Geschichte

„Ich, Eisner!“: 100 Jahre Novemberrevolution in Bayern

Am 7. November 1918 hat Kurt Eisner die bayerische Republik ausgerufen. Das Projekt „Ich, Eisner!“ erweckt seine Stimme nun bei WhatsApp und Instagram wieder zum Leben. Wie Geschichte auch ohne dicke Bücher erfahrbar ist.
von Katharina Korn · 24. Oktober 2018
„Ich, Eisner!“-Projekt vom BR
„Ich, Eisner!“-Projekt vom BR

Mit den Worten „Die Dynastie Wittelsbach ist abgesetzt! Bayern ist fortan ein Freistaat!“ rief Kurt Eisner vor 100 Jahren die bayerische Republik aus und wurde damit zu Bayerns erstem Ministerpräsidenten. Sein Kampf für das Ende des Ersten Weltkriegs, die Demokratisierung des Deutschen Kaiserreichs und eine egalitäre Gesellschaft war kein leichter. Als zeitkritischer Journalist und Anführer des Munitionsarbeiteraufstands innerhalb der landesweiten Januarstreike wurde er zweimal verhaftet. Als das lang ersehnte Ende des Krieges nahte, wurde er als nominierter Spitzenkandidat der USPD am 14. Oktober 1918 frühzeitig aus seiner zweiten Haft entlassen.

In kurzen Happen am Smartphone

Von diesem Tag an dokumentiert das Projekt des Bayerischen Rundfunks „Ich, Eisner!“ den Verlauf der Novemberrevolution aus Eisners Perspektive in Echtzeit bis zum Tage seiner Beisetzung. Wenn man Kurt Eisner bei Whatsapp oder Instagram als Kontakt hinzufügt, erhält man täglich Text-, Sprach- oder Videonachrichten von ihm, in denen er das politische und gesellschafte Tagesgeschehen von Oktober 1918 bis Februar 1919 in München beobachtet. Die Nachrichten sind zwar fiktiv, basieren aber auf historischen Recherchen und orientieren sich eng an Originaltexten wie Zeitzeugenberichten, Protokollen sowie an Eisners eigenen Reden. Das originale Bildmaterial aus der Zeit stammt aus Archiven wie etwa der Bayerischen Staatsbibliothek oder dem Stadtarchiv München, teilte Projektleiter Matthias Leitner dem Bayerischen Rundfunk mit.

So wird Geschichte erfahrbar gemacht – und zwar nicht über dicke eingestaubte Bücher oder Fernsehdokumentationen, sondern „jeden Tag ein Stückchen über das Smartphone“, sagt einer der Eisner-Autoren Markus Otto Köbnik.

„Mit dem alten Besteck kommt man im Digitalen nicht weiter“, wenn man Nähe zum Publikum suggerieren will, so Leitner. Man muss eben eng an einer Person dran bleiben, um die Ereignisse hautnah erlebbar zu machen. „Zumal wir dann ja zwischen Chats mit der Familien-Gruppe und Nachrichten von Freunden beim Nutzer auf dem Handy erscheinen“, erklärt Projektmanagerin für Digitale Entwicklung und Social Media des BR Eva Deinert. Vor allem Schüler, die die Zeit um 1918 gerade im Geschichtsunterricht behandeln, nutzen das innovative Messenger-Projekt, das am Mittwoch auf den Medientagen in München vorgestellt wurde.

Bezug zur Gegenwart

Auch 100 Jahre nachdem er in Bayern das Ende der Monarchie verkündet hat ist Kurt Eisner heute noch eine historisch interessante Person – und das nicht nur, weil er einer der wichtigsten Akteure bei der Revolution vom 7. und 8. November war. Ihm wurde vorgeworfen, dass er als Literat keine Ahnung von Politik habe und bolschewistische Gesellschaftsmodelle propagiere. Von Nationalsozialisten wurde er als Vaterlandsverräter diffamiert. Hinzu kam, dass er als Jude antisemitischen Vorurteilen und Hassattacken ausgesetzt war, sagt der Historiker Bernhard Grau in einem Interview mit Bayern 2 radioWelt. In seinen Nachrichten reflektiert Eisner also über auch heute noch aktuelle Debatten – z.B. den richtigen Umgang mit Rechtspopulismus und Fake-News in Politik und Gesellschaft.

 

Autor*in
Katharina Korn

studiert Geschichte und Deutsche Literatur und war Praktikantin in der vorwärts-Redaktion von Oktober bis Dezember 2018.

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