Am 23. Mai 1949 tritt das Grundgesetz in Kraft. Die SPD hat es ganz entscheidend mitgestaltet.
Die Aula der Pädagogischen Akademie in Bonn ist am 23. Mai 1949 festlich mit Blumen geschmückt. Dicht gedrängt sitzen die 65 Abgeordneten des Parlamentarischen Rats, die Regierungschefs der elf Länder, die Landtagspräsidenten, Vertreter der Westalliierten sowie Gäste aus Politik und Gesellschaft. Auf einem Tisch liegt das aufgeschlagene Grundgesetz, Füllfederhalter von Soennecken und das Tintenfass des Kölner Ratssilbers stehen bereit. Über dem Tisch hängt die neue schwarz-rot-goldene Fahne der Bundesrepublik Deutschland. Alles ist bereit zur Ausfertigung und Verkündung des Grundgesetzes. Als Erster unterzeichnet der Präsident des Parlamentarischen Rats, Konrad Adenauer, das Grundgesetz, es folgt der Erste Vizepräsident, der Sozialdemokrat Adolph Schönfelder.
Nach dem Präsidium unterschreiben die Abgeordneten, darunter 31 SPD-Mitglieder. Mit dabei sind auch die Verfassungsexperten der SPD Carlo Schmid, Walter Menzel und Elisabeth Selbert. Sie haben in den vergangenen Monaten hart um die Inhalte des Grundgesetzes gerungen. Dabei ging es nicht nur um die unterschiedlichen Auffassungen der im Parlamentarischen Rat vertretenen Parteien, sie hatten auch mit den verschiedenen Strömungen innerhalb der SPD zu kämpfen.
Zwei Strömungen in der SPD
Der Parteivorstand in Hannover unter Kurt Schumacher favorisierte einen dezentralisierten Einheitsstaat mit möglichst geringen föderalen Elementen. Das war die Position des Nürnberger Parteitags von 1947 und Walter Menzel vertrat sie dogmatisch. Die Pragmatiker in den Ländern sahen das jedoch anders. Sie kämpften, so wie Wilhelm Hoegner aus Bayern, für einen föderalen Staat. Eine vermittelnde Rolle nahm der brillante Carlo Schmid ein, der es innerparteilich und in den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat immer wieder schaffte, Gegensätze zu überwinden.
Am 1. September 1948 nahm der Parlamentarische Rat seine Arbeit auf. Einig waren sich die Parteien darin, einen demokratischen Staat in einem geeinten Europa aufbauen zu wollen. Sie sprachen sich alle für die Grundrechte und die Abschaffung der Todesstrafe aus. Sie wollten ein starkes Parlament, das vom Volk gewählt und nicht von den Ländern bestimmt wird. Volksabstimmungen wurden abgelehnt.
Heftig umstritten waren jedoch die Form der Länderkammer des heutigen Bundesrats und die Fragen der Finanzverwaltung. Letztlich ging es um die Macht der Länder. In Sachen zweiter Kammer des Parlaments sprach sich die SPD für ein Senatsprinzip aus, wonach die Landtage die Mitglieder der Länderkammer wählen. Dann arrangierte sie sich allerdings mit dem Bundesratsprinzip, nach dem die Landesregierungen die Mitglieder entsenden. Entscheidend für die SPD war, dass der Bundesrat lediglich ein Vetorecht bekam und eine Gleichberechtigung mit dem Bundestag verhindert wurde.
SPD setzte sich schließlich durch
Bei der Frage, wer die Steuern einzieht und verwaltet, kam es zu einem Kompromiss, einer gemischten Finanzverwaltung von Bund und Ländern mit Länderfinanzausgleich und Bundeszuschuss. Als die Westalliierten, die starke Länder wollten, sich gegen diese Regelung sperrten, blieb die SPD stur – und setzte sich durch.
Ebenfalls umstritten war die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Elisabeth Selbert mobilisierte nach Ablehnung ihrer Forderung im Parlamentarischen Rat die Öffentlichkeit. Sie setzte so durch, dass es in Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Am 8. Mai 1949 beschloss schließlich der Parlamentarische Rat mit 53 gegen 12 Stimmen – sechs davon kamen aus der CSU – das Grundgesetz. Am 12. Mai wurde es von den Westalliierten genehmigt. Danach stimmten alle Bundesländer zu bis auf Bayern, das die Geltung des Grundgesetzes dennoch akzeptierte. Der Unterzeichnung des Grundgesetzes stand nichts mehr im Weg.
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