Neue DGB-Chefin: Warum Fahimi Finanzminister Lindner scharf attackiert
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Ob Bundesfinanzminister Christian Lindner die Rede der neuen DGB-Vorsitzenden an diesem Montag verfolgt hat, ist nicht bekannt. Doch dass Yasmin Fahimi mit dem FDP-Politiker auf dem DGB-Bundeskongress hart ins Gericht gegangen ist, dürfte ihm früher oder später zu Ohren kommen. Die frisch gebackene Chefin des Gewerkschaftsbundes hatte es vor allem auf ein zentrales Mantra von Lindner abgesehen: die Schuldenbremse.
An ihr hält der FDP-Finanzmininster seit Monaten fest – aus Sicht von Fahimi völlig unverständlich. Die Idee einer Schuldenbremse kanzelte sie unter den aktuellen Bedingungen als Ideologie ab. „Schon der Begriff ist grundfalsch“, so Fahimi am Montag und verglich den Haushalt mit dem privaten Hausbau: Es sei ja schließlich auch nicht anrüchig, wenn jemand für den Bau eine Hypothek aufnehme, „entscheidend ist doch, wofür das Geld ausgegeben wird!“ Aktuell bremse das Instrument vor allem die Zukunftsinvestitionen aus.
Fahimi fordert Investitionen statt Schuldenbremse
Vor den aktuellen Herausforderungen hält Fahimi die Fixierung auf die Schuldenbremse deswegen für „völlig aus der Zeit gefallen“. Stattdessen forderte sie eine dynamische Investitionsstrategie des Staates. Und an die Kolleg*innen des DGB gerichtet forderte sie: „Wir müssen dieses Thema groß machen!“
Einen Grund lieferte Fahimi gleich mit: „Richtig gefährlich wird es, wenn Inflation und fehlendes Wachstum zusammenfallen“, erklärte sie, „deswegen muss jetzt investiert werden.“ Von Zurückhaltung bei Tarifverhandlungen wollte Fahimi indes bei Inflationsraten jenseits der sieben Prozent nichts wissen, die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale wolle sie sich nicht „aufquatschen“ lassen. Denn die Entwicklung sei schließlich den gestörten Lieferketten und Spekulationen über Gewinne und Renditen geschuldet, aber nicht der Lohnentwicklung. „Viel Erfolg für eure Tarifverhandlungen!“, rief sie deswegen den Kolleg*innen in Berlin zu.
Darüber hinaus forderte Fahimi in ihrer Grundsatzrede einen funktionierenden Rechtsstaat und eine gut ausgestattete Bürokratie, damit notwendige Investitionen in die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zügig fließen könnten. Einen abgespeckten Staat könnten sich hingegen nur Reiche leisten. „Aber die Transformation gelingt nur mit uns! Oder sie gelingt gar nicht“, rief sie mehrmals in den Saal.
Zudem machte sie deutlich, was sie darunter konkret versteht: Sie forderte mehr Mitbestimmung, eine stärkere Beteiligung der Mitarbeiter*innen bis hin in die Aufsichtsräte der großen Aktiengesellschaften, Verhandlungen auf Augenhöhe und nicht als „Zugeständnis“ an die Belegschaft. Die Rolle der DGB-Gewerkschaften in dieser Arena ist für Fahimi klar: „Wir prägen die Arbeitswelt, wir prägen Politik und Gesellschaft. Wir setzen Standards für gute Arbeit. Wir sind für die Menschen da.“ Die Gewerkschaften, so Fahimi, seien „die Schutzmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“.
Entsprechend bot Fahimi die Gewerkschaften auch als Verhandlungspartner*innen der Unternehmen an, um den Wandel, die Transformation der Wirtschaft gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen zu gestalten. „Wir stehen hinter dem Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft“, sagte Fahimi, ergänzte aber: Eine einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Arbeitnehmer*innen gebe es mit dem DGB nicht. „Da machen wir nicht mit!“, so ihre klare Aussage, sozial und gerecht müsse es stattdessen zugehen, „das ist unverhandelbar“.
Mindestlohn eine „Schande“, aber nötig
Wie ihr Vorgänger Reiner Hoffmann lobte Fahimi die Bundesregierung, explizit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, für die geplante Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro, die vor allem von der SPD erkämpft worden war. Allerdings sei es auch eine Schande, dass diese Abwehrwaffe gegen prekäre Arbeitsverhältnisse überhaupt notwendig sei. Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie und anderen Bereichen werde man weiterhin benennen und skandalisieren, kündigte die DGB-Chefin an. Auch sachgrundlosen Befristungen und Ketten-Befristungen bei Arbeitsverträgen, Tarif- und Mitbestimmungsflucht sowie den Sanktionen beim Arbeitslosengeld sagte sie den Kampf sein.
Yasmin Fahimi wurde am Montag mit einer Mehrheit von 92 Prozent zur neuen DGB-Vorsitzenden gewählt (lesen Sie hier ein Kurzporträt über Yasmin Fahimi). Sie tritt damit die Nachfolge von Reiner Hoffmann an der Spitze des Gewerkschafts-Dachverbands an, dem die großen Gewerkschaften ver.di, IG Metall, IG BCE und weitere Gewerkschaften angehören, die zusammen alle Wirtschaftsbereiche in Deutschland abdecken.