Geschichte

50 Jahre Misstrauensvotum: „Unsere Hoffnung war Brandt“

Das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt war auch eine Entscheidung über die Ostpolitik. In der DDR fieberten die Menschen deshalb am 27. April 1972 mit. „Unsere Hoffnung war Brandt und nicht Ulbricht oder Honecker“, erinnert sich Wolfgang Thierse.
von Kai Doering · 27. April 2022
Wut auf Barzel und die CDU: Wolfgang Thierse erinnert sich, wie er das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt erlebte.
Wut auf Barzel und die CDU: Wolfgang Thierse erinnert sich, wie er das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt erlebte.

Als am 27. April 1972 im Bundestag das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt lief, fieberte Wolfgang Thierse in Berlin mit. Der spätere Präsident des Deutschen Bundestags arbeitete damals in der Hauptstadt der DDR. „Ich erinnere mich an meine Wut und meine Empörung über die CDU und über Barzel“, sagt Thierse rückblickend. Der Fraktionsvorsitzende der Union hatte das Misstrauensvotum gegen Brandt eingebracht, wollte bei dessen Niederlage selbst Kanzler werden.

„Die Ursache für diesen Antrag war der Streit um die Ostpolitik“, erklärt Brandt-Kenner Bernd Rother. Barzel und die CDU hätten die Ostverträge neu verhandeln wollen. Daran entzündete sich Widerstand auch in der westdeutschen Bevölkerung: bis zu 300.000 Menschen fanden sich zu spontanen Demonstrationen für Brandt und seine Ostpolitik zusammen.

„Selbst wenn Barzel an die Ostpolitik angeknüpft hätte, hätte er es nicht mit der gleichen Konsequenz und der gleichen Unterstützung tun können wie Brandt“, gibt Wolfgang Thierse zu bedenken. „Willy Brandt war zu dem Hoffnungsträger schlechthin geworden“ für die Verbesserung der deutsch-deutschen Beziehungen – in der Bundesrepublik wie in der DDR. „Unsere Hoffnung war Brandt und nicht Ulbricht oder Honecker.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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