Geschichte

#vorwaerts140: Die Geschichten hinter den Schlagzeilen

Seit Ende Mai twittert der „vorwärts“ täglich eine Schlagzeile aus der 140-jährigen Geschichte des Parteiblatts. Wir haben die interessantesten Tweets gesammelt – und zeigen, was hinter ihnen steckt.
von Peter Schraeder · 30. September 2016
#vorwaerts140
#vorwaerts140

Genau wie die SPD entstand der Vorwärts aus einer Zusammenlegung: Der „Volksstaat“ und der „Neuer Sozialdemokrat“ waren die Vorläufer des 1876 gegründeten Parteiorgans.

Der Philosoph und Ökonom Eugen Dühring war einer der intellektuellen Kontrahenten Friedrich Engels. Der verfasste für den Vorwärts eine Artikel-Serie, in der er die Philosophie des Antisemiten Dühring auseinanderpflückte.

Nach kaum zwei Jahren Vorwärts folgte ein harter Schlag ­– das Sozialistengesetz. Es verbot zwölf Jahre lang alle sozialdemokratischen oder sozialistischen Organisationen, was den Vorwärts natürlich mit einschloss. Anlass für das Verbot war ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I. .

Im Januar 1904 lehnte sich die Bevölkerungsgruppe der Herero im heutigen Namibia gegen die deutschen Kolonialherren auf. Diese führten einen Vernichtungsfeldzug gegen die Einheimischen, der von der Bundesregierung inzwischen als Genozid bewertet wird. Der Vorwärts plädierte damals dafür, dass der Aufstand nur mit dem Unrechtsregime der Kolonialmächte zu erklären sei.

Bei der Reichstagswahl 1912 wurde die SPD trotz des Dreiklassenwahlrechts die stärkste Fraktion. Die Sozialdemokraten holten 34 Prozent der Stimmen, was 110 Mandate ergab.

Am 13. August 1913 starb August Bebel, der zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründete hatte. Diese schloss sich 1875 mit dem von Ferdinand Lassalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zu einer neuen Partei zusammen: der SPD.

Mitten im Ersten Weltkrieg drohte dem Vorwärts abermals ein Verbot: Dem Oberkommando des deutsches Heeres war das Blatt zu kritisch. Um ein Verbot zu vermeiden, trat in die Redaktion ein SPD-Vorstandsmitglied ein. Der Vorstand hatte 1914 mehrheitlich für die Bewilligung von Kriegskrediten gestimmt – was die Abspaltung der USPD zur Folge hatte.

Endlich: Der Krieg war vorbei, Wilhelm der II. dankte ab. Noch am selben Tag wurde die Republik ausgerufen, und das gleich zweimal: einmal vom SPD-Mann Philipp Scheidemann und einmal von Karl Liebknecht, dem Anführer des sozialistischen Spartakusbundes.

Während des sogenannten Spartakusaufstands versuchten verschiedene sozialistische Gruppen, die parlamentarische Demokratie in eine Räterepublik umzuwandeln. Dazu riefen sie zum Generalstreik auf und besetzten auch die Redaktionsräume des Vorwärts.

1923 war der Hitler-Putsch gescheitert. 1924 stand das Urteil fest: Für die Anführer gab es fünf Jahre, nur sechs Monate mussten in Haft verbracht werden. Der Vorwärts mutmaßte, ob es sich um einen Aprilscherz des Gerichts handeln würde.

Friedrich Ebert war seit 1913 SPD-Vorsitzender und ab 1919 der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, bis er überraschend an einer Bauchfellentzündung starb. Ihm zu Ehren wurde nur wenige Tage nach seinem Tod die Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet.

„Hitlers Privatsoldaten sengen und brennen an allen Ecken und Enden des Reichs“, schrieb der Vorwärts. Außerdem warnte er vor einer Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten. Die Warnung blieb letztlich ungehört.

Am Abend des 27. Februar stand der Reichstag in Flammen. Vor Ort festgenommen wurde der Linksanarchist Marius van der Lubbe, der heute als der alleinige Täter gilt. Der Vorwärts schrieb zunächst nur von einem Einzeltäter, dann von mehreren Tätern, die durch eine weitere Meldung als Kommunisten gedeutet werden konnten. Das war im Sinn der Nazis, half dem SPD-Blatt aber nicht – es wurde noch in derselben Nacht verboten.

Kurz nach dem Verbot des Vorwärts floh die Redaktion nach Prag und betrieb das Blatt im Exil weiter. Ein Jahr nach der Machtübernahme Hitlers schwor der Vorwärts seine Leserschaft auf einen „revolutionären Kampf“ gegen die „nationalsozialistische Diktatur“ ein.

In einer mehrteiligen Reihe klärte der Vorwärts über eines der ersten deutschen Konzentrationslager auf: das KZ Dachau. Es wurde schon im März 1933 eröffnet und diente zur Unterbringung von politischen Gefangenen.

1938 stellte die Tschechoslowakei die SPD und den Vorwärts auf Druck der Nazis vor die Wahl: Entweder sie würden ihre Arbeit einstellen, oder sie müssten gehen. Das neue Exil wurde Paris, von wo aus das Parteiblatt den Kriegsausbruch aufs schärfste verurteilte.

Die letzte Ausgabe des Vorwärts während des Krieges erschien 1940. Erst acht Jahre später nahm die Parteizeitung ihre Arbeit in der westlichen Besatzungszone wieder auf und berichtete über die ersten Parteitage der SPD nach dem Krieg.

Der 13. August 1961 ging in die Geschichte ein – es war der Tag des Mauerbaus in Berlin. Der Vorwärts verurteilte den Bau der Mauer scharf und zitierte den damaligen Bürgermeister Berlins, Willy Brandt, mit den Worten „die eigentliche Bewährungsprobe für unser Volk“ habe begonnen.

Der Schriftsteller Günter Grass warb lange Jahre für die SPD, unter anderem im Bundestagswahlkampf 1965. Zwar gab es nach der Wahl zunächst eine Koalition aus CDU und FDP, diese zerbrach aber schnell. Es folgte: die erste Große Koalition der BRD.

Die Bundestagswahl 1969 brachte dann endlich das ersehnte Ergebnis für die SPD: Zwar war die CDU etwas stärker, aber SPD und FDP konnten eine sozialliberale Koalition bilden. Die NPD erzielte ihr bisher höchstes Wahlergebnis, verpasste aber den Einzug ins Parlament.

Am 11. September beging der chilenische Staatspräsident Salvador Allende Suizid, nachdem das Militär unter Führung des Generals Augusto Pinochet die sozialistische Regierung gestürzt hatte. Der Vorwärts aber meinte, die „Idee des Sozialismus“ sei noch nicht tot.  

1974 trat Willy Brandt aufgrund der Guillaume-Affäre zurück. Daraufhin übernahm Helmut Schmidt das Amt des Bundeskanzlers. Außerdem verjüngte er das Kabinett.

Nach rund sechs Jahren endete die Kanzlerschaft Helmut Schmidts. Ursache dafür war der Bruch zwischen SPD und FDP. Die Liberalen hatten einschneidende wirtschaftliche und soziale Deregulierungen gefordert, welche die SPD als „Scheidungspapier“ bezeichnete.

Seit Mitte der 70er Jahre steckten die westlichen Industrienationen in der Krise, Branchen wie Bergbau und Metallverarbeitung befanden sich im Sinkflug. Die Folge: Millionen Arbeitslose. Der Vorwärts forderte, statt Überstunden zu fahren, sollten Arbeitslose eingestellt werden.

Seit 1985 hatte die Sowjetunion einen neuen Staatschef: Michail Gorbatschow. Er brachte die Reformen auf den Weg, die letztlich zum Ende der UdSSR führten. Perestrojka heißt übersetzt Umbau.

Im Dezember 1989 gab sich die SPD ein neues Grundsatzprogramm, das sogenannte Berliner Programm, das das Godesberger Programm von 1959 ablöste. Auch für den Vorwärts änderte sich einiges: Wegen einer schwindenden Auflage stellte der Vorstand das Blatt ein, das mit dem SPD-Mitgliedermagazin „Sozialdemokrat“ verschmolz. Erst 1994 gab es einen Relaunch des „vorwärts“, der seit dieser Zeit klein geschrieben wird.

Im Dezember 1990 gab es die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen, welche die CDU gewann. Die SPD trat mit Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidat an und warb unter anderem für eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“.

Auch zu Beginn der 90er Jahre stieg die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland stark an ­– und auch damals kam es zu einem hohen Maß an Fremdenfeindlichkeit. Trauriger Höhepunkt: die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992. Eine pöbelnde Menge belagerte tagelang ein Wohnheim für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam und setzte es schließlich in Brand.

Im Herbst 1998 gelang es der SPD erstmals nach mehr als 16 Jahren an die Regierung zu gelangen. Sie gewann die Wahl mit mehr als 40 Prozent. Es folgte die rot-grüne Koalition. 

Im Jahr 2003 brachte die SPD ­– gegen einen starken innerparteilichen Widerstand ­– die Agenda 2010 auf den Weg, die die damalige Sozialpolitik grundlegend veränderte. Auf dem Bochumer Parteitag der SPD im Dezember 2003 wurde Gerhard Schröder als SPD-Chef bestätigt.

Der vorwärts versuchte einige Monate vor der Umsetzung der Agenda-Reformen seiner Leserschaft die Furcht vor negativen Folgen der neuen Sozialpolitik zu nehmen. Der damalige Protest richtete sich insbesondere gegen die Einführung des sogenannten Hartz IV.

Im Wahljahr 2009 trat Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat für die SPD an. Der Sozialdemokrat konnte sich allerdings nicht durchsetzten und die SPD ging in die Opposition.

Doch nach der Wahl 2013 konnte sich die SPD abermals in einer großen Koalition an der Regierung beteiligen. Vorausgegangen war eine Abstimmung der SPD-Basis über den Koalitionsvertrag. Der vorwärts hatte dabei tatkräftig geholfen: In einer Sonderausgabe verschickte er den etwa 100 Seiten starken Vertrag an alle Mitglieder.

Schon Monate bevor die große Zahl an Flüchtlingen die täglichen Schlagzeilen bestimmte, kamen viele Asylbewerber in Deutschland an. Der vorwärts widmet sich seit 140 Jahren dem Schicksal von Menschen in sozialen Notlagen, und so wird es auch weiterhin geschehen. In diesem Sinn: Willkommen in Deutschland!

Autor*in
Peter Schraeder

studiert Public History an der Fu Berlin.

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