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Ein Jahr US-Präsident: Warum es Joe Biden so schwer hat

Seit einem Jahr ist Joe Biden als US-Präsident im Amt. Manche seiner Vorhaben werden inzwischen von der eigenen Partei blockiert. Bis zu den Zwischenwahlen könnte sich die Stimmung aber drehen, meint Knut Dethlefsen von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
von Kai Doering · 20. Januar 2022
Auch ein Zeichen von Führungsschwäche: Seit einem Jahr ist US-Präsident Joe Biden im Amt.
Auch ein Zeichen von Führungsschwäche: Seit einem Jahr ist US-Präsident Joe Biden im Amt.

Vor einem Jahr wurde Joe Biden mit viel Euphorie als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Inzwischen ist ein Großteil seiner Wähler enttäuscht von ihm. Woran liegt das?

Vor einem Jahr gab es eine deutliche Aufbruchsstimmung, aber auch eine große Erleichterung. Wenn wir uns erinnern: Die USA waren damals in einer Megakrise: wirtschaftlich, gesundheitlich und gesellschaftlich. In Washington DC standen Panzer auf der Straße. Die Stimmung war nicht zuletzt nach dem Sturm auf das Kapitol extrem angespannt. Hinzu kamen viele viele Corona-Infektionen. Die Impfungen liefen ja gerade erst an. Die hohen Erwartungen, die die Menschen damals an Joe Biden hatten, hat er erstmal erfüllt. Er hat es mit einer Kraftanstrengung geschafft, dass zwei Drittel der Amerikaner bis zum Sommer mindestens die erste Impfung erhalten haben. Dann kamen der Herbst und der Winter und Bidens Build-Back-Better-Agenda ist deutlich ins Stocken geraten. Hinzu kommt, dass es in den USA eine recht hohe Inflation gibt und vieles in den letzten Monaten teurer geworden ist. Durch die Omikron-Variante läuft auch die Corona-Pandemie wieder mehr und mehr aus dem Ruder. Das führt zu einer doppelten Frustration bei den Menschen.

Was steht nach einem Jahr Biden auf der Haben-Seite?

Joe Biden hatte zwei wirklich große Erfolge: den American-Rescue-Plan, der 1,9 Billionen US-Dollar in die Wirtschaft gepumpt hat, vieles davon direkt an die Arbeitnehmer gezahlt in Form von Kindergeld und einer Ausweitung der Arbeitslosenversicherung. Im Herbst folgte dann das große Infrastrukturpaket, das Biden sogar zusammen mit den Republikanern auf den Weg gebracht hat und das das größte Investitionspaket in den öffentlichen Raum seit einer Generation ist.

Und wo hakt es?

Das zweite große Reformpaket, das einige der sozialpolitischen Maßnahmen verstetigen sollte, ist steckengeblieben. Die Umsetzung der Build-Back-Batter-Agenda hängt am demokratischen Senator von West Virginia Joe Manchin, der im Dezember angekündigt hat, er könne dem vorliegenden Paket so nicht zustimmen. Einen zweiten Rückschlag musste Joe Biden gerade bei der geplanten Wahlrechtsreform hinnehmen. Sie wird aller Voraussicht nach am Widerstand einer einzigen Senatorin der Demokraten scheitern.

Warum macht es die eigene Partei Biden so schwer?

Es war die große Leistung von Joe Biden, die demokratische Partei während des Wahlkampfs zusammenzuhalten. Sie ist ja eher eine Sammelbewegung unterschiedlicher politischer Kräfte. Nur so konnte er die Wahl überhaupt erst gewinnen und auch seine beiden großen legislativen Erfolge erzielen. Damit hat Joe Biden mehr erreicht als die meisten Präsidenten vor ihm im ersten Jahr ihrer Amtszeit. Die Interessenslagen innerhalb der demokratischen Partei sind aber unterschiedlich und das äußert sich im Moment im Verhalten der beiden Abgeordneten aus Arizona und West Virginia. Beide gehören zum konservativen Lager und haben in den jeweiligen Fragen eine andere Auffassung als Biden. Er ist aber auf sie angewiesen, um eine Mehrheit zu bekommen. Dass Joe Biden sich hier nicht durchsetzen kann, ist ein Problem und auch ein Zeichen von Führungsschwäche.

Und die Republikaner?

Sie machen Joe Biden vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an das Leben schwer – zumal sie seinen Wahlsieg bis heute nicht akzeptiert haben. Sie blockieren, wo sie können und machen jeden Erfolg, den Joe Biden unbestritten erreicht hat, madig.

Was bedeutet das mit Blick auf die Zwischenwahlen im Herbst?

Strategisch betrachtet, ist die Ausgangslage für Joe Biden nicht günstig – auch wenn er selbst ja gar nicht zu Wahl steht, sondern ein Teil der Abgeordneten des Abgeordnetenhauses. Es wird aber schwierig werden für die Demokraten, dort ihre Mehrheit zu halten. Dasselbe gilt für den Senat, der zu einem Drittel neu besetzt wird. Möglicherweise könnte ausgerechnet Donald Trump den Demokraten helfen. Da er ja wieder stärker in die Politik drängt, könnte das demokratische Wähler mobilisieren. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftsprognosen in den USA für 2022 sehr positiv sind. Bis zum Herbst könnte es also noch einen deutlichen Stimmungsaufschwung geben. Eine belastbare Vorhersage lässt sich heute aber noch nicht treffen.

Für wie realistisch halten Sie es, dass Donald Trump in drei Jahren tatsächlich wieder als Präsidentschaftskandidat antritt?

Wenn Trump kandidieren möchte, werden ihn die Republikaner aufstellen. Die Partei richtet sich nach dem, was Trump vorgibt. Dafür hat er sie fest genug im Griff, da die Republikaner versäumt haben, ihn nach dem Sturm auf das Kapitol im vergangenen Jahr loszuwerden. Trump hat aber nicht mehr die Kraft von 2016 und wahrscheinlich nicht mal mehr die Kraft von 2020.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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