Julius Leber: Der Unbeugsame gegen Hitler
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Aufrechter Widerstand gegen den Nazi-Barbarei: Julius Leber 1944 vor dem so genannten Volksgerichtshof
Dies ist das Foto des deutschen, demokratischen Widerstands gegen die Hitler-Barbarei. Da steht ein Mensch: aufrecht mit ernstem Blick, die Hände ans Revers seines Jackets geheftet. Es ist der 24. Oktober 1944. Vor dem so genannten Volksgerichtshof hört sich Julius Leber sein Todesurteil an. Der Prozess-Beobachter Paul Sethe notiert später: „Das Gesicht behält den Ausdruck tiefen und gesammelten Ernstes, wie stets an diesem Tag. Der Blick geht in die Ferne und gewiss weit über die Mauern dieses Saales hinaus. Was er gedacht hat in dieser Stunde, wird die Welt nie erfahren, aber als ihn bald darauf die Polizisten hinausführen, in seine Zelle zurück, geht er aufrecht wie vorher auch. So muss er auch gegangen sein, als er den letzten Gang antrat — den Gang in den schweren und bitteren Tod.“
An diesem 24. Oktober werden auch Lebers Genossen Adolf Reichwein und Hermann Maaß zum Tode verurteilt und noch am selben Tag ermordet. Julius Leber bleiben noch wenige Wochen in der Zelleneinsamkeit der Gestapohaft, die er rational resümiert: „Die Einsamkeit in der Zelle ist nicht etwa eine bedrückende Last. Oft denke ich an die mittelalterlichen Mönche, die aus der Welt ausscheiden, um sich in vier engen Wänden ihren Gedanken hinzugeben.“ Das klingt angesichts des bevorstehenden Todes nüchtern, aber nicht ernüchtert.
Vernuft, Augenmaß und unbeugsamer Wille
Das passt zu Julius Leber, dessen ganzes Leben von Vernunft und Augenmaß, gepaart mit einem unbeugsamen Willen, geprägt ist. Geboren wird Leber am 16. November 1891 im kleinen elsässischen Städtchen Biesheim am Rhein. Auf Empfehlung des Ortsgeistlichen besucht er die Höhere Bürgerschule in Breisach, die er zunächst mit dem Zeugnis der Mittleren Reife abschließt. Danach absolviert Julius Leber eine kaufmännische Lehre in einer Tapetenfabrik, nach deren Abschluss er seine schulische Ausbildung in Freiburg bis zum Abitur fortsetzt. Noch als Schüler tritt Leber der SPD bei und schreibt Zeitungsberichte.
1912 schreibt sich Julius Leber an der Universität Straßburg ein und studiert Nationalökonomie und Geschichte. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs setzt er ab 1913 seine Studien in Freiburg fort. Dann meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst, wird relativ schnell zum Leutnant befördert und mehrfach ausgezeichnet. Die militärische Karriere scheint vorgezeichnet, denn nach der Kapitulation übernimmt ihn die Reichswehr.
Während des so genannten Kapp-Putsches stellt sich der entschiedene Republikaner Julius Leber gegen die Putschisten und entgeht nur knapp der standrechtlichen Erschießung. Gegen seinen Willen wird er daraufhin aus der Reichswehr entlassen und setzt sein Studium in Freiburg fort, das er 1920 mit der Promotion abschließt.
Haushalts- und Militärexperte im Reichstag
Der frisch gebackene Dr. rer. pol. übernimmt 1921 die Leitung des sozialdemokratischen „Lübecker Volksboten“. Im selben Jahr wird Julius Leber in die Lübecker Bürgerschaft gewählt. 1924 entsenden ihn die Lübecker*innen in den Reichstag, wo er sich als Haushalts- und Militärexperte einen Namen macht und als kluger Beobachter der Entwicklung seiner SPD, die er als Garantin der Republik sieht.
Leber kritisiert die aufkommende Politik des Durchlawierens und schreibt bereits 1924: „Wir hatten die Macht! Wir hatten diese endlos vorüberziehende Menschenmacht hinter uns, wir hatten hinter uns die Riesenmacht der Gewerkschaften. Und doch, was ist aus der deutschen Republik geworden? Was ist uns noch geblieben?Weshalb ist alles so verflogen und verweht? Weshalb müssen wir uns heute so bemühen, das Letzte noch zu retten? Die Form der Republik und die Farben der Republik? Keine Rede mehr vom Geist der Republik?“
Eingeweihter der Putsch-Pläne Stauffenbergs
Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler verüben Nazis in Lübeck einen Mordanschlag auf Julius Leber. Er wird verletzt, sein „Leibwächter“ Willi Rath ersticht einen Angreifer. Leber wird unter Missachtung seiner Immunität als Reichstagsabgeordneter verhaftet. Gewogene Richter verurteilen Julius Leber als „geistigen Urheber“ zu 18 Monaten Gefängnis. Von 1935 bis 1937 wird Leber in den KZ Esterwegen und Sachsenhausen interniert.
Nach seiner Freilassung tritt Julius Leber tarnungshalber als Teilhaber in eine Kohlenhandlung in Berlin-Schöneberg ein. Er nimmt Kontakt zu Mitgliedern des „Kreisauer Kreises“ auf, freundet sich mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg an und wird in die Putschpläne eingeweiht, in denen er als designierter Innenminister eine tragende Rolle spielt. Gemeinsam mit Adolf Reichwein verständigt sich Leber auch mit der kommunistisch orientierten „Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe“, was ihm zum Verhängnis wird, denn die Nazis haben einen Spitzel in die Gruppe eingeschleust.
Sein ganzes Leben war Tat
Am 5. Juli 1944 wird Julius Leber verhaftet und in der Gestapo-Haft schwer misshandelt, aber die Nazis können ihn nicht brechen, auch nicht mit der Geiselhaft für seine Frau Annedore und die beiden Kinder. Selbst seinen letzten Gang zum Schafott in Plötzensee tritt Julius Leber am 5. Januar 1945 mit aufrechtem Haupt an.
Julius Lebers „Vermächtnis“ stammt von seinem Freund und Kampfgenossen Gustav Dahrendorf: „Die entscheidende Antwort auf die eigene Frage nach dem positiven Ziel hat Julius Leber durch die Tat gegeben, die Tat als politischer Mensch, die er mit dem Tod besiegelt hat. Sein ganzes Leben war Tat. Getrieben aus innersten sittlichen Kräften, lebendiger Wille dazu, so stand er zu allen Zeiten im Leben: Als Soldat, als Politiker, als Mensch.“