Dietmar Woidke: Die Politik muss beim Kohleausstieg liefern
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Südöstlich von Berlin: Hier ist die Region der großen Braunkohletagebaue und Kraftwerke der Brandenburger Lausitz. Hier bin ich aufgewachsen mit dem Tagebau, habe als Junge die Schaufeln gehört, die Bagger gesehen, den hell erleuchteten Nachthimmel. Aber hier fährt niemand aus Spaß Bagger, sondern weil hier die Energie steckt, die das Industrieland Deutschland braucht. Rund zehn Prozent unseres gesamten Stromverbrauchs werden zwischen Neiße, Spree und Elster produziert.
Die Gesellschaft zusammenhalten
1990 waren bei uns in Tagebau und Verstromung noch rund 80.000 Frauen und Männer beschäftigt, heute sind es noch etwa 8.000. Der Ausstieg aus der Kohle ist bei uns seit 30 Jahren im Gange. Im Jahr 2038 soll bundesweit das letzte Kraftwerk vom Netz gehen. Das Enddatum 2038 halte ich für einen guten Kompromiss der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Ich finde ihren Namen bezeichnend und gut gewählt, denn um diese drei Punkte geht es. Und dafür hat sie unter Co-Leitung von meinem Vorgänger Matthias Platzeck gute Grundlagen geschaffen – und einen Beitrag, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Jetzt sind alle gefordert, ihn umzusetzen und nicht zu zerreden.
Er gibt Planungssicherheit. Entscheidend ist, dass es im Industrieland Deutschland gelingt, nach Kohle- und Atomausstieg den Dreiklang von Energiekosten und -sicherheit, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen sowie Klima- und Umweltschutz auszutarieren. Mit dem 40-Milliarden-Euro-Gesamtpaket kann das klappen, ohne dass es zu Strukturbrüchen kommt.
Menschen in Revieren nicht vertrösten
Dafür muss jetzt gehandelt werden. Die Menschen in den Revieren wollen nicht vertröstet werden. Sie wollen sehen, dass konkret etwas passiert. Die Politik muss liefern. Das 240-Millionen-Euro-Sofortprogramm des Bundes hat Olaf Scholz schon auf den Weg gebracht. Gut so! Jetzt geht es mit dem Strukturstärkungsgesetz um die nächsten Schritte. Dabei ist insbesondere Peter Altmaier in der Pflicht. Jetzt geht es mit großen Projekten um die Milliarden bis zum endgültigen Ausstieg: Deutliche Verbesserungen bei Bahn, Straßenausbau, 5G-Netz, Batteriezellen, aber auch Kultur und Tourismus.
Wir Brandenburger werten den schmerzlichen, aber notwendigen Ausstieg als Chance für zukunftsfeste Entwicklungen. Wir wollen eine europäische Modellregion für Klimaschutz und Wirtschaftswachstum werden – also Vorbild für die 41 europäischen Kohleregionen. Sie alle stehen vor einem historischen Wandel. Wir müssen zusammenhalten, um das zu meistern. Dafür brauchen wir beides: Industriearbeitsplätze genauso wie Forschung und Wissenschaft, um die Industrien der Zukunft aufzubauen. Ich bin da zuversichtlich.
Klima, Energiesicherheit und Arbeitsplätze
Was wir nicht vergessen sollten: Nach der Bundestagswahl war eine solche „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ nicht absehbar. Wäre es zu einer Regierung von CDU/CSU mit Bündnis90/Grüne und FDP gekommen, dann hätten wir all das nicht reinbekommen. Es wäre nur um die Abschaltung der Kraftwerke gegangen. Gut, dass es anders kam. Für Klima, Energiesicherheit und Arbeitsplätze.