BNR

Georg Maier: Unsere Strategie gegen Rechtsextremismus zeigt Wirkung.

Georg Maier blickt als Innenminister von Thüringen auf einige Erfolge im Kampf gegen Rechts. Der SPD-Landesvorsitzende will den Unterschied zur AfD deutlich machen und so die nächste Landesregierung im Freistaat anführen.
von Jonas Jordan · 20. Juni 2022
Georg Maier ist Innenminister und SPD-Landesvorsitzender in Thüringen.
Georg Maier ist Innenminister und SPD-Landesvorsitzender in Thüringen.

Anfang Juni hat Nancy Faeser den neuen Bundesverfassungsschutzbericht vorgestellt und erneut den Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland benannt. Sehen Sie das auch so?

Georg Maier: Ja, das sehe ich schon länger so. Als ich 2017 neu ins Amt kam, spielte das Thema Rechtsextremismus bei der Innenministerkonferenz kaum eine Rolle. Das hat sich jetzt geändert. Deshalb bin ich Nancy sehr dankbar, dass sie das so deutlich formuliert hat. Denn das Problem ist in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern leider größer geworden. Nicht nur hier in Thüringen, sondern bundesweit. Ich erinnere an die Terrorattacken in Hanau und Halle, Walter Lübcke wurde ermordet. Das sind Sachverhalte, die endlich auch bei den Unionsministern haben aufhorchen lassen. Wir gehen jetzt gemeinsam gegen Rechtsextremismus vor.

Im vergangenen Jahr hat die Zahl politisch motivierter Straftaten mit 2.800 Fällen in Thüringen einen neuen Höchststand erreicht, zwei Drittel davon von rechts. Warum ist Thüringen so ein Hotspot mit Blick auf Rechtsextremismus?

Zu den Zahlen erst einmal vorab: Die hohe Zahl resultiert aus dem Umstand, dass letztes Jahr eine Reihe von Wahlen stattfand und die gesellschaftliche Lage insgesamt sehr angespannt ist. Aber eines möchte ich herausstellen: Seit den 90er-Jahren sind hier leider immer wieder Strukturen gewachsen. Rechtsextremisten haben Immobilien erworben, betreiben Gasthäuser, sind aktiv im Kampfsport. Das Phänomen Rechtsrock ist in Thüringen besonders ausgeprägt. Wir haben auch Bezüge zur organisierten Kriminalität. Der NSU war in Thüringen aktiv. Deswegen ist es hier eine besondere Herausforderung, aber wir sind gut vorangekommen, um Rechtsextremismus zurückzudrängen.

Mit welchen Maßnahmen?

Kurz bevor ich ins Amt kam, gab es im Sommer 2017 in Thüringen das größte Rechtsrockkonzert der Geschichte mit über 6.000 Nazis, die ‚Sieg Heil‘ gerufen haben. Das war ein so bedrückendes Ereignis, dass für mich klar war, ich muss das zur Chefsache machen und mit aller Kraft dagegen vorgehen. Durch ein geschicktes Agieren von zivilgesellschaftlichen Akteuren und dem Innenministerium haben wir koordiniert große Rechtsrockkonzerte zurückdrängen können.

Es gibt Beobachtungen, wonach einige szenebekannte, rechte Musiker nach Thüringen gezogen sind. Droht nun nach Corona wieder ein rechter Festivalsommer?

Wir müssen da ansetzen, wo wir 2020 aufgehört haben. Wir haben Strukturen geschaffen, im Innenministerium eine Task-Force eingerichtet, die Kommunen berät, wenn es solche Anmeldungen gibt. Das Perfide ist ja: Rechtsrockkonzerte werden immer als Versammlungen angemeldet und genießen den Schutz des Versammlungsrechts. Da muss man sehr klug vorgehen. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es auch in Zukunft schaffen, diese Rechtsrockkonzerte klein zu halten oder sogar zu verhindern. Momentan sehen wir auch noch keine Aktivitäten großer Natur.

Welche Strategien verfolgen Sie darüber hinaus zur Bekämpfung des Rechtsextremismus?

Es gibt in Thüringen die Turonen, das sind Rechtsextremisten, die auch im Bereich organisierte Kriminalität unterwegs waren, sprich Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution. Die meisten dieser Rechtsextremisten sitzen inzwischen in Haft. Wir haben diesen Strukturen schwer zugesetzt. Das hat in der rechtsextremen Szene in Thüringen gewirkt. Der Generalbundesanwalt hat zusammen mit den unseren Behörden in Eisenach weitere Maßnahmen gegen rechte Gruppen wie die Atomwaffendivision, Combat18 oder Knockout51 durchgeführt. Auch da sind jetzt Leute in Haft gekommen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber in Thüringen ist klar geworden, dass sich im Kampf gegen Rechtsextremismus sehr viel verändert hat, seit die SPD das Innenministerium besetzt. Das Wegsehen der CDU über 25 Jahre hat ein Ende gefunden. Das spürt man in der Szene auch, aber gerade jüngst sind neue Herausforderungen durch Querdenker und Co. dazugekommen.

Wie schwierig ist es, gerade die Querdenkerszene im Blick zu behalten, die sich schwieriger einem spezifischen Spektrum zuordnen lässt?

In Thüringen sind Querdenker, Coronaleugner und Verschwörungsverbreiter sehr stark rechtsextremistisch orientiert. Eine Vielzahl der illegalen Coronademonstrationen wurde von Rechtsextremen organisiert. Es sind immer wieder Rechtsextreme an vorderster Front, die Gewalt ausüben. Besorgniserregend ist, dass viele ‚Normalos‘ keine Hemmungen haben, mit Rechtsextremisten auf die Straße zu gehen und teilweise gewalttätig zu werden.

Sie sind in Thüringen SPD-Landesvorsitzender und Innenminister. Die SPD war bei der Bundestagswahl sehr erfolgreich. Gleichzeitig war Thüringen das einzige Bundesland, in dem die unter Björn Höcke rechtsextrem ausgerichtete AfD Stimmen dazu gewonnen hat und stärkste Kraft wurde. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind als SPD ganz knapp hinter der AfD zweitstärkste Kraft geworden. Eigentlich sollte zeitgleich zur Bundestagswahl auch der Landtag neu gewählt werden. Wenn das so gekommen wäre, wäre die Chance sehr groß gewesen, dass wir die nächste Landesregierung angeführt hätten. Deswegen spielen bei der nächsten Landtagswahl auf Sieg. Das wird viel Arbeit und vor allem eine Auseinandersetzung mit der AfD. Denn die AfD ist hier besonders radikal. Die gesamte Partei ist hier der ‚Flügel‘, auch wenn der offiziell nicht mehr so heißt. Der Kopf der AfD ist Björn Höcke, der besonders radikale, extremistische Töne anschlägt. Deswegen wird die Thüringer AfD vom Verfassungsschutz beobachtet. Jetzt geht es darum, Menschen wieder zu gewinnen, damit sie nicht mehr der AfD ihre Stimme geben. Dafür will ich nicht den Argumenten der AfD hinterherrennen, sondern den Unterschied deutlich machen. Wir als SPD stehen für eine Politik, um die Herausforderungen des Landes zu bewältigen. Die sind riesengroß, der Strukturwandel, aber auch der demografische Wandel. Uns fehlen Arbeitskräfte. Wir müssen Thüringen so weltoffen gestalten, dass Menschen in größerer Zahl wieder zu uns ziehen wollen.

Noch mal zum Kampf gegen Rechts und insbesondere zum Engagement der Zivilgesellschaft: Im ostsächsischen Ostritz haben Bürger 2019 vor einem Rechtsrock-Festival die Biervorräte eines örtlichen Supermarktes aufgekauft. Braucht es mehr solch kreativen Protest aus der Zivilgesellschaft?

Das ist ganz wichtig. Denn Rechtsextremismus kann man nicht alleine von staatlicher Seite bekämpfen. Zivilgesellschaftliche Bündnisse spielen daher eine ganz große Rolle. Ich freue mich sehr, dass wir in Thüringen zahlreiche dieser Bündnisse haben, die ähnlich kreativ sind. In Themar gibt es das Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit, bei dem mit Thomas Jakob ein Sozialdemokrat eine maßgebliche Rolle spielt. Hier wird super kreativ umgegangen, um die Leute erst mal auf das Problem aufmerksam zu machen. Wichtig ist, dass Strukturen geschaffen und die Bündnisse dauerhaft unterstützt werden, damit wir auch Immobilien erwerben oder anmieten können. Denn auch die Demokratie muss Netzwerke knüpfen. Die müssen gestärkt werden. Deswegen steht auch für Thüringen ein Demokratiefördergesetz ganz oben auf der Tagesordnung, wenn wir die Wahl in zwei Jahren gewinnen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare