Geschichte

Historikerin: „Einigen in der SPD-Spitze kam die Guillaume-Affäre gelegen.“

Am 24. April 1974 wurde der persönliche Referent von Bundeskanzler Willy Brandt, Günter Guillaume, als Spion der DDR verhaftet. Zwei Wochen später trat Brandt zurück. Wie es dazu kam und warum die Aktion für die DDR zu einem Eigentor wurde, erklärt die Historikerin Kristina Meyer.

von Dirk Bleicker und Kai Doering · 24. April 2024
„Die Guillaume-Affäre war letztlich nur der Anlass, aber nicht die Ursache für den Rücktritt“, sagt die Historikerin Kristina Meyer.

„Die Guillaume-Affäre war letztlich nur der Anlass, aber nicht die Ursache für den Rücktritt“, sagt die Historikerin Kristina Meyer.

Die Polizisten trafen den Spion im Morgenmantel an. Am Morgen des 24. April 1974 wurden Günter Guillaume und seine Frau Christel in ihrem Wohnhaus in Bonn verhaftet. Der Vorwurf: Spionage für die DDR. Das Brisante: Guillaume war persönlicher Referent des mächtigsten Mannes der Bundesrepublik, von Bundeskanzler Willy Brandt. Der wurde einige Stunden später am Flughafen nach der Rückkehr von einer Nordafrika-Reise über die Verhaftung der Guillaumes unterrichtet. Zwei Wochen später trat Brandt zurück.

„Nur der Anlass, aber nicht die Ursache für Brandts Rücktritt“

„Die Guillaume-Affäre war letztlich nur der Anlass, aber nicht die Ursache für den Rücktritt“, sagt die Historikerin Kristina Meyer. Schon vorher sei Brandt durch innen- wie außenpolitische Probleme stark geschwächt gewesen. „Einigen in der SPD-Spitze kam die Guillaume-Affäre gelegen“, so die Brandt-Kennerin und Sprecherin des SPD-Geschichtsforums im Video-Interview mit dem „vorwärts“.

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Brandt selbst hatte schon ein knappes Jahr vorher von der Spitzel-Tätigkeit seines engen Mitarbeiters erfahren, ihn auf Anraten des Verfassungsschutzes aber auf seinem Posten belassen, damit der Geheimdienst Beweise gegen Guillaume sammeln konnte. Guillaume begleitete die Familie Brandt 1973 sogar in den Familienurlaub in Norwegen. Ein Fehler, wie sich im Nachhinein zeigte.

„Ein Eigentor für die DDR“

Doch auch die DDR musste eine Schlappe einstecken. „Es war ganz bestimmt nicht das Ziel, Brandts Sturz herbeizuführen“, stellt Kristina Meyer klar. „Auf die erfolgreiche Fortsetzung der Entspannungs- und der Ostpolitik war man ja auch in Ost-Berlin angewiesen.“ Markus Wolf, der Leiter des Auslandsgeheimdienstes der DDR, habe deshalb später auch von einem „Eigentor für die DDR“ gesprochen.

Autor*in
Dirk Bleicker und Kai Doering

Dirk Bleicker kümmert sich um audiovisuelle Inhalte beim „vorwärts“. Kai Doering ist stellvertretender Chefredakteur des „vorwärts“.

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