Inland

SPD-Expertin: „Die Kindergrundsicherung muss in der Praxis funktionieren.“

Steht die Kindergrundsicherung auf der Kippe? Nein, sagt die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Sarah Lahrkamp. Im Interview nennt sie die Stellen, an denen es hakt und sagt, warum eine schrittweise Einführung sinnvoll sein könnte.

von Kai Doering · 23. April 2024
Knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind armutsgefährdet. Die Kindergrundsicherung soll das ändern.

Knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind armutsgefährdet. Die Kindergrundsicherung soll das ändern.

Im Herbst vergangenen Jahres schien die Kindergrundsicherung mit dem Beschluss im Kabinett auf einem guten Weg zu sein. Nun wird wieder grundsätzlich über sie diskutiert. Warum?

Dass wir uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier grundlegend mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung beschäftigen und darüber diskutieren, halte ich für vollkommen normal. Im parlamentarischen Verfahren haben wir bereits viele Einschätzungen von Verbänden und aus den Ländern erhalten, die natürlich ihre Bedenken und mögliche Verbesserungsvorschläge formulieren. Entscheidend ist, ob die Ziele, die wir uns mit der Kindergrundsicherung gesteckt haben, mit diesem Gesetzentwurf erreicht werden.

Werden sie?

Noch ist nicht alles so, wie wir es uns vorstellen. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass wir uns als Parlament und Fachpolitiker intensiv mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigen. Die Gespräche, die wir dazu führen, sind sehr gut und konstruktiv. So viel kann ich sagen. Die Kindergrundsicherung ist mehr als eine kleine Reform. Sie ist ein Systemwechsel. Dass wir uns darüber etwas intensiver und länger unterhalten müssen, ist da aus meiner Sicht logisch und sinnvoll.

Auslöser der aktuellen Debatte über die Kindergrundsicherung ist der Bedarf an zusätzlichen Stellen in der Verwaltung, den die Bundesagentur für Arbeit auf 5.000 beziffert. Wofür werden diese Stellen gebraucht?

Ob die Stellen tatsächlich in diesem Umfang benötigt werden, muss sich erst zeigen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus ist da ja inzwischen selbst schon zurückgerudert. Unser Ziel ist, dass mehr Menschen als bisher die Leistungen, die ihnen und ihren Kindern zustehen, in Anspruch nehmen. Die Kindergrundsicherung muss am Ende bei den Kindern ankommen. Dafür müssen Verfahren vereinfacht werden und der Staat muss seine Bringschuld erfüllen. Ganz ohne Menschen, die sich in der Verwaltung darum kümmern, wird es nicht gehen. Ich denke aber, dass wir da mithilfe von Schnittschnellen und einer weiteren Digitalisierung einen deutlich geringeren Personalaufwand erreichen können.

Worauf kommt es der SPD bei der Kindergrundsicherung vor allem an?

Wir wollen Kindermut bekämpfen. Das beste Mittel ist dafür aus unserer Sicht die Kindergrundsicherung, weil sie direkt bei den Kindern ankommt und ihre Situation verbessert. Entscheidend ist, dass die Kindergrundsicherung diejenigen erreicht, die sie am dringendsten brauchen. Daran arbeiten wir.

CDU und CSU behaupten, die Kindergrundsicherung sei überflüssig, weil sie Kinderarmut gar nicht bekämpfe.

Das ist Unsinn. Wir brauchen die Kindergrundsicherung dringend. Deshalb stehen wir als SPD auch dazu. Natürlich kann es noch Änderungen am gegenwärtigen Modell geben, aber klar ist: Ohne Kindergrundsicherung werden wir die Kinderarmut in Deutschland nicht bekämpfen können.

Familienleistungen sind häufig in ganz unterschiedlichen Bereichen, den sogenannten Rechtskreisen, angesiedelt. Wie kann es gelingen, diese zusammenzuführen?

Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Je mehr Rechtskreise berührt sind, desto mehr Probleme an den Schnittstellen kann es geben. Diese zu identifizieren und vor der Einführung der Kindergrundsicherung zu lösen, ist jetzt unsere Aufgabe. Das braucht die Zeit, die es braucht. Unsere Idee der Kindergrundsicherung ist eine Leistung für alle Kinder. Daran halten wir fest. Dazu zählen etwa das Kindergeld, der Kinderzuschlag, aber auch Leistungen aus dem SGB II wie das Bürgergeld oder Unterstützung für Bildung und Teilhabe. Die Familienkasse hat bereits die Auszahlung von Kindergeld und Kinderzuschlag übernommen. Daran können wir anknüpfen.

SPD-Fraktionsvize Sönke Rix hat inzwischen eine schrittweise Einführung der Kindergrundsicherung ins Spiel gebracht. Wie könnte die aussehen?

Eine schrittweise Einführung der Kindergrundsicherung könnte ein Weg sein. Entscheidend ist ja, dass sie nicht nur auf dem Papier gut aussieht, sondern vor allem in der Praxis funktioniert. Dafür sollten wir uns ansehen, was jetzt schon gut für Familien funktioniert und wo wir ggf. noch etwas Zeit brauchen, Modelle und Verfahren zu entwickeln. Wir können jetzt bereits erste Schritte unternehmen, die Familien das Leben leichter machen, ohne dabei das große Ziel aus den Augen zu verlieren.

Sarah Lahrkamp ist Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für die Kindergrundsicherung.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

0 Kommentare
Noch keine Kommentare