Endlich Mutterschutz: SPD will Verbesserungen für Frauen nach Fehlgeburten
Viele Frauen erleben eine Fehlgeburt als traumatisch. Doch ein Großteil von ihnen bekommt nicht mal Mutterschutz. Eine Petition fordert einen gestaffelten Mutterschutz. Aus der SPD-Bundestagsfraktion kommt Unterstützung. Ein Gesetzesentwurf soll der Auftakt für weitere Verbesserungen sein.
Kontrolluntersuchung bei der Gynäkologin: Im Durchschnitt erleidet jede dritte Frau in Deutschland eine Fehlgeburt.
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Auf den Weg gebracht hat die Petition die familienpolitische Aktivistin Natascha Sagorski. Vor gut fünf Jahren hat sie eine Fehlgeburt erlitten. Das Erlebte hat sich bei ihr eingebrannt.
Morgens hatte sie von ihrer Gynäkologin erfahren, dass ihr ungeborenes Kind nicht mehr lebt. Wenige Stunden später ging sie ins Krankenhaus.
„Ich musste einen Gang mit lauter Bildern von Neugeborenen entlanglaufen, um zur richtigen Station zu kommen“, berichtet sie im Gespräch mit dem „vorwärts“. „Auf der Station informierte eine Krankenschwester die anderen Patientinnen fortlaufend über geglückte Geburten. Und ich lag dort mit meinem toten Baby im Bauch und warte auf die Ausschabung, eine Operation unter Vollnarkose.“
Wie ein Schlag ins Gesicht
Die Ärztin sagte ihr im Anschluss, sie bräuchte keine Krankschreibung und könnte am nächsten Tag wieder arbeiten gehen. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich konnte ich nicht gleich wieder arbeiten. Ich war verletzt und konnte mich in dem Moment nicht wehren.“
Das Beispiel der heute 39-Jährigen zeigt, was beim Umgang mit Frauen, die eine Fehlgeburt hinter sich haben, im Argen liegt.
Sagorski, mittlerweile zweifache Mutter, kämpft darum, dass sich Betroffene zumindest ausreichend erholen können. In einer Online-Petition an den Deutschen Bundestag tritt sie dafür ein, einen gestaffelten Mutterschutz für Frauen einzuführen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden. Die Staffelung soll von einer Expertenkommission erarbeitet werden und sich auf die Anzahl der Schwangerschaftswochen beziehen. Bis zum Dienstag hat die Petition rund 52.900 Unterstützer*innen gefunden.
Vergangenes Jahr hat sie ihr Anliegen im Familienausschuss des Bundestages vorgetragen. Im Dezember fand zudem ein Fachgespräch statt. Dazu hatten neben den Ampelfraktionen auch CDU/CSU und Linke eingeladen.
Bislang ist die Rechtslage so: Eine Frau, die ihr Kind am letzten Tag der 23. Schwangerschaftswoche verliert, erhält keinen Tag Mutterschutz. Kommt es dazu nur 24 Stunden später, also am ersten Tag der 24. Woche, stehen ihr 18 Wochen Mutterschutz zu. Diese „Fallbeillösung“ lehnt Sagorski ab.
Mutterschutz schon ab der sechsten Woche
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht vor, den Mutterschutz nach einer Fehlgeburt von der 24. auf die 21. Woche vorzuziehen. Sagorski tritt für eine Regelung schon ab der sechsten Woche ein. „80 Prozent der Fehlgeburten finden während der ersten zwölf Wochen statt“, sagt sie. „Daher sollte auch das erste Trimester in den Mutterschutz inkludiert werden. Es wäre ein verheerendes Signal, so viele Betroffenen weiterhin auszuschließen.“
Mit einer Expertenkommission hat Sagorski zwei Entwürfe einer Staffelung erarbeitet. Einer davon sieht mindestens zwei Wochen freiwilligen Mutterschutz im ersten Trimester mit einer anschließenden aufbauenden Staffelung vor.
Der Plan ist nun, dass SPD, Grüne, FDP, CDU/CDSU und die Abgeordneten der früheren Linke-Fraktion einen gemeinsamen Gesetzesentwurf im Bundestag einbringen. Im Frühjahr oder spätestes zum Sommer solle dieser Entwurf formuliert werden, sagt Sagorski unter Berufung auf Informationen aus der FDP-Fraktion. „Dass Koalition und Opposition daran mitwirken, gibt mir Hoffnung, dass die Reform im Bundestag eine Mehrheit finden wird.“
"Betroffene müssen sich erholen"
„Für einen gestaffelten Mutterschutz nach einer Fehlgeburt gibt es viele gute Gründe“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier. „Betroffene müssen sich hormonell, seelisch und körperlich regenerieren.“ Sie geht davon aus, dass die entsprechende Änderung des Mutterschutzgesetzes bis zum Ende der Legislaturperiode vollzogen sein könnte. Eine Regelung schon vor der 21. Woche würde zwar vom Koalitionsvertrag abweichen, sei aber „sachlich erstrebenswert".
Vor allem müsste das Thema Fehlgeburt endlich raus aus der Tabuzone, so Breymaier, die die SPD im Familienausschuss vertritt. Rein statistisch erleidet jede dritte Frau eine Fehlgeburt, das sind pro Jahr mehr als 200.000 Frauen. „Wir wollen das Signal aussenden, dass eine Fehlgeburt genauso normal ist wie eine Geburt. Noch immer plagen sich betroffene Frauen oft mit Minderwertigkeitsgefühlen. Sie, aber auch ihr Umfeld brauchen mehr Aufklärung und Unterstützung.“
Bislang sei es noch nicht mal selbstverständlich, dass Frauen nach einer Fehlgeburt krankgeschrieben würden. Frauen erhielten in Krankenhäusern häufig keine angemessene Behandlung. Viele würden nicht darüber informiert, dass es Alternativen zur Ausschabung gibt. „Das alles muss in den Blick genommen werden“, fordert Breymaier. Eine Änderung des Mutterschutzgesetzes sollte zudem auch die Situation von selbstständigen Frauen angemessen berücksichtigen und Vätermonate nach einer Geburt festschreiben.