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„Reichsbürger“: Zwischen Geschäft und Gewalt

Seit längerem haben die Behörden Probleme mit rechten Verschwörungstheoretikern – nun hat ein „Reichsbürger“ sogar einen Polizisten getötet. Was hilft im Kampf gegen die gefährliche Bewegung?
von Paul Starzmann · 20. Oktober 2016
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Mit ihren Fantasie-Uniformen und selbstgebastelten Ausweisen kommen sie daher wie ein Haufen esoterischer Spinner: Doch harmlos sind die selbsternannten „Reichsbürger“ keineswegs. Sie weigern sich, die Existenz der Bundesrepublik anzuerkennen, zahlen keine Steuern und versuchen, auf der Basis kruder Verschwörungstheorien den Rechtsstaat zu untergraben.

Der Fall eines getöteten Polizisten aus Franken zeigt nun, dass die „Reichsbürger“ auch vor massiver Gewalt nicht zurückschrecken. Der Beamte wurde am Mittwoch mutmaßlich Opfer eines „Reichsbürgers“, der in seinem Haus im fränkischen Georgensgmünd rund 30 Schusswaffen lagerte. Als die Polizei die Waffen beschlagnahmen wollte, eröffnete der mutmaßliche Täter das Feuer auf die Beamten. Die Bilanz: Ein toter und drei verletzte Polizisten.

Bayern-SPD fordert hartes Durchgreifen

Die bayerische SPD zählte zu den ersten, die nach dem Vorfall am Donnerstag Konsequenzen forderten: Die einzige Antwort könne ein „hartes Durchgreifen des Staates“ sein, erklärte Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag. Sein Appell: „Null Toleranz für Reichsbürger“.

Die bayerische Staatsregierung aber verharmlose die „Reichsbürgerbewegung“ als „polizeiliches und psychiatrisches Problem“, kritisierte der SPD-Abgeordnete Florian Ritter. „Das Innenministerium darf nicht weiter auf dem rechten Auge blind sein“, ergänzte er. Seine Forderung: Der bayerische Verfassungsschutz müsse die obskure Szene endlich ins Visier nehmen.

Mit „Wortklamauk“ gegen die Behörden

Für viele Kommunalverwaltungen sind die „Reichsbürger“ seit längerem ein Problem. In einigen Ämtern in Brandenburg etwa gebe es inzwischen „viele Meter Akten“ mit Korrespondenz von „Reichsbürgern“, heißt es in einer Handreichung des „Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung“. In endlosen Briefen schimpften und klagten die „Reichsbürger“ gegen die Behörden – manche drohten sogar mit dem Tod. Ihr Ziel sei, mit „Wortklamauk“ in den Amtsstuben „einen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand zu veranlassen“ – in der Hoffnung, von Finanzamt, Führerscheinstelle oder Jobcenter in Ruhe gelassen zu werden, wie die Autoren Christa Caspar und Reinhard Neubauer erklären.

Die „Reichsbürger“ sind alles andere als eine homogene Gruppe. Was sie jedoch eint, ist die Vorstellung vom Forbestand des Deutschen Reichs und ihre Ablehnung des Rechtsstaats. Sie glauben, die Bundesrepublik sei nichts anderes als eine „GmbH“, gesteuert von Amerika und geheimen Strippenziehern – eine Wahnvorstellung, der auch der Sänger Xavier Naidoo anhängt. Viele in der Szene können wohl als Verwirrte eingestuft werden, andere sind klassische Rechtsextremisten, denen die antisemitischen Verschwörungstheorien der „Reichsbürger“ zusagen.

Betrug, Geschäft, Gewalt

Wiederum andere wittern ein Geschäft, wie etwa Peter Fitzek, der seit Donnerstag in Halle vor Gericht steht. Er hatte sich vor einigen Jahren zum „König von Deutschland“ ernannt und kurzerhand eine eigene Bank gegründet. Die Wahnsinnsidee vom eigenen Staat fand schnell Anhänger, die Fitzek wohl auch ihr Erspartes anvertrauten. Insgesamt 1,3 Millionen Euro soll der gelernte Koch laut Staatsanwaltschaft veruntreut haben.

Auch handgreiflich ist Fitzek schon geworden: Im Jahr 2010 verletzte er eine Mitarbeiterin im Rathaus von Wittenberg. In Sachsen wiederum sorgte 2013 eine rechtextreme Bürgerwehr namens „Deutsche Polizeihilfswerk“ für Schlagzeilen, als ihre Mitglieder einen Gerichtsvollzieher umstellten, ihn bedrängten und fesselten. Mittlerweile gibt es im Internet unzählige Videos, die Auseinandersetzungen zwischen „Reichsbürgern“ und Behördenvertretern dokumentieren.

Strategien gegen den Wahnsinn

Jenseits der Amtsstuben scheint der engagierte Kampf gegen Rechts das effektivste Mittel, um die gefährliche „Reichsbürgerbewegung“ einzudämmen. Ihr Geschichtsrevisionismus zeigt deutlich, wie fest zumindest Teile dieser Szene im Rechtsextremismus verankert sind. Wie das „Bündnis Nazistopp Nürnberg“ in einer Pressemitteilung erklärt, gilt das wohl auch für den mutmaßlichen Täter aus dem fränkischen Georgensgmünd: Dieser soll über Facebook enge Kontakte zum Nürnberger Ableger von Pegida unterhalten haben.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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