Geschichte

Zwei Sozialdemokraten für die Republik: Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann

Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann sind die führenden Köpfe der Revolution. Sie setzen die Demokratie durch. Während Ebert als konservativer Sozialdemokrat gilt, liebt Scheidemann Provokationen und theatralische Auftritte.
von Renate Faerber-Husemann · 5. November 2018
Demonstranten in Berlin unterstützen Ebert und Scheidemann
Demonstranten in Berlin unterstützen Ebert und Scheidemann

Die Revolution vom 9. November 1918 hat lange Zeit keinen sonderlich guten Ruf bei den Deutschen. Viele sehen in der Ausrufung der Republik und damit dem Ende des Kaiserreichs die Wurzeln für Hitlers Aufstieg. Doch damit tut man der ersten demokratischen Republik unrecht: Die Menschen hören im November 1918 auf, Untertanen zu sein. Sie fordern demokratische Rechte. Kaiser Wilhelm II. und seine Regierung haben sie ins Unglück geritten – und nun soll alles so weitergehen wie bisher? Dagegen wird demonstriert, von Kiel über Berlin bis München.

Zwei Sozialdemokraten stehen an der Spitze der Bewegung: Friedrich Ebert, Vorsitzender der SPD seit 1913 und von der Weimarer Nationalversammlung am 11. Februar 1919 zum ersten Reichspräsidenten gewählt. Und Philipp Scheidemann, der seit 1917 neben Ebert SPD-Vorsitzender ist und 1919 erster Reichsministerpräsident wird.

Philipp Scheidemann ruft die Republik aus

Am 9. November 1918 endet die Herrschaft der Hohenzollern-Kaiser und der steinige Weg in eine demokratische Republik beginnt. Am Morgen dieses historischen Tages gibt der letzte kaiserliche Reichskanzler Max von Baden folgende Erklärung ab: „Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen.“ Der flieht ins holländische Exil. So unspektakulär endet das Kaiserreich!

Das ist die Stunde der Sozialdemokraten Philipp Scheidemann ruft – ohne Absprache mit Ebert – von einem Balkon des Reichstagsgebäudes die Republik aus. Seine Erklärung für dieses mit der Partei nicht abgestimmte Vorpreschen: Er will Karl Liebknecht, dem Anführer der Marxisten, zuvorkommen, der an diesem Tag vor dem Berliner Schloss die „freie sozialistische Republik“ ausruft, gemeint ist die Räterepublik nach sowjetischem Vorbild. Zeit für lange Diskussionen sei deshalb nicht mehr gewesen.

„Der Militarismus ist erledigt!“

Über den Text seiner Rede kursieren verschiedene Versionen. Nach dem Stenogramm eines österreichischen Journalisten sagt Scheidemann: „Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt. Das alte Morsche ist zusammengebrochen. Der Militarismus ist erledigt! Die Hohenzollern haben abgedankt. Es lebe die deutsche Republik! Der Abgeordnete Ebert ist zum Reichskanzler ausgerufen worden. Ebert ist damit beauftragt worden, eine neue Regierung zusammenzustellen. Dieser Regierung werden alle sozialistischen Parteien angehören.“

Mit dem Wissen von heute klingen die letzten Sätze seiner kurzen Erklärung beunruhigend: „Sorgen Sie dafür, dass die neue deutsche Republik, die wir errichten werden, nicht durch irgend­etwas gefährdet werde. Es lebe die ­deutsche Republik!“

Friedrich Ebert setzt noch bis zur Abdankung des Kaisers auf eine parlamentarische Monarchie. Der damalige Reichskanzler Max von Baden zitiert ihn in seinen Erinnerungen so: „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich will sie aber nicht. Ich hasse sie wie die Sünde.“

Eberts früher Tod ist eine Tragödie

Ebert, der gemäßigte Mann des Ausgleichs, wird 1919 von der Weimarer Nationalversammlung zum ersten Reichspräsidenten gewählt und bleibt dies bis zu seinem frühen Tod mit 54 Jahren im Jahre 1925. Das ist mehr als eine private Tragödie. Denn sein Nachfolger wird der Monarchist Paul von Hindenburg, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt und damit das Land den Nazis ausliefert.

Philipp Scheidemann wird 1919 Reichsministerpräsident, tritt aber schon wenige Monate später zurück. Er wird Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Kassel und muss 1933 vor den Nazis ins Ausland fliehen. Er stirbt 1939 in Dänemark.

Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann sind die wichtigsten Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung in der jungen Weimarer Demokratie. Obwohl von ähnlicher Herkunft, können sie unterschiedlicher kaum sein. Beide stammen aus Handwerkerfamilien, der Vater Scheidemanns ist Polsterer, der Vater Eberts Schneidermeister. Ebert wird Sattler, Scheidemann Schriftsetzer und Buchdrucker. Beide arbeiten zeitweise als Journalisten.

Ebert ist tief in der Gewerkschaftsbewegung verwurzelt. Ihm liegt in erster ­Linie eine Sozialpolitik am Herzen, die das armselige Leben der Arbeiter und ihrer Familien verbessern soll. Das treibt ihn an, bis zu seinem frühen Tod.

Scheidemann liebt Provokationen und theatralische Auftritte

Er ist kein Intellektueller, er ist ein schlechter Redner und wird deshalb in den Zeitungen immer wieder verspottet. Er ist ein redlicher Mann, staatsgläubig, ein konservativer Sozialdemokrat, der sich nicht scheut, sowohl Aufstände von linken Sozialisten wie von rechten Putschisten mit Waffengewalt niederschlagen zu lassen. Die Macht des Reichspräsidenten ist groß, zu groß, befinden die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach dem 2. Weltkrieg und formen deshalb ein überwiegend repräsentatives Amt.

Scheidemann ist im Vergleich zu Ebert ein Feuerkopf, ein mitreißender Redner, der Provokationen und theatralisches Auftreten liebt, ohne deshalb seine Grundüberzeugungen aufzugeben. Schon im Jahre 1912, da ist er gerade als erster Sozialdemokrat zum Vizepräsidenten des Reichstags gewählt, sorgt er für einen Eklat. Da er den Antrittsbesuch beim Kaiser verweigert, kann er das Amt nicht antreten.

Ähnlich ist das im Jahr 1919. Gerade erst zum Reichsministerpräsidenten gewählt, tritt er schon wieder zurück, weil er die Annahme des Versailler Vertrages verweigert. Er bleibt zwar bis 1933 Reichstagsabgeordneter, hat aber nie mehr ein Regierungsamt. Ohne den Tod Eberts und den Rücktritt Scheidemanns wäre die Geschichte der ersten demokratischen Republik in Deutschland vielleicht anders, glücklicher und erfolgreicher, verlaufen.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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