Inland

Homosexualität im Fußball: „Junge Menschen brauchen Vorbilder wie Hitzlsperger“

Vor fünf Jahren machte Thomas Hitzlsperger seine Homosexualität öffentlich. Bis heute ist kein aktiver Fußballer diesem Beispiel gefolgt. Dabei wären weitere Vorbilder sehr wichtig, meint Aktivist Jan Duensing.
von Jonas Jordan · 15. Januar 2019
Jan Duensing
Jan Duensing

Im Januar 2014, etwa ein halbes Jahr nach seinem Karriereende, erklärt der frühere Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger öffentlich, dass er homosexuell ist. Kurz darauf startet in Dresden die Initiative „Feiner Fußball“, die sich gegen Homophobie im Fußball engagiert. Jan Duensing ist Ideengeber und Mitbegründer. Zum Coming-Out von Hitzlsperger sagt er: „Er hat das außergewöhnlich gut gemacht.“ Durch die Äußerungen des Ex-Nationalspielers sei überhaupt erst eine öffentliche Debatte zustande gekommen. „Er hat sich nicht selbst in den Vordergrund gestellt, sondern klar gemacht, dass es ihm um die Sache geht und dass er das Thema normalisieren möchte“, sagt Duensing. Hitzlsperger habe dadurch viel bewegt. 

Business as usual nach Hitzlsperger

Das sei jedoch auch nötig gewesen. Denn als „Feiner Fußball“ mit Aufklärungsarbeit durch Workshops in Fußballvereinen beginnt, steht das Thema in vielen Clubs gar nicht auf der Tagesordnung. Durch Lobbyarbeit versucht die Initiative, Kontakte zu knüpfen und eine Öffentlichkeit zu schaffen. So kommt beispielsweise eine Podiumsdiskussion zustande, an der auch ein Fanbeauftragter von Dynamo Dresden teilnimmt. Ein Zeichen, dass Homophobie auch in einem Profiklub zum Thema wird, dessen Anhänger ansonsten nicht als besonders progressiv bekannt sind. „Vor Hitzlsperger hat niemand darüber geredet“, sagt Duensing.

Insofern sei in den vergangenen Jahren eine offenere Kultur zustande gekommen. Duensing sagt aber auch: „Inzwischen sind wir ein Stück weit zum businnes as usual zurückgegangen.“ Hitzlsperger sei weiter ein Thema, ansonsten fehle es allerdings an Vorbildern. Aktive Profifußballer haben sich bislang nicht geoutet. Berater und Vereinsfunktionäre raten aus Angst vor den Reaktionen der Fans davon ab. „Es gibt in den Vereinen, in den Verbänden und vielleicht auch in den Mannschaften ganz oft nicht die Möglichkeit, darüber zu sprechen“, sagt Duensing. Homosexualität sei nach wie vor keine Normalität.

Fußball als Männlichkeitsdomäne

Duensing ist enttäuscht über die strukturellen Hindernisse, die aus seiner Sicht verhinderten, dass sich ein aktiver Fußballer oute. „Es gibt dieses Idealbild des Fußballs als Männlichkeitsdomände.“ Sowohl Homophobie als auch Sexismus wertet Duensing als Reaktion auf eine Art Bedrohung, die viele Männer empfänden. Ein homosexueller Fußballer passe nicht in das übliche Männerbild. Auch eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung beschäftigt sich mit der Verschränkung von Homophobie, Sexismus und Rassismus.

Die Ressentiments im Fußball seien deutlich größer als beispielsweise in der Politik oder im Showgeschäft. Dennoch seien Vorbehalte im Fußball auch ein Spiegel einer „real-existierenden Homophobie“ in der Gesellschaft. Profifußballern, die ein Coming-Out planen, rät Duensing: „Sucht euch Leute, denen ihr vertraut und mit denen ihr reden könnt. Wenn sie eure Freunde sind, werden sie euch unterstützen und zu euch stehen.“ Wer diesen Schritt einmal gegangen sei, könne danach weiterschauen, ob er sich auch öffentlich äußere: „Das Problem ist, es weiß keiner, wie die Öffentlichkeit reagiert. Wenn du fünf Medienberater fragst, kriegst du sechs Antworten.“

„Hitzlsperger ist richtig wichtig“

Duensing sagt: „Es ist wichtig, dass es Leute gibt, die vorangehen, aber ich würde keinem einen Vorwurf machen, der nicht vorangeht.“ Es brauche Menschen wie Hitzlsperger, die anderen als Vorbilder dienen können: „Ich habe keinen Bock, dass wir in fünf Jahren immer noch am gleichen Punkt sind. Junge Menschen, die über ein Coming-Out nachdenken, brauchen Vorbilder, weil sie ansonsten weiter glauben, dass Fußball und Homosexualität nicht zusammenpassen. Deswegen ist Thomas Hitzlsperger richtig wichtig.“

Darüber hinaus gebe es strukturell in Verbänden noch viel zu tun: „Im Vorstand des DFB sitzen 40 Personen, davon eine Frau, die für den Frauenfußball zuständig ist. Es fällt mir schwer, zu glauben, wie diese Personen unterschiedliche Perspektiven auf diverse Geschlechtlichkeit einbringen sollen“, kritisiert Duensing, der jedoch nicht von einer Generationenfrage spricht. Als positives Beispiel nennt er Gerd Liesegang, Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbands, der sich seit vielen Jahren aktiv gegen Diskriminierung engagiere. Duensing sagt über den 62-Jährigen: „Ich würde mir wünschen, dass es in jedem Verband einen Gerd Liesegang gibt. Dann sähe die Welt viel schöner aus.“

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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