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Was die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Klimapolitik bedeutet

Das deutsche Klimaschutzgesetz verstößt in Teilen gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine rechtzeitigen Vorbereitung auf die Klimaneutralität, um Härten zu vermeiden. Nun ist der Gesetzgeber gefordert.
von Christian Rath · 29. April 2021
Eine Perspektive über 2030 hinaus: Das Bundesverfassunsgericht verlagt, dass das Klimaschutzgesetz nachgeschärft wird.
Eine Perspektive über 2030 hinaus: Das Bundesverfassunsgericht verlagt, dass das Klimaschutzgesetz nachgeschärft wird.

Das Bundesverfassungsgericht fordert eine Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes. Die Reduzierung der Treibhausgase ab 2030 soll jetzt schon festgelegt werden, damit sich die Gesellschaft besser und schneller auf die erforderliche Klimaneutralität vorbereiten kann. Nur so könnten unverhältnismäßige Eingriffe in die Freiheit künftiger Generationen vermieden werden. Das Klimaschutzgesetz von 2019 sieht vor, dass Deutschland bis 2050 klimaneutral sein soll. Zwischenziele werden bisher aber nur bis 2030 festgelegt, was das Bundesverfassungsgericht nun beanstandete.

Pflicht zum Klimaschutz ergibt sich aus dem Grundgesetz

Konkret musste das Karlsruher Gericht über vier Verfassungsbeschwerden entscheiden, hinter denen große Teile der Umweltbewegung standen, etwa Greenpeace und der BUND. Als Kläger*innen wurden aber nur reale Personen zugelassen, zum Beispiel Luisa Neubauer, die bekannteste deutsche Aktivistin von Fridays for Future. Das Gericht stellte fest, dass sich aus dem Grundgesetz – vor allem aus dem Staatsziel Umweltschutz – auch eine Pflicht zum Klimaschutz ergibt. Je weiter der Klimawandel voranschreitet, umso mehr Gewicht habe dieses Klimaschutzgebot gegenüber anderen Interessen.

Die Richter*innen sehen die Gefahr, dass, wenn jetzt zu wenig getan wird, die junge Generation ab 2030 ganz unverhältnismäßig belastet wird. Es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen würde. So entstehe ein großes Risiko für die Freiheitsrechte, weil fast jede Freiheitsausübung – etwa Reisen oder Einkaufen – derzeit noch mit der Produktion von Treibhausgasen verbunden ist.

CO2-Budget als Grundlage der Entscheidung

Die Richter*innen nehmen Bezug auf ein CO2-Budget, das der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen ausgerechnet hat. Die Bundesregierung hat die Idee solcher CO2-Budgets bisher abgelehnt. Insofern ist es ein großer Erfolg der Umweltbewegung, dass das Gericht die Budget-Konzeption nun der Entscheidung zugrundelegt.

Karlsruhe geht nun aber nicht soweit, sofort eine radikale Reduktion der Treibhausgas-Emissionen zu fordern, um die jüngere Generation zu entlasten. In der einstimmig ergangenen Entscheidung des Ersten senats wird als Mindesanforderung für den Gesetzgeber viel mehr ein anderer Weg skizziert. Der Gesetzgeber soll bereits jetzt die Anforderungen an Verkehr, Industrie, Land-und Energiewirtschaft ab 2030 definieren, damit der Weg zur Klimaneutralität schneller und besser gelingt.

Die Richter fordern Entwicklungsdruck für klimaneutrale Lösungen und vor allem Planungssicherheit. Der Übergang zur Klimaneutralität soll rechtzeitig eingeleitet werden. Nur so seien die nach 2030 drohenden Reduktionslasten schonend zu bewältigen. Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Bundesregierung erst 2025 sagt, wie es nach 2030 weitergeht. Das genügt den Verfassungsrichtern nicht. Sie fordern eine Anspassung des Klimaschutzgesetzes schon bis Ende 2022.

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