Geschichte

Zwischen Propaganda und Terror

von Theo Meier-Ewert · 30. August 2010
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Die Ausstellung in dem Graben entlang der freigelegten Kellermauern an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße ist chronologisch und sachthematisch in fünf farblich unterschiedene Kapitel gegliedert: Berlin am Ende der Weimarer Republik, Beginn der NS-Diktatur, Kriegsjahre 1939 - 1945 und Folgen der NS-Herrschaft. Bilder und Texte werden als lineares Band unter einem Glasdach auf 72 gläsernen Tafeln präsentiert. 11 Medienstationen mit Hör- und Filmbeispielen unterstreichen den betont nüchternen Charakter. Transparenz ist der leitender Gedanke für die gesamte Neugestaltung des Dokumentationszentrums.

Sie erlaubt jederzeit den Blick auf das Ganze, hier also aus der Ausstellung auf die Ausgrabungsreste des Gestapogebäudes und den dahinter stehenden Teil der Berliner Mauer gegenüber dem einstigen Reichsluftfahrtministerium an der Niederkirchnerstraße. Ursachen und Auswirkungen einer "Vergangenheit, die nicht vergehen will" korrespondieren miteinander, werden unmittelbar anschaulich: Auch Steine können also miteinander in Beziehung gebracht und damit aussagekräftig werden.

Sehr genau und einprägsam wird das NS-Ideal der rassenideologisch definierten Volksgemeinschaft herausgearbeitet. Die "arische" Familie wurde mit Ehestandsdarlehen, Kinderzulagen, Steuervergünstigungen und Eigenheimbeihilfen gefördert. Feste und Feiern, Inszenierungen aller Art, vom Eintopfsonntag bis zur Olympiade 1936, stifteten Gemeinschaft und förderten das Gefühl der nationalen Überlegenheit. Dies war Voraussetzung für die bereitwillige Unterstützung der auf die Gewinnung von Lebensraum ausgerichteten Kriegspolitik Hitlers. Sie fand ihren Höhepunkt in der von Albert Speer seit 1937 vorangetriebenen Umgestaltung Berlins zur "Welthauptstadt Germania", die bis 1950 beendet sein sollte. Da sah Berlin freilich ganz anders aus als geplant.

Wer dem politischen und rassischen Ideal nicht entsprach, wurde ausgegrenzt, boykottiert, verfolgt, deportiert und schließlich ermordet. Auch diesen Prozeß zeichnet die Ausstellung ausführlich nach und verdeutlicht ihn immer wieder an Einzelschicksalen. Zugleich werden auch Handlungsspielräume gezeigt, die sich dem Einzelnen eröffneten. Sie reichen von der anonymen Denunziation durch Hausbewohner bis zur Solidaritätsadresse von Bewohnern einer Kleingärtnerkolonie. Diese wenden sich Ende 1943 mit einer Unterschriftenaktion an die "Dienststelle für Zigeunerfragen" gegen die beabsichtigte Deportation von Mitbewohnern nach Auschwitz: "Wir... können über Familie Krause keine Klage führen."

Wieder einmal wird offenbar, daß die Ausgrenzung und Verfemung Mißliebiger von Anfang an wirksam wurde und im Alltag, vor aller Augen und in aller Öffentlichkeit, stattfand. Ganze Zeitungsseiten mit Versteigerungsanzeigen von nichtarischem" Besitz sind ein Indiz dafür, und selbst Gesellschaftsspiele wie das Würfelspiel "Juden raus" stellen sich in den Dienst der Rassenpolitik: "Gelingt es Dir, sechs Juden rauszujagen, so bist Du Sieger ohne zu fragen."

Der Krieg war für die Berliner zunächst kaum spürbar. Das erste zerbombte Haus war 1940 noch ein Ausflugsziel. Doch dann wurde die Stadt als Zentrale des NS-Terrors zum wichtigsten Ziel des strategischen Bombenkrieges der Alliierten. Ende 1943 begann die "Schlacht um Berlin"; der Bombenkrieg wurde Alltag. Mindestens 20.000 Berliner kamen bei weit über 300 Luftangriffen ums Leben. "Die Reichshauptstadt wird bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone verteidigt" lautete der maßgebliche Verteidigungsbefehl der Führung vom 9. März 1945. Am 2. Mai erfolgte die Kapitulation; "berlin, der schutthaufen bei potsdam", notierte Bertolt Brecht am 27. Oktober 1948 nach seiner Rückkehr aus dem erzwungenen Exil. Der vorzügliche Katalog enthält die Texte und Bilder der Ausstellung, außerdem acht vertiefende Essays.


Berlin 1933-1945. Zwischen Propaganda und Terror
Ein Begleitkatalog zur gleichnamigen Ausstellung. Nicht enthalten sind die Sonderelemente "Adressen der Macht 1936" und "Die nationalsozialistischen Fest- und Feiertage 1937", hg. v. Stiftung Topographie des Terrors, vertreten durch Andreas Nachama, Berlin 2010, 264 S., ISBN 978-3-941772-02-1, 10 Euro

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