Rosa Luxemburg und die SPD: Ein schwieriges Verhältnis
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„Ich bin, ich war, ich werde sein.“ Der Schlusssatz Ihres letzten Artikels in der „Roten Fahne“, der Parteizeitung der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands, hat sich erfüllt. Rosa Luxemburg ist auch mehr als 100 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod präsent. Jedes Jahr wird für sie demonstriert und ihrer gedacht. Und es wird gesungen: „Dem Karl Liebknecht haben wir’s geschworen, der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand.“
Der Luxemburgismus wurde bekämpft
Karl Liebknecht war lange vergessen, auch Rosa Luxemburg war nicht deutlich in der historischen Erinnerung verankert. Ihre Schriften waren vergriffen, erst in den 1960er Jahren entschloss sich die Europäische Verlagsanstalt in der Bundesrepublik zur Neuauflage ihrer Schriften. Selbst in der DDR, wo ihre Gräber 1951 in die „Gedenkstätte der Sozialisten“ in Berlin-Friedrichsfelde integriert wurden, hielt sich der Liebknecht-Luxemburg-Kult in Grenzen. Benennungen für Straßen und Plätze ja, aber bitte keine großen Gedenkfeiern. Rosa Luxemburgs politische Theorie galt als Abweichung, als Luxemburgismus wurde sie bekämpft. Ihre Texte wurden nur zensiert verlegt.
Das von Ludwig Mies van der Rohe gestaltete Denkmal für die Opfer des Spartakusaufstandes, das Nazis zerstörten, wurde nicht wiedererrichtet. Mies van der Rohe verweigerte die Zustimmung und die SED-Führung wollte ohnehin keine betonte Pflege des Andenkens an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die in der Weimarer Republik veranstalteten KPD-Gedenkfeiern am Denkmal für Lenin, Liebknecht und Luxemburg, die sogenannten LLL-Wochen, sollten nicht wiederbelebt werden.
Neues Leben unter dern 68ern
Der Romantizismus der ’68er Bewegung erweckte den Luxemburg-Kult zu neuem Leben. Neben ihren Schriften erschienen Biografien und der Luxemburgismus wurde zu einem Diskussionsthema. Lebenslauf, politische Arbeit, theoretische Analyse und ihr gewaltsamer Tod im revolutionären Kampf mischten sich zu einer Legende.
Rosa Luxemburgs Biografie ist beeindruckend, was seit 50 Jahren immer wieder Biografen zum Schreiben anregte. Zunächst lag nur die Biografie von Paul Frölich vor, eines Zeitgenossen und Weggefährten. Ihre Biografen verkürzen stets ihre Mitgliedschaft in der SPD. Tatsächlich konnte Rosa Luxemburg nach dem Abschluss ihres Studiums in der Schweiz nicht in das zaristische Russland zurückkehren. Ihr politisches Engagement, ihre aktive Rolle in der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), die von der zaristischen Polizei verfolgt wurde, hätten ihr Verhaftung, Verurteilung und Verbannung eingebracht, möglicherweise den Tod.
Unter dem Schutz Bebels
Ihr politisches Asyl im Kaiserreich sicherte die SPD ab. Ihre Scheinheirat mit einem Deutschen bewahrte sie vor der Abschiebung. Die SPD sorgte für ihre materielle Existenz. Sie konnte für Parteizeitungen schreiben (auch den „Vorwärts“), bezahlte Vorträge halten, sogar an der Parteischule unterrichten. Der Vorsitzende August Bebel stellte sie unter seinen Schutz. Ihre politischen Auffassungen fanden Zuspruch, doch blieben sie eine Minderheitsmeinung. Die Entscheidung des Mannheimer Parteitags von 1906 über den Einsatz des Massenstreiks zum Sturz des Kaiserreichs zeigte, dass Rosa Luxemburg nur für eine Minderheit sprach. Die SPD-Mehrheit schätzte das Risiko des Massenstreiks nüchtern ein und verweigerte sich diesem Konflikt mit dem militärisch überlegenen Kaiserreich.
Bis 1914 war das Verhältnis zwischen Rosa Luxemburg und dem SPD-Parteivorstand angespannt, erst mit dem Kriegsbeginn und der Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten vertieften sich die Spannungen bis zum Bruch. Rosa Luxemburgs Kritik an der Burgfriedenspolitik der SPD-Führung war berechtigt, ihre einfache Übertragung der Ergebnisse der Oktoberrevolution 1917 auf deutsche Verhältnisse jedoch illusionär. Die deutsche Arbeiterklasse wollte diesen Kurs nicht und Liebknechts und Luxemburgs Anhänger erlitten deshalb beim Rätekongress im Dezember 1918 eine klare Niederlage. Die Mehrheit wollte eine parlamentarische Demokratie.
Gegnerin des Spartakusaufstands
Luxemburgs weiterer Weg war tragisch. Eine Revolution nach ihren und Liebknechts Vorstellungen ließ sich nicht erzwingen. Sie war gegen den Spartakusaufstand, der die revolutionäre Veränderung gewaltsam voranbringen wollte, doch konnte sie sich nicht vorstellen, wir sich der ebenfalls revolutionäre Rat der Volksbeauftragten verteidigen würde. Es herrschte in Berlin seit Wochen ein Klima der Gewalt. Wer ein Gewehr trug, nutzte es im Zweifel auch. Was wäre denn aus den sozialdemokratischen Mitgliedern des Rates der Volksbeauftragten geworden, wenn Spartakus gewonnen hätte?
Der Rat der Volksbeauftragten verteidigte die demokratische Legitimität seiner Handlungen. Vorwerfen kann man ihm nur, dass er seinen Truppen keine klaren Weisungen gab, doch wer ist legitimiert, über von Gewalt bestimmte Zeiten zu richten? Die Historiker weisen uns heute darauf hin, dass die revolutionären Zeiten von 1918 bis 1920 von mehr Gewalt bestimmt waren, als uns lange vermittelt worden ist. Gewalt von beiden Seiten – von rechts und von links.
Immer neue Spekulationen über den Mord
Der brutale Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hat immer neue Spekulationen über die Soldateska aufflackern lassen, die für die Sozialdemokraten Noske, Ebert, Scheidemann gehandelt hätten. Bewiesen ist nichts, selbst der renommierte Autor Sebastian Haffner äußerte nur Vermutungen. Die Erklärungen des verantwortlichen Offiziers aus den 1960er Jahren sind jedenfalls keine seriöse Quelle.
Die Suche nach Belegen für die Verantwortung am Mord von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wird weitergehen. Offen bleibt für Sucher nach der Verantwortung der Sozialdemokraten die Frage, was denn passiert wäre, wenn Liebknecht und Luxemburg im Spartakusaufstand gesiegt hätten. Es ist nicht anzunehmen, dass Rosa Luxemburg gegen den Anspruch der Leninisten gewonnen und in deren System die „Freiheit der Andersdenkenden“ gegolten hätte.
war von 1975 bis 1976 Politikberater für die sozialistische Partei im revolutionären Portugal. Als Mitglied des Europäischen Parlamentes war er Vorsitzender des Ausschusses für den Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft.