SPD-Mann Fiedler: Wie Mafiakriminalität besser bekämpft werden kann
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Anfang Mai sorgte eine bundesweite Razzia gegen die kalabrische Mafia `Ndrangheta für Schlagzeilen. Warum ist die Bekämpfung von Mafiakriminalität ansonsten medial und politisch so wenig präsent?
Die Mafia hat über viele Jahrzehnte gelernt, öffentlich nicht in Erscheinung zu treten. Sie tritt in den Statistiken nur in Erscheinung, wenn die Sicherheitsbehörden Ermittlungen starten. Deswegen spricht man von Kontrollkriminalität. Wenn viele Kontrollressourcen, also Ressourcen der Sicherheitsbehörden, eingesetzt werden, steht viel in den Statistiken. Nur dann gibt es öffentliche Aufmerksamkeit. Das ist etwa der Fall, wenn es zu großen Durchsuchungs- und Festnahmeaktionen kommt oder wenn die Gerichtsverfahren beginnen zu laufen.
Der italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri hat Deutschland in einem Interview als „Paradies für Geldwäsche“ und damit auch für die Mafia bezeichnet. Stimmen Sie ihm zu?
Der ehemaligen Anti-Mafia Staatsanwalt Roberto Scarpinato hat schon 2011 auf einer Tagung, die ich mit organisiert hatte, den Satz geprägt: ,Wenn ich Mafioso wäre, würde ich mein Geld in Deutschland waschen.‘ Internationale Organisation bescheinigen uns, dass wir hier ein signifikantes Problem haben. Deswegen hat Nancy Faeser die Bekämpfung der Geldwäsche und die Abschöpfung krimineller Vermögenswerte als einen wesentlichen Teil ihrer Strategie zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ausgemacht. Zum Beispiel, um verdächtige Vermögen einzuziehen. Auch wir arbeiten in der Arbeitsgruppe Kriminalpolitik der SPD-Bundestagsfraktion seit Beginn der Legislaturperiode an entsprechenden Verbesserungsvorschlägen.
In Italien gibt es eine Obergrenze für Zahlungen mit Bargeld in Höhe von 1.000 Euro. Nancy Faeser hat angeregt, in Deutschland eine Obergrenze von maximal 10.000 Euro einzuführen. Der Protest war enorm. Warum ist das hierzulande so schwierig umzusetzen?
In Deutschland verläuft die Diskussion über eine Bargeld-Obergrenze in etwa so wie die über das Tempolimit. Es gibt einen hysterischen Aufschrei und das Ende der Freiheit wird heraufbeschworen. Studien zeigen, dass für viele Kriminalitätsfelder Bargeld eine sehr wichtige Rolle spielt, um die kriminellen Vermögenswerte zu waschen. Ich sehe keine Freiheitseinschränkungen durch eine Bargeldobergrenze. Denn Bargeld wird nicht verboten. Es soll nur nicht mehr erlaubt sein, Bargeschäfte oberhalb dieser Größenordnung zu tätigen.
Mit anderen Worten: Man könnte auch weiterhin 20.000 Euro zu Hause unterm Kopfkissen haben, aber nicht mehr für 20.000 Euro in bar ein Auto kaufen.
Genauso ist es. Daran kann man erkennen, dass das für die Bürgerinnen und Bürger keine Freiheitseinschränkung ist, weil sich nur der geringste Teil der Verbrauchergeschäfte in diesem Bereich bewegt. Unabhängig davon, wie wir uns in Deutschland entscheiden, wird es auf europäischer Ebene zu einer für alle Mitgliedsstaaten gültigen Bargeld-Obergrenze kommen.
In Italien ist seit den Morden an Giovanni Falcone und Paolo Borsellino das zivilgesellschaftliche Engagement gegen die Mafia groß. Braucht es davon auch in Deutschland mehr?
Ja, wobei es auch in Deutschland zivilgesellschaftliches Engagement gibt. Zum Beispiel den Verein „Mafia, nein danke“, die Bürgerbewegung Finanzwende oder Transparency International, die sich mit Fragen der Geldwäschebekämpfung beschäftigen. In Italien ist der Problemdruck in den letzten Jahrzehnten auch durch die großen bekannten Mordfälle an Falcone und Borsellino, den beiden Mafia-Bekämpfern, noch viel größer geworden. Dort gibt es auch eine Organisation, die sich der Schutzgelderpressung widersetzt.
Sie meinen „Adiopizzo“?
Genau. Die Organisation hat initiiert, dass die Betreiber von Gastronomiebetrieben Aufkleber auf die Fenster kleben, sodass Besucherinnen und Besucher erkennen können, dass sie ein Lokal betreten, das sich der Mafia in den Weg stellt und kein Schutzgeld bezahlt. Durch Solidarisierungseffekte und die öffentliche Bekanntheit hatten sie damit Erfolg. Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir von solchen Initiativen auch in Deutschland mehr hätten.
Die Mafia ist auch im Bereich der Umweltkriminalität sehr aktiv. Welche Möglichkeiten der Bekämpfung gibt es hier?
In vielen Fällen handelt es sich um internationale Kriminalität. Es geht um illegale Abfallentsorgung, aber auch um die illegale Rodung von Wäldern. Wir sind Teil dieser Lieferketten, weil Möbelhäuser illegal gerodetes Holz aus Regenwäldern kaufen und wir das in unsere Wohnzimmer stellen. Es gibt in Kolumbien Brandrodung, um dort Koka anzubauen. Das hat direkt mit der internationalen Rauschgiftkriminalität zu tun.
Die Umweltkriminalität ist der drittgrößte Geschäftsbereich der Organisierten Kriminalität weltweit. Sie ist in einem großen Ausmaß ein CO2-Treiber und dadurch für den Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich. Deswegen müssen wir mit mehr Ressourcen und mehr Kompetenzen an internationalen Projekten zur Bekämpfung dieser Kriminalität teilnehmen. Nancy Faeser hat eine Stabsstelle beim Bundeskriminalamt ins Leben gerufen. Diese ist wahnsinnig wichtig, weil dort Expertise in ganz Deutschland gebündelt wird und wir somit ein Bild darüber kriegen, wie viele Ressourcen, Qualifikationen und welche kompetenten Stellen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität wir haben. Jetzt müssen wir eine Strategie entwickeln, um uns im Konzert der internationalen Sicherheitsbehörden möglichst gut aufzustellen. Außerdem hoffe ich, dass sich bei den Verhandlungen über eine neue Umweltstrafrechtsrichtlinie der EU die Befürworter einer harten Linie gegen Umweltkriminelle durchsetzen. Das betrifft auch Wirtschaftsunternehmen, die sich an dieser schmutzigen Kriminalität beteiligen.
Die Bundesregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Welchen Beitrag kann das bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität leisten?
Das kann ein Mosaikstein sein, aber ein vergleichsweise kleiner. Das wird nicht dazu beitragen, die Mafia zum Erliegen zu bringen. Wenn es gut läuft, werden wir ihnen einen kleinen Teil des Marktes abspenstig machen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo