Reform: So will die SPD die Pflege zukunftsfest machen
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Die Koalition hat sich für die Pflege einiges vorgenommen. Was sind die wichtigsten Eckpunkte für eine Pflegereform?
Wir wollen die Pflege zukunftsfest machen, indem wir Pflegebedürftige und ihre Angehörigen stärken und weiter die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern. Gleichzeitig soll niemand von den Kosten überfordert werden. Besonders drängend ist die Situation für diejenigen, die zuhause gepflegt werden. Das sind immerhin über drei Millionen Menschen, die zu einem großen Teil durch Angehörige, Freunde und Nachbarn Unterstützung erhalten oder von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden. Da die Leistungen der Pflegeversicherung seit Jahren unverändert sind, führen die gestiegenen Preise dazu, dass man sich immer weniger Unterstützung leisten kann. Darum ist es überfällig, das Pflegegeld, den Entlastungsbetrag und die ambulanten Sachleistungen zu erhöhen. Aber auch pflegende Angehörige brauchen dringend Entlastung und mehr Flexibilität bei der Inanspruchnahme von Leistungen. Das wäre mit einem sogenannten Entlastungsbudget möglich, das wir als SPD schon lange fordern. Um dort besser unterstützen zu können, wo die Belastungen besonders groß sind, ist es dringend nötig, die Pflegeversicherung finanziell zu stabilisieren und zukunftsfest zu machen.
Und noch eins gilt es zu lösen: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung stärker differenziert werden müssen, so dass diejenigen deutlich weniger zahlen müssen, die zwei oder mehr Kinder haben. Keine einfach zu lösende politische Aufgabe, die bis zum Sommer im Rahmen der Pflegereform gelöst werden muss.
Nun fehlt Geld in der Pflegeversicherung. Wie hoch ist das Defizit und was sind die Ursachen?
Das strukturelle Defizit liegt schon heute bei etwa sechs Milliarden Euro. Leider wurden die pandemiebedingten Kosten nicht vollständig aus Steuermitteln finanziert, das hat ein großes Loch gerissen. Aber auch die steigende Zahl der Pflegebedürftigen, kombiniert mit steigenden Ausgaben aufgrund von Leistungsverbesserungen der letzten Pflegegesetze, schlagen sich in der Bilanz nieder. Und noch immer werden die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus dem Topf der Pflegeversicherung bezahlt und die Kosten für die medizinische Behandlungspflege in den Pflegeheimen nicht von der Krankenversicherung übernommen, obwohl dies sachlich richtig wäre. Die Rücklagen der sozialen Pflegeversicherung haben die außerordentlichen Belastungen nicht auffangen können und deswegen befindet sie sich jetzt in einer äußerst schwierigen Lage.
Bundesfinanzminister Christian Lindner verweigert für die Reform notwendige Steuerzuschüsse. Muss nun alles von den Versicherten mit Beitragsanhebungen finanziert werden?
Das ist offenbar die Meinung des Finanzministers, aber das wäre nicht in Ordnung. Das strukturelle Defizit hat ganz wesentlich damit zu tun, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben nicht solidarisch von der gesamten Gesellschaft übernommen wurden. Werden endlich Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln bezahlt, entlastet das die Pflegeversicherung immerhin um 3,6 Milliarden Euro. Für pandemiebedingte Mehrkosten sind der Pflegeversicherung über fünf Milliarden Euro entzogen worden. Das muss der Versichertengemeinschaft zurückgegeben werden. Bei den Koalitionsverhandlungen waren wir uns einig, dass der Bundeszuschuss erhöht werden muss - nun ist der Zeitpunkt das umzusetzen! So bekommen wir die Spielräume zur Finanzierung der notwendigen Maßnahmen und können mit einer moderaten Beitragserhöhung die Leistungsverbesserungen auf den Weg bringen, auf die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen dringend warten.
Als weitere Lösung ist ein Ausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung im Gespräch. Wie könnte die aussehen?
Nun, wirklich im Gespräch ist das leider noch nicht. Denn die FDP war ja in den Koalitionsverhandlungen nicht dafür zu gewinnen, endlich eine Pflegebürgerversicherung auf den Weg zu bringen. Doch wenn der Finanzminister den Hahn bei den Steuermitteln zudreht und nicht mehr zu den Verabredungen im Koalitionsvertrag steht, dann sollten wir unbedingt den überfälligen Risikoausgleich zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung einfordern. Man muss sich nur mal klarmachen: Während in der sozialen Pflegeversicherung nicht genügend Geld vorhanden ist, verfügt die private Pflegeversicherung über enorme Rücklagen in Höhe von weit über 40 Mrd. Euro. Noch entscheidender ist, dass die Ausgaben für Pflegeleistungen aufgrund einer günstigeren Risikostruktur der Versicherten viel niedriger sind und aktuell bei 1,3 Mrd. Euro pro Jahr liegen. Da würden die Rücklagen für mehr als zwei Jahrzehnte reichen. Darum gilt es jetzt, die Solidarität in der Pflege auf eine breitere Basis zu stellen! Durch einen Risikoausgleich an die soziale Pflegeversicherung könnte diese um etwa 2 Mrd. pro Jahr gestärkt werden.
Gibt es von Seiten der SPD Mindestanforderungen an eine Reform und wofür macht sie sich besonders stark?
Wir als SPD setzen uns für eine umfassende Reform in der Pflege ein, aber wir wissen auch, dass nicht alles auf einmal geht. Darum muss jetzt dringend mit den Entlastungen für die häusliche Pflege gestartet werden. Aber mir ist wichtig, dass wir als Partei auch im Blick behalten, dass nicht alles, was für eine gute Versorgung im Alter nötig ist, durch die Pflegeversicherung geleistet werden kann. So müssen auch die Länder ihrer Verantwortung für die Pflegeinfrastruktur gerecht werden. Sie können die Pflegebedürftigen bei den Investitionskosten entlasten und die Kosten für die Pflegeausbildung übernehmen. Oder Kommunen können sich neben ihrer Verantwortung für eine wohnortnahe Pflegeberatung und die Vernetzung von Leistungsanbietern auch im Rahmen von Quartiersplanung und -entwicklung für mehr altersgerechtes Wohnen und gutes generationenübergreifendes Zusammenleben einsetzen. Dafür machen wir uns als SPD stark.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.