß schon seit langer Zeit voll. Armin Laschet, Ursula von der Leyen, die CDU/CSU im Europaparlament und alle Unionspolitikerinnen und -politiker müssen endlich aufhören, Orbán mit Formelkompromissen zu schützen. Er gehört aus der EVP geworfen - das kann ein Anfang sein, um ihm Grenzen aufzuzeigen.

Die EU-Kommission hat immer wieder bekräftigt, wie wichtig ihr die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien sei. Umso erstaunlicher, dass sie jetzt weitgehend schweigt zu den Vorgängen in Budapest. Wie bewerten Sie das?

Offiziell sagt die EU-Kommission, dass sie ein Vorgehen gegen den Entzug der Sendelizenz nicht ausschließt. Es wird momentan geprüft, ob EU-Regeln bei der Entscheidung eingehalten wurden. Das ist aber nicht genug. Für mich ist überdeutlich, dass Ungarn hier geltende Grundsätze der Pressefreiheit aushöhlt. Es ist schon bedenklich, dass vor allem das Europäische Parlament die Europäische Kommission immer wieder antreiben muss. Als Hüterin der EU-Verträge müsste es ihr ein ureigenstes Anliegen sein, demokratische Prinzipien zu verteidigen.

Die EU-Kommission hat mit ihrem unglücklichen Agieren in der Corona-Impfstoffbeschaffung ihr Ansehen geschwächt. Wirkt sich diese Schwäche nun bereits aus beim Umgang Brüssels mit Rechtsstaatsverstößen?

Unsere Kritik an der Pandemie-Strategie der EU-Kommission, besonders an ihrer Präsidentin, ist vielfältig. Man hätte schneller mehr Impfstoffe bestellen müssen. Es fehlt nach wie vor eine globale Strategie, wie UN-Generalsekretär António Guterres zurecht angemahnt hat. Deshalb haben wir als SPD das Thema auch in die weltweit arbeitende Progressive Allianz der sozialdemokratischen Parteien getragen und eine gemeinsame Stellungnahme formuliert.

Im Umgang mit Ungarn hat die Kommission eigentlich durch die Bemühungen der deutschen Ratspräsidentschaft - auch da wieder auf Betreiben der SPD - neue Mittel zur Verfügung. Es wurde ein Mechanismus geschaffen, der es der EU ermöglicht, die Zahlungen an Regierungen einzustellen, die unsere Werte wie etwa die Rechtsstaatlichkeit missachten.

Den Rechtsstaatsmechanismus im EU-Haushalt kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit beschließen. So können bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder gekürzt werden. Das kann vor allem der polnischen wie der ungarischen Regierung, die sehr auf EU-Gelder angewiesen sind, weh tun. Ein neueingeführter Rechtsstaatscheck untersucht auf Grundlage jährlicher Berichte, was gut und was schlecht läuft. Das kann dazu genutzt werden, Fehlentwicklungen künftig schneller zu erkennen und zu korrigieren.

Der letzte EU-Gipfel hatte die Auszahlung finanzieller Unterstützung aus Brüssel an die Einhaltung demokratischer Grundregeln gekoppelt. Hat diese Koppelung jetzt Konsequenzen für Ungarn?

Das muss sie. Die Kommission muss die beschriebenen Instrumente pro-aktiv nutzen und darf sich nicht in falschen Rücksichten verlieren. Dazu muss Ursula von der Leyen aber eine beherztere Haltung an den Tag legen als sie das gegenwärtig tut. Frans Timmermans hat da in der letzten Amtszeit als Rechtsstaats-Kommissar mehr Rückgrat gezeigt.

Wie wenig folgenlose Ermahnungen aus Brüssel beeindrucken, zeigt auch die polnische Regierung. Sie folgt dem Weg Ungarns und gräbt unabhängigen Medien nun mittels Steuern das Wasser ab. Kann die EU auch hier weiter zu schauen?

Nein, wie auch in Ungarn gilt, dass die Europäische Kommission alle verfügbaren Mittel nutzen muss, um den Rechtsstaat zu schützen.

Ungarn und Polen entwickeln sich immer weiter zu autoritär geführten Staaten, in denen demokratische Grundprinzipien wie eine unabhängige Justiz und unabhängige Medien kaum noch vorhanden sind. Ist das mit einer Mitgliedschaft in der EU überhaupt vereinbar?

Es läuft bereits ein Artikel-7-Verfahren gegen beide Mitgliedstaaten. Am Ende kann der Entzug von Stimmrechten stehen. Das setzt aber Einstimmigkeit im Europäischen Rat voraus, was nur schwierig zu erreichen ist.

Ein Ausschluss aus der EU wäre meiner Meinung nach der falsche Weg. Wir sehen es immer wieder bei den Protesten, vor allem jüngst in Polen, wie pro-europäisch und fortschrittlich gerade viele junge Menschen sind. Sie gehen auf die Straße für Frauenrechte, die freie Justiz und unabhängige Medien. Sie wissen um unsere Besorgnis, zählen auf unsere Unterstützung und gerade sie sind es, die eine europäische Zukunft verdient haben. Hier zu fordern, Polen oder Ungarn aus der EU zu werfen, würde Vieles an Hoffnung und Zuversicht zerstören. Wir stehen an der Seite aller Demokratinnen und Demokraten in Polen, in Ungarn, aber auch in Slowenien. Dort greift Ministerpräsident Janez Janša, auch Mitglied der EVP, immer wieder die Opposition und die freie Presse auf undemokratische und beleidigende Weise an. Die SPD ist mit allen, die sich für Demokratie und Freiheit einsetzen.

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