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Wie das „Compact“-Magazin antisemitische Klischees bedient

Ein „glühender Antisemit“ ist der Journalist Jürgen Elsässer nicht – so lautet ein Urteil des Landesgerichts München aus dem Jahr 2014. Aber wie viel Antisemitismus steckt wirklich in Elsässers Zeitschrift „Compact“?
von Paul Starzmann · 9. September 2016
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Das gab richtig Ärger: Nach ihrem Auftritt in der 3sat-Sendung „Kulturzeit“ musste die Aktivistin und Autorin Jutta Ditfurth vor Gericht. Sie hatte im Fernsehen behauptet, der Journalist Jürgen Elsässer sei ein „glühender Antisemit“. Das wollte sich Elsässer nicht gefallen lassen, er zog vor Gericht und bekam Recht: Ditfurth darf ihre Aussage nicht wiederholen. Eins zu Null für Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins „Compact“ und Held vieler Verschwörungsideologen, AfD-Anhänger und Pegida-Fans.

Die vielen Facetten des Antisemitismus

In ihrem Buch „Im Feindbild vereint“ gehen Kevin Culina und Jonas Fedders nun der Frage nach, wie viel Antisemitismus in Jürgen Elsässers „Compact“-Magazin wirklich steckt. Dafür haben die beiden Autoren alle Ausgaben des Magazins, vom ersten Heft im Dezember 2010 bis zur März-Ausgabe 2015, auf „Formen und Ausdrucksweisen antisemitischer Ressentiments“ untersucht.

Der Hass auf Juden hat viele Facetten: vom christlichen Antijudaismus bis hin zum obsessiven Antizionismus. Fast immer spielt dabei „Verschwörungsdenken“ eine zentrale Rolle – wie Culina und Fedders zeigen, auch im „Compact“-Magazin: Deutschland unterliege einer „Fremdherrschaft“ heißt es da, es seien „Strippenzieher“ hinter den Kulissen am Werk – die „Bilderberger“, die „Israel-Lobby“, das „Lügenfernsehen“.

Antisemitische Codes

Auch wenn Juden nicht explizit erwähnt werden, so greife „Compact“ immer wieder Denkmuster auf, die der „Logik des Antisemitismus in ihrer spezifischen Argumentation strukturell ähneln“. Antiamerikanismus zähle genau so dazu wie „personalisierende und moralisierende Kapitalismuskritik“, die sich an die NS-Ideologie anlehne. Dabei arbeite die „Compact“-Redaktion oft mit antisemitischen Chiffren: „Ostküste-Establishment“, „britisch-amerikanisches Kapital“, „Finanz-Vampirismus“.

In beinahe jeder Ausgabe werde „die bloße Existenz des jüdischen Staates attackiert“, heißt es bei Culina und Fedders. Mit sachlicher Kritik an der Regierungspolitik Israels habe das nicht mehr zu tun, finden die beiden Autoren. Die Grenze zum Antisemitismus sei weit überschritten: Der Staat Israel werde dämonisiert, sein Existenzrecht in Frage gestellt, nicht selten werde das Land mit dem Dritten Reich gleichgesetzt.

Der inszenierte Tabubruch

Die damit verbundene Verharmlosung der NS-Verbrechen münde bei „Compact“ oft in den sogenannten sekundären Antisemitismus: Die Zeitschrift unterstelle, „die Juden“ zögen heutzutage einen „Nutzen“ aus der Shoah – Entschädigungszahlungen würden angeblich zu Unrecht bezahlt, es gebe eine „Holocaust-Industrie“, von der Juden bis heute profitierten. Die deutsche Vergangenheit werde andauernd „instrumentalisiert“, in Deutschland drohe überall die „Antisemitismus-Keule“, so die Klage von „Compact“.

Die Macher der Zeitschrift inszenierten sich so als mutige Verfechter der Meinungsfreiheit, analysieren Culina und Fedders. Kein Wunder, dass Jürgen Elsässers Magazin gut ankommt bei AfD, Pegida und Co.

Querfront: „Verkürzte Kapitalismuskritik“

Vor allem aber die sogenannten Friedensmahnwachen schlügen durch „verkürzte Kapitalismuskritik“ und „die vereinfachte Gegenüberstellung von Gut und Böse“ heute in die selbe Kerbe wie „Compact“, so Culina und Fedders. Der „kleinste gemeinsame Nenner“ der neuen „Querfront“ aus linken und rechten Verschwörungsideologen seien die verschiedenen Formen des modernen Antisemitismus, betonen die beiden Autoren. Ob „glühend“ oder nicht: Auch der „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer war in der Vergangenheit bei den „Mahnwachen für den Frieden“ immer ein gern gesehener Gast.

Kevin Culina und Jonas Fedders: Im Feindbild vereint. Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact. Edition assemblage, 96 Seiten, 9,80 Euro.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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