Was die SPD im Kampf gegen Kindesmissbrauch tun will
Vor dem Hintergrund der Kindesmissbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht bereits im Juni härtere Strafen angekündigt. Nun liegt ein entsprechender Entwurf ihres Ministeriums zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder vor. Demnach sollen die die Paragraphen 176 bis 176b des Strafgesetzesbuches (StGB), die derzeit noch mit „Sexueller Missbrauch von Kindern" überschrieben sind, neu gefasst werden. Künftig heißt es „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder". Das bedeutet höhere Mindeststrafen und eine neue Abgrenzung der Straftatbestände.
Höhere Mindeststrafen geplant
Der Entwurf schlägt vor, den bisherigen Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Straftatbestände aufzuspalten: Der Grundtatbestand „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" im neuen Paragraphen 176 des Strafgesetzbuches soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren geahndet und damit zum Verbrechen hochgestuft werden. Nach dem neuen Paragraphen 176a soll sexualisierte Gewalt ohne Körperkontakt mit dem Kind mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Der Paragraph 176b soll die Vorbereitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder erfassen. Entsprechend wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer mit bestimmten Inhalten auf das Kind einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen oder ein Kind zum Missbrauch anbietet.
Auch das Verbreiten und der Besitz von Kinderpornografie soll künftig als Verbrechen gewertet werden, sofern dem sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorangegangen ist. Dann können die Täter*innen mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren belangt werden. Zudem sieht der Entwurf vor, die bisherige Regelung für minder schwere Fälle beim Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu streichen.
Rüthrich: „Oberste Priorität muss Prävention sein“
Die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Susann Rüthrich unterstützt Lambrechts Kurs. Die sächsische Bundestagsabgeordnete sagt aber auch: „Oberste Priorität muss die Prävention sein. Da wo potentielle Täter*innen nicht zu tatsächlichen Täter*innen werden, ist der Schutz der Kinder am besten gegeben. Kindern die sich ihrer Rechte auf körperliche Integrität und Schutz wie auch auf Teilhabe bewusst sind und auch im Alltag erleben, können sich bei drohender Gefahr besser Hilfe suchen.“ Wenn es zu einer Tat gekommen sei, müssten Kinder, Jugendliche und ihre Angehörigen eine umfassende Begleitung erhalten.
Rüthrich fordert: „Konzepte wie Childhoodhouses müssen flächendeckend vorhanden sein, in denen die Betroffenen, vor allem die Kinder die Möglichkeit haben gerichtsverwertbare Dokumentation und Aussagen an einem kindgerechten Ort interdisziplinär und möglichst nur einmal zu tätigen. Und dann müssen Täter*innen eben auch vor Gericht kommen. Der Ausbau der Ermittlungsbehörden und die Fort- und Weiterbildung von Familienrichter*innen sind unerlässlich.“
Marquardt: „Angst muss überwunden werden“
Angela Marquardt ist seit Juni Mitglied des Betroffenrats gegen sexuelle Gewalt. In ihrer 2015 erschienen Autobiografie „Vater, Mutter, Stasi“ berichtete sie vom sexuellen Missbrauch durch ihren Stiefvater. „Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich mit meiner Geschichte auseinandersetzen und über sie reden konnte. Und als ich in der Lage war, sie zu erzählen, musste ich mir anhören, dass man sich zumindest nun erklären könne, warum ich als Kind oft so komisch war und nach Aufmerksamkeit gesucht habe“, sagt Marquardt.
Diese Reaktionen zeigten, was notwendig sei, um Kinder wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen. „Viel zu oft sind Menschen verunsichert oder ängstlich, wenn sie einen Missbrauchsverdacht haben. Diese Angst muss überwunden werden, sonst werden die betroffenen Kinder im Stich gelassen“, fordert Marquardt. Es müsse alltäglich werden, über sexuelle Gewalt zu sprechen. „Das beste Gesetz wird nichts nützen, wenn betroffene Kinder und Jugendliche im Verborgenen und im Schweigen leben, weil die Gesellschaft wegschaut und denkt, das Jugendamt wird es schon richten. Kinder, die sich in einer solchen Gewaltsituation befinden, brauchen Vertrauen, dass ihnen zugehört und vor allem geglaubt wird. Wer ihnen glaubt, kann helfen.“
Sexualisierte Gewalt zu erleben oder erlebt zu haben, sei nicht einfach nur ein persönliches Schicksal, sondern auch immer das Versagen des direkten Umfeldes oder einer gesamten Institution. „Wer uns sichtbarer macht, kann mit uns wirksame Wege der Prävention entwickeln und dazu beitragen, dass das Thema sexualisierte Gewalt in der Gesellschaft anders und besser diskutiert wird“, sagt Marquardt. Vor allem dürfe, wer sich entschließe, darüber zu reden, damit nicht alleine bleiben.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo