Reform des Straßenverkehrsgesetzes: Was sich im Verkehr ändern soll
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Hauptsache, der Verkehr fließt flüssig und sicher – das galt lange Zeit als wichtigster Maßstab für die Verkehrsplanung, dem alles andere unterzuordnen war. Künftig soll sich das ändern. Das Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) hat einen Entwurf vorgelegt, mit dem das Straßenverkehrsgesetz geändert werden soll.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) setzt damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um. Die Ampelparteien haben sich vorgenommen, das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung anzupassen. Nämlich so, „dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden“. Die Länder und Kommunen sollen mehr Entscheidungsspielräume erhalten, heißt es im Koalitionsvertrag.
Die freie Fahrt steht an erster Stelle
Die bisherigen Regularien machen es den Kommunen schwer, die Verkehrswende voranzutreiben und Quartiere lebenswerter zu gestalten. Viele Städte wünschen sich beispielsweise mehr Freiräume beim Festlegen von Tempolimits, damit sie die Lärm- und Umweltbelastung für Anwohnende reduzieren können. Doch in den Gesetzen spielten solche Aspekte bisher kaum eine Rolle. Die Folgen waren unter anderem in Berlin zu beobachten: Hier untersagte das Verwaltungsgericht dem Senat, einen Teil der belebten Friedrichstraße für den Autoverkehr zu sperren. Solche Beschränkungen dürften die Straßenverkehrsbehörden nur anordnen, wenn es der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs diene, erklärte das Gericht.
Mit dem Gesetzentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium sollen nun zunächst die Spielräume des Verkehrsministeriums selbst erweitert werden. Dieses erlässt mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen für den Verkehr, besser bekannt als Straßenverkehrsordnung (StVO). Grundlage dafür ist das Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Dieses legt fest, dass das Ministerium Rechtsverordnungen erlassen darf, „soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist“ (§ 6 StVG). Künftig soll es als Begründung ausreichen, dass eine Regelung dem Umwelt- und Klimaschutz, dem Gesundheitsschutz oder der städtebaulichen Entwicklung dient.
Neue Parkraum-Regeln und Sonderfahrspuren
Das neue Straßenverkehrsgesetz soll auch mehr Flexibilität beim Anordnen von kostenpflichtigen Parkzonen (Bewohnerparken) schaffen. Damit werden Entscheidungen auf der Grundlage von Prognosen ermöglicht, sodass Länder und Kommunen einen erheblichen Parkdruck schon vermeiden können, bevor er eintritt.
Eine weitere Neuerung: Erprobungshalber soll es möglich werden, Sonderfahrspuren für bestimmte Mobilitätsformen anzuordnen. Das können zum Beispiel E-Autos oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge sein. Auch eine Spur ausschließlich für Fahrzeuge, die mit mehreren Personen besetzt sind, würde so möglich.
Städte sehen Nachbesserungsbedarf
Aus Sicht des Deutschen Städtetages gehen die geplanten Änderungen in die richtige Richtung. Sie „lassen erste Anzeichen für ein Umdenken erkennen“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Viele Städte möchten neue Formen der Verkehrslenkung und neue Verkehrskonzepte ausprobieren. In zahlreichen Städten gibt es einen breiten politischen Konsens, dennoch sind bisher viele verkehrspolitische Maßnahmen nicht umsetzbar, weil der gesetzliche Rahmen das nicht hergibt.“ Das gelte fürs Parken wie für Höchstgeschwindigkeiten gleichermaßen.
Der Städtetag sieht aber Nachbesserungsbedarf. Statt einer reinen Erprobungsklausel, wie sie jetzt vorgesehen ist, brauche es eine umfassende Innovationsklausel, meint Dedy. „Eine Erprobungsklausel ermöglicht befristete Verkehrsversuche für maximal vier Jahre. Zusätzlich sollte ein Verfahren verankert werden, mit dem Erfahrungen aus diesen Versuchen dann auch zeitnah in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden können – das würde eine Innovationsklausel ermöglichen.“
VCD: „Straßenverkehrsgesetz ist völlig veraltet.“
Grundsätzlich positiv reagiert auch der ökologische Verkehrsclub VCD auf den Gesetzentwurf. Die Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann erklärt: „Das bisherige StVG ist völlig veraltet – es ist einseitig am fließenden Autoverkehr orientiert und nimmt den Kommunen die Möglichkeit, Mobilität nach heutigen Bedürfnissen zu gestalten.“ So sei es bislang nur unter strengen Auflagen möglich, Tempo-30-Zonen einzuführen oder die Zahl der Autospuren zu reduzieren, um Platz und Sicherheit für den Radverkehr zu schaffen und den Belangen von Kindern gerecht zu werden. Jetzt komme es darauf an, die StVG-Reform auszugestalten und die Straßenverkehrsordnung schnell entsprechend anzupassen. „Die Verbotskultur, die das alte StVG verkörpert hat, gehört endlich abgeschafft“, meint Haarmann.
Der Text erschien zuerst auf demo-online.de.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.