Zum Tod von Anke Fuchs: Die Menschensammlerin
Politik, und zwar sozialdemokratische, war für Anke Fuchs, die Tochter des einstigen Hamburger SPD- Bürgermeisters Paul Nevermann, so selbstverständlich wie atmen. Für Helmut Schmidt war sie die erste Frau, die er sich als Bundeskanzlerin vorstellen konnte. Nun ist sie mit 82 Jahren in ihrer Heimatstadt gestorben, betrauert von vielen Menschen, die Grund haben, ihr dankbar zu sein.
Immer die Bodenhaftung behalten
Sie war keine Politikerin der großen Worte, sie war eine Macherin in all ihren zahlreichen Ämtern: Für die SPD saß die Juristin 22 Jahre lang im Bundestag. Sie war während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts Frauen- und Gesundheitsministerin, später Vizeprädidentin des Bundestags und Bundesgeschäftsführerin der SPD. Viele Jahre lang war sie Präsidentin des Mieterbundes, acht Jahre lang war sie Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung und in diesem Amt weltweit unterwegs.
So zurückhaltend sie sein konnte – mit den sogenannten „einfachen Menschen“ kam sie überall ins Gespräch. Ob mit Arbeiterinnen in Afrika oder Fahrern in Afghanistan – immer wollte sie wissen, wie das Alltagsleben aussah, ob der Lohn ausreicht, ob die Kinder zur Schule gehen können. Und sie brachte die Menschen dazu, von sich zu erzählen. Diese Begabung half ihr dabei, in all ihren Ämtern die Bodenhaftung zu behalten.
Das Murren der Männer
Leicht hat sie es nicht gehabt. Als die junge Juristin, verheiratet mit Andreas Fuchs und Mutter von zwei kleinen Kindern in den Vorstand der IG Metall geholt wurde, da war das Murren der Männer unüberhörbar. Später konnte sie darüber lachen, wenn sie erzählte: „Was will diese junge Frau hier? Die soll sich um ihre Kinder kümmern.“ Sie hatte sogar Verständnis für diese Verunsicherung: „Das Ziel der Arbeiterbewegung war ja, dass der Mann so viel verdient, dass seine Frau zu Hause bei den Kindern bleiben kann.“
Ihr ganzes politisches Leben lang hat Anke Fuchs Frauenpolitik gemacht, hat Frauen nicht erst als Frauenministerin gezielt gefördert. Wie so viele Politikerinnen ihrer Generation war sie zunächst gegen Frauenquoten, ließ sich dann aber durch die Realität eines besseren belehren. Denn warum sollten Männer freiwillig auf Ämter und Würden verzichten? Schließlich war jeder attraktive Platz für eine Frau einer weniger für einen Mann. „Vor dem Quotenbeschluss der SPD nannte man uns 'Alibifrauen', danach 'Quotilde', aber wir mussten diesen Kampf einfach aufnehmen.“
Dieser Kampf spielte sich nicht nur in der Politik ab, wo es ja um Macht ging, die die Männer nicht gerne mit Frauen teilen wollten. Für die jungen Frauen von heute unvorstellbar war auch der private Widerstand. Obwohl ihr Mann Andreas mit großer Selbstverständlichkeit seinen Teil der Familienarbeit übernahm, gab es massive Kritik an dieser Arbeitsteilung: „Meine Mutter beschimpfte meinen Mann: „Du schickst meine Anke zur Arbeit.“
Niemand wusste Nachteiliges über sie zu sagen
Das Erstaunliche an der langen Karriere von Anke Fuchs im Beruf, in der Politik und im Ehrenamt war: Niemand wusste Nachteiliges über sie zu sagen. Bei offiziellen Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt sie stand, ging es immer etwas herzlicher zu als gewohnt. Da wurde ihre „burschikose Menschlichkeit“ gepriesen, ihre Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, Distanz zu überbrücken. „Von oben herab“, das konnte Anke Fuchs gar nicht.
Als sie ihr schönes Amt der Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung nach acht Jahren an ihren Nachfolger Peter Struck übergab, wünschte sie ihm und der Stiftung, was wohl ihr Lebensmotto war: „Menschen einsammeln in unserem Land, die ehrenamtlich für die Demokratie arbeiten wollen und ihnen dabei helfen, sinnvolle Basisarbeit zu tun. Und das gilt auch weltweit. Überall dort, wo es noch an Demokratie fehlt, sollten wir Menschen sammeln, damit sie sich engagieren.“
(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.