Inland

So bremsen knappe Kassen die Verkehrswende aus

Der Bund spart, das verärgert die Verkehrsminister*innen der Länder. Auf ihrer Frühjahrskonferenz fordern sie mehr Geld für die Infrastruktur und Mobilitätswende. Wieder einmal geht es auch um die Zukunft des Deutschlandtickets.

von Carl-Friedrich Höck · 18. April 2024
Regionalzug in Brandenburg

Der Bahnhof Beetz-Sommerfeld bei Kremmen in Brandenburg: Für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs fehlt vielerorts das Geld.

Am 1. Mai feiert das Deutschlandticket seinen ersten Geburtstag. Seitdem es existiert, streiten Bund und Länder um die Finanzierung. So bleibt es auch erst einmal. Das hat die Sitzung der Verkehrsminister*innenkonferenz (VMK) an diesem Donnerstag in Münster gezeigt.

Alle Teilnehmenden bekannten sich dazu, das Ticket langfristig fortführen zu wollen. Im ersten Jahr nutzten es durchschnittlich 11,2 Millionen Menschen. „Das Deutschlandticket ist eine Erfolgsgeschichte, weil das Ticket bereits innerhalb des ersten Jahres aus Gelegenheitskunden des ÖPNV Dauerkunden gemacht hat und die Fahrgastzahlen steigen“, lobte Saarlands Verkehrsministerin Petra Berg (SPD).

Finanzierung des Deutschlandtickets bleibt konfliktträchtig

Entsprechend haben die Landesminister*innen beschlossen, mit dem Bund an einer dauerhaften Finanzierung über das Jahr 2025 hinaus zu arbeiten. Bisher teilen sich Bund und Länder die Kosten jeweils zur Hälfte. Die Zusammenarbeit gestaltet sich jedoch mühsam, weil der Finanzbedarf steigt. Der Bund hat bisher trotzdem lediglich zugesagt, bis 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen. 

Schon im laufenden Jahr konnte der Preis nur deshalb stabil bei 49 Euro gehalten werden, weil der Bund im November vergangenen Jahres zugesagt hat, nicht genutzte Mittel aus dem Jahr 2023 ins neue Jahr übertragen zu wollen. Auf das Geld warten die Länder aber immer noch.

Die Länder fordern den Bund nun auf, die Restmittel unverzüglich auszuzahlen. Erst dann könne man sich darüber unterhalten, wie hoch der Ticketpreis im nächsten Jahr sein werde, machte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) deutlich.

Geld für Infrastruktur dringend gesucht

Fehlendes Geld bereitet den Verkehrsminister*innen nicht nur beim Deutschlandticket Sorgen. Eine Studie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2031 rund 40 Milliarden Euro benötigt werden, um die Verkehrsinfrastruktur und den ÖPNV zu modernisieren und auszubauen. 

Die Landesminister*innen halten das für eine Untergrenze. Und sie verweisen darauf, dass die notwendigen Investitionen zum Erhalt der bestehenden Infrastruktur noch gar nicht in der Summe enthalten seien.

„Jahrzehntelang wurde zu wenig investiert, und das rächt sich jetzt“, meint NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen). Ausdrücklich stellen sich die Länder hinter den Vorschlag von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), einen Infrastrukturfonds zu schaffen, um die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und auszubauen. Wie genau dieser ausgestaltet werden soll, blieb zunächst offen.

Krischer erklärte, er könne sich vorstellen, dass Mauteinnahmen oder Steuermittel in den Fonds fließen – aber auch private Investitionen. Wichtig sei, dass der Fonds eine langfristige Finanzierung ermögliche. Bisher fehle diese, und das sei ein Problem, so Krischer. 

Hintergrund ist, dass öffentliche Haushalte Jahr für Jahr neu aufgestellt und beschlossen werden. Deshalb kann es vorkommen, dass ursprünglich eingeplante Mittel plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn die Planungen für ein Projekt nach langer Zeit endlich abgeschlossen sind.

Umleitungen belasten Anwohnende

Auf Initiative von Nordrhein-Westfalen forderten die Landesminister*innen den Bund auf, neue Regeln für Ausweichrouten zu schaffen. Weil Autobahnen und Brücken immer häufiger gesperrt werden müssten, komme es verstärkt zu Umleitungen und Ausweichverkehren in die Nebenstraßen, beklagte Krischer. Anwohnende würden durch Lärm und Abgase belastet. 

Die derzeitige Rechtslage lasse den Ländern und Kommunen aber kaum Spielraum, die Umleitungen anders anzuordnen, wenn die Wege dadurch etwas länger würden. „Wir sind in einem Korsett“, sagte Krischer. In Lüdenscheid zum Beispiel seien Lkw über Monate teilweise umgebremst durch die Stadt gefahren.

Das Saarland setzte einen VMK-Beschluss durch, wonach der Bund die Förderung alternativer Antriebe von Bussen wieder aufnehmen soll. Eine bereits bestehende Förderung hatte der Bund aus Geldnot gestoppt, sodass keine neuen Anträge bewilligt werden. 

Das stelle die kommunalen Träger vor eine riesige Herausforderung, sagte Berg. Busse mit alternativen Antrieben seien bei der Neuanschaffung etwa 2,5 Mal so teuer wie herkömmliche Busse mit Verbrennungsmotor. Eine erneute Förderung sei deshalb notwendig – auch um die Akzeptanz alternativer Antriebe allgemein zu steigern.

Weitere Beschlüsse zielten ebenfalls darauf, dass der Bund mehr Geld für die Verkehrswende bereitstellen soll, zum Beispiel zur Förderung des Radverkehrs. Diese war zuletzt deutlich gekürzt worden. 

Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 15 Millionen vollelektrische Pkw auf deutsche Straßen zu bringen, halten die Landesminister*innen für nicht mehr erreichbar. Der Bund müsse nun zusätzliche Instrumente einführen, um den Umstieg auf E-Mobilität voranzutreiben, fordern die Länder.

Hoffnung für Straßenverkehrsgesetz

Eine gute Nachricht gab es am Rande der Konferenz auch: Das vom Bundesrat gestoppte Straßenverkehrsgesetz könnte doch noch verabschiedet werden. „Wir haben in einem informellen Verfahren feststellen können, dass alle Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Meinung sind, dass der Kompromiss, den wir in einer Formulierung gefunden haben, tragfähig ist“, berichtete Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen).

Man erwarte nun vom Bundesverkehrsminister, dass er schnell das Vermittlungsverfahren anstrebe, „damit wir auch die Straßenverkehrsordnung entsprechend reformieren können“, so Hermann. Die neue Rechtsgrundlage soll den Kommunen mehr Handlungsspielräume verschaffen, etwa bei der Ausweisung von Busspuren oder Tempo-30-Zonen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Demo Online

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Fr., 19.04.2024 - 07:13

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unlösbaren Dilemma. Der ÖPNV ist politisch sakrosankt- alles für den ÖPNV, die Wiederinbetriebnahme zuvor wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegter Bahnstrecken ist hier nur ein Beispiel. Also: Wirtschaftlichkeit ist nicht erforderlich, die Züge fahren wegen des grundsätzlichen (eigentlich richtigen) politischen Willens ggf auch leer über die Gleise. Angesichts dieser Umstände sind auch die Gehaltsforderungen (zB GdL) nachvollziehbar- es spielt ja keine Rolle, ob die notwendigen Mittel erwirtschaftet werden können- der Staat haftet ja für das Defizit.
Damit steigen die Kosten permanent an- ohne das sich das Angebot verbessern würde. Wenn man angesichts der wirtschaftlichen Not ohne weitere Mittel den ÖPNV stärken will, kann dies wohl nur gelingen, indem man den Individualverkehr so drastisch verteuert, dass der ÖPNV wirtschaftlich(er) ist im direkten Vergleich. Dazu müsste der Preis für Benzin und Diesel zumindest verdoppelt werden, und dann kontinuierlich steigen- so dass sich aus Sicht der Autofahrer keine Besserungstendenz ergibt, also jeder weiß, dass hier keine temporärer Entgleisung des Preises vorliegt, sondern eine Dauerhafte Vermeidung des Individualverkehrs erreicht werden soll, und dies um jeden Preis . Ich denke, wir sollten in diesem Sinne vorangehen- das Klima verlangt es , auch wenn es schmerzen wird und wir uns von unseren Gewohnheiten werden weitgehend verabschieden müssen