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75 Jahre NATO: Warum das Bündnis wichtiger denn je ist

In dieser Woche feiert die NATO ihr 75-jähriges Bestehen. Doch Sektlaune herrscht deswegen nicht. Dafür ist die Bedrohungslage durch Russland zu groß. Wofür die Nato steht und welche Rolle Deutschland spielt, erklären wir hier.

von Jonas Jordan · 3. April 2024
In dieser Woche feiert die NATO ihr 75-jähriges Bestehen.

In dieser Woche feiert die NATO ihr 75-jähriges Bestehen.

Warum wurde die NATO gegründet?

NATO steht für North Atlantic Treaty Organization, was im Deutschen so viel wie Nordatlantikpakt bedeutet. Er bezeichnet ein Verteidigungsbündnis von europäischen und nordamerikanischen Staaten, das dem gemeinsamen Schutz der eigenen Territorien dient und darüber hinaus das Ziel weltweiter politischer Sicherheit und Stabilität verfolgt. Der Pakt wurde am 4. April 1949 zunächst für 20 Jahre begrenzt geschlossen und 1969 wegen des anhaltenden Kalten Krieges auf unbestimmte Zeit verlängert.

Damals reagierten die Mitgliedsländer der Allianz laut Wolfgang Hellmich, dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, auf eine zunehmende Bedrohung der Sicherheit in Mitteleuropa durch die damalige Sowjetunion, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine immer aggressivere Interessenpolitik verfolgte und mit ihrem stetig wachsenden Militärpotential ihre Einflusssphäre versuchte kontinuierlich zu erweitern. Heute klinge das eigenartig aktuell, meint Hellmich. „Denn vor fast genau zehn Jahren hat Putins Russland völkerrechtswidrig die Krim annektiert. Vor über zwei Jahren folgte dann ein aggressiver Angriffskrieg gegen die Ukraine, in deren Folge die NATO sich neu aufgestellt hat.“

Die NATO sei aber nicht nur „ein Garant unserer Sicherheit und der Sicherheit aller ihrer Mitgliedstaaten, sie ist auch ein Wertebündnis. Sie steht für internationale Regeln, für Frieden, Freiheit und die Herrschaft des Rechts. Die NATO verteidigt die Werte der Demokratie und ihrer Bevölkerung“, macht Hellmich anlässlich des Jubiläums deutlich.

Welche Staaten sind Teil der NATO?

Gegründet wurde das Bündnis auf Initiative der USA hin vor 75 Jahren von zwölf Staaten. Neben den Vereinigten Staaten gehörten auch Belgien, Dänemark, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Portugal zu den Gründungsmitgliedern. Inzwischen umfasst die NATO 32 Länder. 

Zuletzt traten Finnland und Schweden aufgrund der veränderten Sicherheitslage infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bei. Perspektivisch gelten auch Länder wie Georgien, Bosnien-Herzegowina oder die Ukraine selbst als Beitrittskandidaten. Beim jüngsten NATO-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius beschloss die Allianz im Hinblick darauf bereits die Gründung eines NATO-Ukraine-Rats und den Verzicht auf eine Stufe im langwierigen Beitrittsprozess. Solange der Krieg in der Ukraine andauert, erscheint ein Beitritt des Landes jedoch unwahrscheinlich.

Wie sieht Deutschlands Rolle aus?

Am 9. Mai 1955, ein halbes Jahr vor Gründung der Bundeswehr, unterzeichnete auch die Bundesrepublik Deutschland die NATO-Mitgliedschaft. Nach Ansicht von Wolfgang Hellmich legte sie damit „den Baustein für den wichtigsten Grundpfeiler der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Nach der Wiedervereinigung und dem Abzug der russischen Truppen aus Ostdeutschland wurden die dort stationierten Einheiten der Bundeswehr in die Bündnisstruktur der NATO integriert.

Heute kommt Deutschland insbesondere bei der Verteidigung der Ostflanke des Bündnisgebietes eine gewichtige Rolle zu. Nicht zuletzt weil Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Stationierung einer Brigade von 5.000 Soldat*innen in Litauen angekündigt hat. Auch die SPD-Politikerin Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, bekräftigte bei einem Besuch Ende März in Vilnius: „Die Sicherheit der NATO-Ostflanke ist die Sicherheit der Allianz, für die wir Verantwortung übernehmen. Deutschland ist sich der Erwartungen bewusst, die an uns gerichtet werden und wir erfüllen sie.“

Wie steht es um die Finanzen?

Die Verteidigungsfähigkeit der NATO und die Unterstützung der Ukraine sind in hohem Maße vom finanziellen Engagement der Mitgliedsstaaten abhängig. Deshalb haben die Mitglieder auf dem Gipfel in Vilnius beschlossen, dass das angestrebte Zwei-Prozent-Ziel, also zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, künftig das Minimum darstellen soll. 

Deutschland erreicht unter anderem durch das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf den Weg gebrachte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1992 wieder dieses Ziel. Insgesamt wird dies voraussichtlich bei 18 Mitgliedsstaaten der Fall sein. Gleichzeitig drängen osteuropäische Länder wie Polen oder die baltischen Staaten bereits darauf, das finanzielle Engagement auszubauen und angesichts der russischen Bedrohung besser drei oder vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich für Verteidigung auszugeben.

Und wie geht es mit der NATO weiter?

Zunächst einmal wird es in wenigen Monaten einen Führungswechsel geben. Der frühere norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg ist seit 2014 NATO-Generalsekretär. Dieses Amt wird er Ende des Jahres aufgeben. Als Favorit auf seine Nachfolge gilt der frühere niederländische Premier Mark Rutte, der auch die Unterstützung der Bundesregierung hat. Außerdem wird der rumänische Präsident Klaus Johannis gehandelt. 

Zuvor hat Stoltenberg jedoch in dieser Woche einen Plan zur besseren Unterstützung der Ukraine vorgestellt. Dieser beinhaltet ein fünfjähriges Militärhilfepaket im Wert von 100 Milliarden Euro, das im Juli auf dem Nato-Gipfel in Washington beschlossen werden könnte. Damit könnte sich die Allianz auch für den Fall absichern, dass Donald Trump im Herbst erneut zum US-Präsident gewählt würde. Für Wolfgang Hellmich steht angesichts der russischen Bedrohung zum NATO-Jubiläum in jedem Fall fest: „Jetzt ist das Bündnis gefragter denn je.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

4 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Do., 04.04.2024 - 10:48

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Da hilft nur ruesten, sich bis an die Zaehne bewaffnen um im Falle eines russischen Angriffs mit ueberwaeltigender Feuerkraft zurueck zu schlagen - Praeventivschlage dabei nicht ausschliessen. Vielleicht geht dann die von den Putins vorgespielte Paranoia vor dem Westen in echte Angst vor dem Westen ueber - dann verhandeln die auch, lieber Herr Muetzenich. Anders geht es nicht ohne sich zu unterwerfen. Die NATO sichert unsere Freiheit. , dabei muss das ggf. auch ohne USA funktionieren. Das schleppende Anlaufen der Ruestungsproduktion - wir sind im 3. Kriegsjahr in der UKR - und das Lavieren innerhalb des Buendnisses sowie diese Detaildiskussionen in der Oeffentlichkeit sind mir unverstaendlich. Vielleicht liegt es ja auch an der Behoerde in Koblenz. Der Gegner muss voellig im Unklaren sein, ausser, dass er ein Hoellenfeuer erlebt, wenn er angreift - "Hellfire" heissen auch die amerik. Raketen. Sowas braucht man auch und zwar in hohen Stueckzahlen. Und solche 5. Kolonnen wie Ungarn sollte jede wirtschaftliche Unterstuetzung versagt werden, wenn die glauben mit Russland fremdeln zu koennen und dabei trotzdem die Vorteile von NATO und EU zu geniessen - Hr. Scholz war ja schon sehr deutlich mit Orban, ich kann nur die ungarische Salami im Supermarkt liegen lassen - trotz Sonderangebot heute morgen - die geht wohl nicht mehr so gut :)

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 04.04.2024 - 13:02

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Die Nato ist gegründet worden, um die Sowjetunion einzudämmen und Westeuropa enger an die USA zu binden. Sie war nicht zuletzt für die Bundesrepublik ein „Geschenk Gottes“, völlig legitim und geostrategisch folgerichtig.

Mit der Nato-Osterweiterung hat der Westen die Russische Föderation eingehegt. Bis 2004 hat sie der Nato zehn ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten zugeführt, deren BIP insgesamt dem der Russischen Föderation entsprach. Mit der Aufnahme Schwedens (und Finnlands) „bekommt die Nato einen militärisch wichtigen Verbündeten und Russland bekommt einen potentiellen Gegner von Gewicht. ... ein geopolitisches Desaster von wahrhaft historischer Dimension“ für die Russische Föderation, wie der Vorwärts (26.2.24) triumphierend und dennoch absolut treffend analysierte. Die Nato-Osterweiterung ist völlig legitim, geostrategisch folgerichtig, hat nur den geopolitischen Fehler gemacht, bei ihren Erfolgen das dadurch dem Eingedämmten zugefügte „geopolitisches Desaster von wahrhaft historischer Dimension“ zu ignorieren. Konkret und mit den Worten von H. A. Winkler – alles Andere als ein Putin-Versteher: „Versuche, mit Moskau über eine andere Form (außer dem Nato-Beitritt) von Sicherheit für ehemalige Sowjetrepubliken wie die Ukraine oder Georgien ins Gespräch zu kommen, gab es nicht. ... Der Westen hätte (sonst) seine Prinzipien verraten.“ In einen Krieg schlafgewandelt, um unsere Prinzipien – die wir auch gern unsere Werte nennen - nicht zu verraten? Ja!

Übrigens: H. A. Winkler hat mit anderen „„Genossen*innen als Wissenschaftler*innen“ der SPD „Realitätsverweigerung“ und das Fehlen „einer ehrlichen Aufarbeitung der Fehler in der Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte“ vorgeworfen. Das hätte unbedingt in den Rubriken „Parteileben, International, Inland, Meinung, Geschichte“ thematisiert werden müssen: Der Vorwärts braucht eine gute Erklärung für sein Totschweigen.

... hilft uns mal wieder die Gegenwart zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten. Das finde ich immer interessant am historischen Blickwinkel, der als wissenschaftliche "Brille" dabei hilft den kuenftigen Verlauf der Dinge voraus zu sagen. Der Zeitpunkt mit Putin eine europaeische Sicherheitsarchitektur ist lange vorbei - das Kind liegt bereits seit langer Zeit im Brunnen und ist bereits ertrunken. Ich schaetze auch, dass Putin von Anfang an unsere Schroeders, Merkels usw. sowieso spaeter enttaeuscht haette, also niemals ein glaubwuerdiger Partner gewesen waere - aber waere, haette Fahrradkette (toller Spruch v. Hr. Steinbrueck). Es bleibt eigentlich nun die heutige Situation unter "historischer Brille" in die Zukunft zu "interpolieren" (sorry, habe nur Abiturdeutsch gelernt) und neue Prioritaeten festzulegen und schnellstens umzusetzen, wie z.B.:

1. die Ukraine zu ertuechtigen, Russland weiter zu bekaempfen
2. die eigenen militaerischen Faehigkeiten und die eignene Feuerkraft rasch deutlich zu erweitern im Hinblick auf Trump's Wahlsieg im Nov., ergo: nicht auf Glueck zu hoffen - Fr. Barley brachte Atomwaffen ins Gespraech
3. die USA im Buendnis halten !!!

Wir hatten uns alle gewuenscht, dass ab 1990 Russland und seine Foederation friedlich und vielleicht sogar auf demokratischer Basis eine Kooperation mit dem westlich davon gelegenen Europa zum GEGENSEITIGEN Nutzen eingegangen waere. Man hat aber seit 2014 den Eindruck, dass Putin als Alleinherrscher kein zuverlaessiger Partner ist. DAss es ihm gelungen ist die Bevoelkerung aehnlich wie Hiter seinerzeit in eine imperialen Blase zu versetzen, konnte man Stueck fuer Stueck seitdem beobachten. Bereits in den 1990ern gab es Berichte in den oeffentl. Rechtlichen ueber Indoktrination mittels "Putin-Jugend", Fahnenapelle an den Schulen und solchem 1930er Mist. Die Osteuropaeer haben das schon kurz nach der Losloesung aus dem Warschuer Pakt gesagt und sind dabei in die NATO gekommen, um sich zu schuetzen. Hier spielt psychologie eine grosse Rolle - der Phantomschmerz des verlorenen Imperiums bleibt fuer viele Russsen weiterhin bestehen und die russische Politik haengt weiter einer absoluten imperialen Attituede an. Willkommen im 19 Jh. Nur die FAehigkeit zur ueberwaltigenden Gewaltanwendung haelt dieses verrueckt gewordene LAnd davon ab, noch mehr Schaden anzurichten. Der Vergleich mit Hitler und den 1930er Jahren, der gerne von den Briten angefuehrt wird, ist durchaus als sicherer Ausgangspunkt fuer eine vorsichtige Einschaetzung der Lage anzusetzen. Es ist nun leider die Zeit der Militaerhistoriker - Geschichte ist Gegenwart und in der hilft uns in der aktuen Bedroheung nur Militaer. Ansonsten: Schade, dass das nicht besser ging, das lag natuerlich zu einem kleineren Teil auch am "Westen", dass es soweit kam. Soweit mein laienhaftes Statement dazu, ich bin kein Historiker, aber seit dem Gymnasium sehr interessiert.

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