Inland

Wehrbeauftragte unterstützt Pistorius: Bundeswehr braucht mehr Geld

Die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl fordert für die Bundeswehr mehr Tempo, mehr Transparenz und mehr Geld. Verteidigungsminister Boris Pistorius wünscht sie Erfolg, dass sein Etat erhöht wird. Das sei unabdingbar.
von Lars Haferkamp · 14. März 2023
Eva Högl: Die Wehrbeauftragte des Bundestages stellte am 14. März 2023 ihren Jahresbericht für 2022 in der Bundespressekonferenz in Berlin vor.
Eva Högl: Die Wehrbeauftragte des Bundestages stellte am 14. März 2023 ihren Jahresbericht für 2022 in der Bundespressekonferenz in Berlin vor.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bekommt Unterstützung für seine Forderung, den Verteidigungsetat zu erhöhen. Pistorius möchte, dass er von derzeit rund 50 Milliarden Euro um 10 Milliarden anwächst. „Ich drücke die Daumen, dass er sich durchsetzt“, betont die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl bei der Vorstellung ihres Jahresberichtes für 2022 am Dienstag in Berlin. Das sei gerade eine „ganz kritische Frage“ in den Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition. Mehr Geld für die Bundeswehr sei „gut investiertes Geld in Frieden, Freiheit, Sicherheit“. Die Truppe brauche es dringend. „Ich hoffe sehr, dass Boris Pistorius sich da durchsetzt“, so Högl in der Bundespressekonferenz.

Für die Wehrbeauftragte geht es „vor allem darum, den Verteidigungshaushalt dauerhaft auskömmlich auszustatten“. Denn nicht alles könne mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro finanziert werden, das vor allem für Material, aber nicht für Personal und Infrastruktur vorgesehen sei. Es gebe auch einen Anstieg bei den laufenden Kosten, etwa für Energie, Rüstungsgüter und Personal. „Der laufende Betrieb ist sehr teuer“, betont Högl. „Das Zwei-Prozent-Ziel ist auch nicht erreicht worden“, wonach jeder NATO-Staat zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben soll. „Im letzten Jahr waren es 1,5 Prozent.“ Es müsse daher einen Anstieg des Verteidigungshaushaltes geben.

Högl: „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig“

Dass es der Bundeswehr an Geld fehle ist eines der zentralen Ergebnisse des Berichtes der Wehrbeauftragten für das Jahr 2022. Das zeige sich zum Beispiel im Materialmangel. „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Und sie hat seit dem 24. Februar 2022 (dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, die Red.) noch weniger.“ Die notwendige Unterstützung der Ukraine durch deutsche Materiallieferungen reiße bei der Bundeswehr „große Lücken“. Dennoch sei klar: „Unsere Soldatinnen und Soldaten finden es richtig und wichtig, die Ukraine zu unterstützen.“ Es seien aber zügige Nachbestellungen für abgegebenes Material nötig, die oft aber leider nicht oder sehr spät erfolgten.

Deutliche Kritik übt die Wehrbeauftragte am Umgang mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: „Ich muss leider feststellen, dass im Jahr 2022 von diesem Sondervermögen noch kein Euro und noch kein Cent ausgegeben wurde.“ In diesem Zeitraum war Christine Lambrecht Bundesministerin der Verteidigung, ihr Nachfolger Pistorius trat sein Amt erst am 19. Januar 2023 an. Högl fordert, „dass dieses Geld für die Bundeswehr zügig in der Truppe ankommt“. Sie verlangt gleichzeitig „einen regelmäßigen Report zum Stand der Bestellung, damit wir auch mehr Transparenz haben über die Verwendung des Sondervermögens“.

Infrastruktur in „erbärmlichen Zustand“

Besonders kritisch fällt der Bericht Högls zum Zustand der Infrastruktur bei der Bundeswehr aus. „Unsere Kasernen sind Land auf Land ab in einem erbärmlichen Zustand.“ Es fehlten Unterkünfte, funktionierende Toiletten, saubere Duschen, Spinde, Sportanlagen, Truppenküchen und nicht zuletzt auch WLAN. „Deswegen gibt es einen enormen Investitionsbedarf.“ Högl beziffert ihn auf 50 Milliarden Euro.

Alle Bauverwaltungen, die diese Investionen umzusetzen hätten, würden aktuell pro Jahr aber nur eine Milliarde Euro schaffen. „Das heißt, wir brauchen ein halbes Jahrhundert, um den Investitionsbedarf auch entsprechend umzusetzen“, kritisiert Högl. „Deswegen wünsche ich mir für die Bundeswehr das vom Kanzler so beschriebene Deutschland-Tempo.“ Scholz hatte dies im Zusammenhang mit dem Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven genannt, das in nur zehn Monaten Planungs- und Bauzeit errichtet wurde. „Dieses Deutschland-Tempo hätte ich gerne für die Bundeswehr.“

Bundeswehr ist „nicht voll einsatzbereit“

Kritisch bewertet die Wehrbeauftragte die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Die Bundeswehr sei zwar verteidigungsfähig, gemeinsam mit den Bündnispartnern. Dafür gebühre den Soldatinnen und Soldaten ausdrücklich Dank und Anerkennung. Aber die Bundeswehr sei „nicht voll einsatzbereit“. Das habe auch Verteidigungsminister Pistorius so deutlich zum Ausdruck gebracht. Bis die volle Einsatzbereitschaft gegeben sei, werde es noch Jahre dauern. Als Zielmarke nennt Högl 2030/2031. „Da sollte es auf jeden Fall erreicht sein.“

Bei aller Kritik sieht die Wehrbeauftragte aber auch Grund zum Lob. So gehe es beim Material nicht nur um Geld, sondern auch darum, die Beschaffung zu beschleunigen. „Ich will positiv hervorheben, das im Jahr 2022 wichtige Entscheidungen in dieser Richtung getroffen wurden.“ So werde dank der früheren Verteidigungsministerin Lambrecht das europäische Vergaberecht flexibler genutzt. „Und es wurde auch ein Bundeswehr-Beschaffungsbeschleunigungsgesetz beschlossen.“

Lob der Wehrbeauftragten

Ebenso positiv zu bewerten seien wichtige Entscheidungen im Jahr 2022 wie die für die Beschaffung F-35-Kampfflugzeuge als Nachfolger für die Tornados, für den schweren Transporthubschrauber und für die Drohnenbewaffnung. „Und ich will ganz ausdrücklich positiv hervorheben, dass der Deutsche Bundestag 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat, um die persönliche Ausstattung und Ausrüstung zu beschaffen“, lobt Högl. Das Geld solle bis 2025 ausgegeben werden und bei der Truppe ankommen. Ihre Rückfragen vor Ort hätten ergeben, „das kommt jetzt auch bei der Truppe an“.

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