Geschichte

Wirtschaftsmacht und Buchkultur

von Dorle Gelbhaar · 14. Dezember 2009
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Christoph Links ist Verleger. Einer, der es aus eigener Kraft geschafft hat, dem Verlagssterben etwas entgegenzusetzen, einen neuen Verlag eben. Mehr als das noch: Der von ihm geführte Verlag hat seine Palette erweitert. Entgegen den Prophezeiungen der "Alteingesessenen", die ihm auf der Frankfurter Buchmesse vor 20 Jahren nur ein kurzes Gastspiel prophezeiten, prosperiert sein Unternehmen.
Wieso hat ausgerechnet er das Sterben der DDR-Verlage zu seinem Thema gemacht?

Verlagsliste
Zu tun hat das zweifellos mit dem sachlich-nüchternen Herangehen, das für den Stil seines Hauses prägend ist. Auf eine gediegene Materialbasis kommt es ihm an und das war von Anfang an so. In dem jetzt von ihm selbst vorgelegten Buch listet er penibel die 78 mit einer staatlichen Lizenz zum Druck versehenen Verlage der DDR auf, erklärt, was die jeweiligen Schwerpunkte der literarischen Produktion waren, welche wirtschaftliche Leistung mit wieviel Mitarbeitern erbracht wurden. Dabei räumt er z. B. mit der Mär auf, die DDR-Verlage wären Zuschussunternehmen gewesen.

Millionenbeträge erwirtschaftet
Er entkräftet nicht nur das Vorurteil, es hätte sich dabei um subventionierte Betriebe gehandelt. Er beweist sogar, dass das Gegenteil der Fall war. Hier wurden Millionenbeträge erwirtschaftet.
Links verdeutlicht allerdings auch die Marktvorteile der Verlage zu DDR-Zeiten. Die Bereiche waren abgesteckt, Konkurrenz kaum vorhanden. Die Nachfrage übertraf das Angebot. Bei West-Lizenzen wurden Links zufolge durchaus auch mehr Bücher, gedruckt, als dem schriftlichen Vertragswerk entsprachen. Das zog der Wende einige Gerichts-Prozesse nach sich.

Solides Handwerk
Der Autor selbst hat sich als Verlagsassistent beim Aufbau Verlag seine Sporen verdient. So verbinden sich in seinem Buch Innensicht und sorgsame Recherche. Die Solidität des buchmacherischen Handwerks kann er so überaus gut einschätzen. Ein großer Vorzug seines Textes ist es, dass Links auflistet, welche Leistungen DDR-Verlage erbracht haben, zugleich aber auch nicht verschweigt, welchem Druck sie dabei ausgesetzt waren. Schließlich mussten stets die nötigen Druckgenehmigungen seitens des Ministeriums für Kultur erlangt werden, sollten die jeweiligen Produkte den Markt erreichen.

Und wie kommt es, dass einer, der sich mit einem solchen Thema beschäftigt, so etwas wie Zuversicht zu verbreiten vermag? Es ist dies einfach der Tatsache geschuldet, dass erbrachte Leistungen in der Sichtung bedeutender Namen gewürdigt werden und dass im Kleinen immerhin sichtbar wird, wie in - wenigen kleinen -Verlagen solides Handwerk weiterlebt.

Dazu gehört übrigens auch, dass Links sich selbst eine wissenschaftliche Basis für sein Herangehen an die Verlagsarbeit unter den jetzigen Bedingungen der Verlagskonzentration geschaffen hat, indem er sich der Transformationswissenschaft zuwandte, die die Vorgänge untersucht, welche beim gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel nach 1989 auch die Entwicklung der Buchlandschaft prägten.

Interessant ist hierbei, dass Privatisierungswege nach 1989 für verschiedene Länder verglichen wurden. Vier grundsätzliche Varianten arbeitet Links heraus:
- die "Massenprivatisierung an viele Teilhaber über Bezugsscheine (Voucher) bzw.die Ausgabe von Aktien,
- direkte Unternehmensverkäufe an strategische Investoren,
- Veräußerung an Belegschaften und betriebliches Leitungspersonal (MBO - Management Buy-out),
- Reprivatisierung, d. h. die Rückübertragung von Unternehmensvermögen an die Alteigentümer, die nach der sozialistischen Machtübernahme enteignet worden waren", wobei in Ostdeutschland hiervon das zwischen 1945 und 1949 Enteignete rechtlich nicht einzubeziehen war.
Links stellt fest, dass in Ostdeutschland im Unterschied zu den Mischvarianten der anderen Länder die zweite Variante favorisiert wurde, deren besondere Problematik er in Tendenzen zu "Intransparenz, Korruptionsanfälligkeit und Marktverzerrung" sieht. Allerdings stellt er klar, dass hierzulande bei den Reformprozessen ein anderer Zeitdruck herrschte als anderswo.
Das vorliegende Buch basiert auf der Dissertation des Autors zu den genannten Prozessen auf dem Buchmarkt.

Dorle Gelbhaar

Christoph Links: "Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen", Ch. Links Verlag, Berlin 2009, 352 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-86153-523-2

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Autor*in
Dorle Gelbhaar

ist freie Autorin, Vorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftsteller im ver.di-Landesverband Berlin sowie stellvertretende Vorsitzende des Kulturwerks Berliner Schriftsteller e. V.

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