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Ist die 40-Stunden-Woche noch die Arbeitszeit der Zukunft?

Das neue Rückkehrrecht in Vollzeit hilft Frauen aus der Teilzeitfalle und ermöglicht Arbeitnehmern, ihre Arbeitszeit an inidviduelle Lebensphasen anzupassen. Ist die 40-Stunden-Woche noch die Arbeitszeit der Zukunft?, fragt Karin Schwendler von ver.di.
von Vera Rosigkeit · 9. Januar 2017
Mit dem neuen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit könen Arbeitnehmer wieder in ihre vorherige Arbeitszeit zurückkehren.
Mit dem neuen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit könen Arbeitnehmer wieder in ihre vorherige Arbeitszeit zurückkehren.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles fordert einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in die vorherige Arbeitszeit. Warum ist das gerade für Frauen so wichtig?

Wenn Frauen in Teilzeit gehen, um sich beispielsweise mehr um die Familie zu kümmern, und diese Möglichkeit über die Elternzeit hinaus nutzen, haben sie derzeit kein Recht, ihre Arbeitszeit wieder aufzustocken. Viele Arbeitgeber lassen das nicht zu. Das unterstützt die Gefahr in der ewigen Teilzeitfalle hängen zu bleiben.

Über 80 Prozent aller Arbeitnehmer in Teilzeit sind Frauen. Könnte das Gesetz auch dazu führen, dass mehr Männer Teilzeit nutzen, wenn die Garantie auf Vollzeit gesichert ist?

Die Hoffnung haben wir schon. Viele Untersuchungen zeigen, dass sich gerade junge Familien wünschen, Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich zu teilen. Ein Hemmnis dies zu tun ist das Minus bei der Entlohnung, das bei Männern größer ist als bei Frauen. Aber die Ungewissheit, ob man in Vollzeit zurückkehren kann, spielt auch eine Rolle. Das wird sich mit dem Gesetz ändern.

Nun soll das Recht befristet in Teilzeit arbeiten zu können, nicht nur für Familien, sondern für alle Arbeitnehmer gelten. Ist das aus Sicht der Gewerkschaft nicht ein großer Fortschritt?

Wir begrüßen das sehr. Denn es geht ja nicht nur um Kinderbetreuung, sondern auch um die Pflege von Angehörigen. Es geht aber auch um Zeit für Weiterbildung oder Ehrenämter oder einfach mal um Zeit für einen selber. Gerade in der jüngeren Generation ist das Arbeiten bis zum Umfallen glücklicherweise nicht mehr so angesagt.

Widerstand kommt aus dem Arbeitgeberlager. Ist das Recht auf Teilzeit für alle in den Betrieben schwer zu organisieren?

Da kommt es sicherlich darauf an, wie viele Beschäftigte im Unternehmen tätig sind. Aber Bedenken, dass wenn Arbeitszeit befristet reduziert wird, die anfallende Arbeit trotzdem erledigt werden muss, verstehe ich nicht. Denn die Arbeit muss ja auch gemacht werden, wenn unbefristet reduziert wird. Dafür gibt es ja eine Personalplanung. Für mich sind das Scheindiskussionen und Argumente, die immer kommen, wenn Gesetze zugunsten von Arbeitnehmern gemacht werden.

Ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit ein Thema der Zukunft?

Das ist ein Riesenthema. Unsere Arbeitswelt verändert sich. Und der Bereich Arbeitszeit kann sich nicht nur dahingehend verändern, dass Arbeitnehmer möglichst flexibel für den Arbeitgeber einsetzbar sind, sondern da müssen schon beide Seiten von profitieren. Es ist auch die Frage, ob die übliche 40-Stunden-Woche noch die Arbeitszeit der Zukunft ist. Aus frauenpolitischer Sicht sollte sie es nicht sein. Ver.di arbeitet auf eine kürzere Vollzeit hin, um den Maßstab dafür, was Vollzeit ist, zu ändern. Das wird natürlich nicht von heute auf morgen geschehen, aber die Perspektive sollte dahin gehen.

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*Karin Schwendler leitet den Fachbereich Frauen- und Gleichstellungspolitik im Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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