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Warum Künstliche Intelligenz gute Arbeit in der Pflege nicht ersetzt

Kann der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Pflege Fachpersonal ersetzen? Die Sozialwissenschaftlerin Michaela Evans ist skeptisch. Im Interview erklärt sie, was Pflegerobotik kann und was nicht.
von Vera Rosigkeit · 12. Juni 2023
Aktuell befindet sich der der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Pflege noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase.
Aktuell befindet sich der der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Pflege noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase.

Frau Evans, wie ist der aktuelle Stand der Technik. Sind Pflegeroboter eigentlich schon im Einsatz?

Tatsächlich sind in der Pflege bereits vereinzelt Roboter im Einsatz, aber ich würde hier eher von Assistenzrobotik sprechen. Die Assistenzrobotik wird in der therapeutischen Unterstützung, Aktivierung oder Mobilisierung eingesetzt, wie beispielsweise die Pflegerobbe Paro bei der Therapie von Demenzkranken. Mit ihren aktivierenden Effekten kann sie Menschen anregen und in diesem Sinne das Wohlbefinden der Betroffenen verbessern. Diese Formen der Assistenzrobotik basieren derzeit zumeist auf schwacher Künstlicher Intelligenz.

Was ist mit schwacher und starker KI gemeint?

Mit der der Robbe Paro etwa wird eine definierte Aufgabenstellung auf Basis eines wiederkehrenden Programms verfolgt. Hier geht es weniger um eine dynamische, lernbasierte Weiterentwicklung der KI selbst. Beim Einsatz von KI etwa zur Sturzprävention geht es darum, Bewegungsabläufe zu erkennen und auf Basis der Analyse größerer Datenmengen frühzeitig Gangunsicherheiten im Alltag zu erfassen. Je schneller diese erkannt werden, desto eher können unterstützende Maßnahmen zur Sturzvermeidung veranlasst werden. Bei starker KI ist es letztlich Ziel, dass sich das Programm durch mehr Daten selbst optimiert.

Wie lässt sich so etwas konkret dokumentieren?

Entweder über Sensoren, die in den Zimmern von Patientinnen und Patienten angebracht werden oder über Sensoren, die über Apps am Körper getragen werden. Systeme zur Assistenzrobotik sind vereinzelt im Einsatz, werden aber aktuell lediglich punktuell in der Regelversorgung eingesetzt.

Welche Voraussetzungen gibt es, damit KI in der Regelversorgung zur Anwendung kommt?

Nehmen wir als Beispiel eine KI, die im Sinne eines intelligenten Assistenzsystems eingesetzt wird, um Pflegeprozesse oder Selbstüberwachungssysteme von Patient*innen zu unterstützen. Oder eine KI, die eingesetzt wird, um verfügbare Daten aus der Forschung mit Blick auf frühzeitige Diagnostik und Therapie zu verknüpfen. Das sind häufig noch reine Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Die aktuelle Herausforderung liegt darin, zu überprüfen, was KI in der Lebens- und Arbeitswelt konkret an Nutzen bringt: im Sinne der Gemeinwohlorientierung, für die Versorgung von Menschen und für die Arbeitsqualität. Damit fangen wir gerade erst an: über einzelne Tools den Nachweis zu liefern, ob und welchen Nutzen sie haben. Denn nur so lassen sich konkrete Anwendungsbereiche identifizieren, wo der Mehrwert erfahrbar wird, der Einsatz und Finanzierung rechtfertigen.
Hinzu kommt die Frage des Vertrauens. Denn wenn es um Gesundheit geht, haben die Menschen Sorge, ob sie der KI vertrauen können. Man muss das auch immer vor dem Hintergrund sehen, dass KI keine Verantwortung übernimmt. KI rechnet, aber Verantwortung übernimmt sie nicht.

Das klingt eher nicht nach einer rasanten Entwicklung, was den Einsatz von KI in der Pflege betrifft?

In der Technikforschung gibt es eine rasante Entwicklung. Das heißt aber nicht, dass diese KI auch im Versorgungsalltag ankommt. Anders gesagt, die Technik entwickelt sich und wir sind auf der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten. Deshalb sind die Systeme auch noch nicht im Alltag der Pflege angekommen. Gerade da, wo es um die gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Menschen geht, brauchen wir den Nachweis, dass sie von Nutzen ist.

Nun wird oftmals argumentiert, dass KI in der Pflege helfen kann, den Fachkräftemangel zu verringern. Stimmt das?

Momentan geht es erst einmal um die Frage nach nutzenstiftenden und ethisch vertretbaren Anwendungskontexten, dann darum, wie man den Transfer von KI in die Regelversorgung beschleunigen kann. Und mit Blick auf den Fachkräftemangel habe ich ein großes Fragezeichen. Selbst die beste KI wird nicht die Arbeit von Pflegefachpersonen ersetzen können. Was sie irgendwann leisten kann, ist bei fachfremden Routinetätigkeiten zu entlasten und Arbeitsroutinen zu unterstützen. Wo KI vielleicht auch nützlich sein kann, ist bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, indem Wissen für die, Versorgung aufbereitet wird, weil viel mehr Versorgungsdaten und Expertenwissen gebündelt werden können. Auch der Einsatz in der Versorgungsplanung ist möglich.
Zu glauben, dass wir mit KI den Fachkräftemangel in den Griff bekommen, halte ich für eher für ein Marketing-Instrument. Damit lässt sich gut argumentieren, wenn man die Technik verkaufen will. Aber wir sehen doch, dass der Mangel an Pflegefachpersonal durch Digitalisierung bislang nicht entschärft wurde. Die Situation ist nicht besser geworden.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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