Hildegard Wegscheider: SPD-Kämpferin für Frauenrechte
Sie gilt als Pionierin der Frauenbildung und des Frauenstudiums. Als als erste Frau legt Hildegard Wegscheider 1895 das preußische Abitur ab und wird erste Gasthörerin der Universität Halle, an der sie 1897 im Fach Geschichte promoviert. Dass bis dahin bereits ein steiniger Weg hinter ihr liegt, davon berichtet Maike Lechler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Denn nur mit der Unterstützung ihrer Mutter und Dank eines Stipendiums des Allgemeinen-Deutschen-Lehrerinnen-Vereins kann Wegscheider als junge Frau an der Universität in Zürich studieren, um sich auf das preußische Abitur vorzubereiten. In Zürich tritt sie auch der Sozialdemokratie bei. Zurück in Berlin lehnt der Dekan der Universität ihren Immatrikulationsantrag ab. Begründung: „Ein Student, der sich nicht besaufen kann, unmöglich“.
Von den Nazis zwangspensioniert
Wegscheider studiert in Halle und gründet im Anschluss an ihr Studium als Lehrerin gemeinsam mit Minna Cauer und dem Verein „Frauenwohl" die erste Schule für schulpflichtige Mädchen mit einem gymnasialen Unterricht, damit sie Abitur machen können. 1929 wird sie – ebenfalls als erste Frau – Leiterin der obersten preußischen Schulbehörde in Berlin-Brandenburg. Nur vier Jahre später wird sie von den Nationalsozialisten zwangspensioniert, denn als Frau und Sozialdemokratin sollte sie möglichst wenig Einfluss auf die Verwaltung haben.
Wegscheider setzt sich Zeit ihres Lebens für die Rechte verheirateter Frauen ein. Denn ihr selbst wird es nach ihrer Heirat mit Max Wegscheider immer wieder untersagt, beruflich tätig zu sein, was dann zu einer Scheidung führt. Inspiriert vom Buch August Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ hat sie bereits in jungen Jahren eine Vision: „Ich habe seitdem immer wieder von der wünschenswertesten Lebensform davon geträumt, Bürgermeisterin in einer mittleren Stadt zu werden, alles für die Jugend, für den Sport, aber auch für die Hausfrauen und für die arbeitenden Menschen so schön wie möglich einzurichten.“
Kampf für Frauenrechte und Bildung
Hildegard Wegscheider ist eine erfolgreiche sozialdemokratische Politikerin, die 1919 als eine der ersten in die Stadtverordnetenversammlung in Bonn gewählt wird und auch Abgeordnete im preußischen Landtag ist. Sie engagiert sich in Bonn und baut eine Trinkerfürsorge auf. Während des Zweiten Weltkrieges ermöglicht sie Treffen des Widerstands. Zeitlebens aber kämpft sie dafür, dass auch verheiratete Frauen einen Beruf ausüben können, Mädchen und Jungen gleiche Bildungschancen haben und Frauen und Männer gleich entlohnt werden. Am 5. September 1952 wird sie für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, als eine der ersten Frauen. Einige Monate später, am 4. April 1953, stirbt Hildegard Wegscheider 81-jährig in Berlin. Im September 2021 hat das Bundesfinanzministerium im Gedenken an den 150. Geburtstag von Hildegard Wegscheider eine Sonderbriefmarke im Wert von 95 Cent veröffentlicht.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.