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Autoritarismus-Studie: Jeder Zehnte wünscht sich einen Führer

Viele Deutsche neigen zu autoritären Einstellungen. Das zeigt eine Studie der Universität Leipzig. Die Muslimfeindlichkeit habe weiter zugenommen, stellen die Autoren fest. Und: Eine Mehrheit der Befragten halte es für sinnlos, sich politisch zu engagieren.
von Carl-Friedrich Höck · 8. November 2018
Blick auf den Plenarsaal
Blick auf den Plenarsaal

Demokratie lebt von Demokraten. Doch wie denkt die Bevölkerung in Deutschland über demokratische Werte und ihre Institutionen? Das fragen Forscher aus Leipzig seit 2002 regelmäßig ab. An diesem Mittwoch wurden die Ergebnisse der neuesten Erhebung präsentiert.

Jeder Zehnte wünscht sich einen Führer

Die Autoren unter der Leitung von Oliver Decker und Elmar Brähler haben 2.416 Menschen nach ihren Einstellungen befragt. Die Studie „Flucht ins Autoritäre – Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft“ wurde von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sowie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung unterstützt.

Ein Ergebnis: Rechtsextreme Denkmuster sind nach wie vor weit verbreitet. 11 Prozent der Befragten wünschen sich eine „Führer“ und 19 Prozent eine „einzige starke Partei“. Weitere 24 Prozent antworteten mit „teils/teils“, sind diesen Optionen also nicht gänzlich abgeneigt.

Hinzu kommt laut den Forschern ein ausgeprägter Chauvinismus. Rund ein Drittel der Befragten forderte ein „starkes Nationalgefühl“ und ein „hartes Durchsetzen deutscher Interessen“. Ein weiteres Drittel schloss sich diesem Wunsch zumindest teilweise an.

Mehrheit fühlt sich „fremd im eigenen Land”

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung ist Ausländerfeindlichkeit. „Die Muslimfeindlichkeit ist weiter gestiegen“, heißt es in der Studie. 44 Prozent der Befragten stimmten der Forderung zu, Muslimen die Einwanderung nach Deutschland zu untersagen. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als 2014. Die Aussage, man fühle sich angesichts der Muslime „wie ein Fremder im eigenen Land“, ist sogar mehrheitsfähig geworden. 56 Prozent stimmten zu – im Westen wie im Osten.

Ebenfalls weit verbreitet sind Vorurteile gegenüber Sinti und Roma sowie Juden. „Am stärksten jedoch wird die Gruppe der Asylbewerberinnen und Asylbewerber abgewertet“, schreiben die Verfasser der Studie. 79 Prozent sind der Ansicht, dass Asylanträge ohne Großzügigkeit geprüft werden sollten. 61 Prozent gehen davon aus, dass die meisten Asylbewerber im Heimatland keine Verfolgung zu befürchten hätten.

Viele Deutsche verweigern eine klare Aussage

Wichtig ist den Autoren zu betonen, dass jeweils 20 bis 40 Prozent der Befragten mit „teils-teils“ antworten, wenn sie nach autoritären oder menschenfeindlichen Einstellungen befragt werden. Die Forscher interpretieren das als latente Zustimmung: Diese Befragten stünden nicht klar zu demokratischen Werten. Gelegentlich dürfte der Grund aber auch in den Fragen selbst liegen. Ein Beispiel: Die Interviewten sollten sagen, ob sie folgender Aussage zustimmen: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“

30 Prozent lehnten diesen Satz nur teilweise ab. Das wirft die Frage auf, ob eine derart pauschale Frage sich pauschal beantworten lässt. Denn Einzelfälle, in denen Zuwanderer den Sozialstaat missbrauchen – etwa indem sie Leistungen unter verschiedenen Namen mehrfach beantragen – gibt es ja tatsächlich. Das könnten einige im Sinn gehabt haben, als sie sich für die nur teilweise Ablehnung des Satzes entschieden haben. Dies ändert natürlich nichts daran, dass die abgefragte Aussage – „die Ausländer“ würden das tun – im Kern Unsinn ist.

Als sie nach der Demokratie fragten, haben die Forscher zwiespältige Antworten erhalten. Einerseits plädierten 93 Prozent der Befragten für die Demokratie als Idee. Zur demokratischen Ordnung der Bundesrepublik wollten sich immerhin noch 77 Prozent bekennen. Mit der „Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“, zeigten sich nur noch 53 Prozent der Befragten zufrieden.

Manche sagen „alle” und meinen sich selbst

Ein Grund ist offenbar, dass viele Menschen das Gefühl haben, nicht genügend mitbestimmen zu können. 70 Prozent der Bürger sind der Meinung: „Leute wie ich haben sowieso keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut.“ Und 58 Prozent halten es für sinnlos, sich politisch zu engagieren.

Die Leipziger Forscher vermuten, dass die Demokratie zwar als abstrakte Idee populär ist. Wenn es aber konkret werde, gingen die Vorstellungen, was darunter zu verstehen ist, weit auseinander. Geradezu doppelzüngig antworteten viele Deutsche, als sie nach Gleichberechtigung gefragt wurden. Einerseits forderten rund 80 Prozent der Befragten gleiche Rechte für alle. Andererseits sah aber eine Mehrheit von 54 Prozent kein Problem darin, dass der Staat die Rechte mancher Gruppen einschränkt. Die Forscher deuten diesen Widerspruch so, dass ein Teil der Befragten in Wahrheit nur an die eigene Gruppe denkt, wenn er gleiches Recht für alle fordert. Rechte einzuschränken sei also in Ordnung, solange es andere trifft.

Der Text erschien zunächst auf demo-online.de.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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