Geschichte

Wiederbelebung einer Legende

von Bernhard Spring · 19. März 2010
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Ohne ihre unverwechselbare Frontfrau und "Stimme des Ostens" landete Silly auf dem musikalischen Abstellgleis, bis die Band um Hassbecker, Ritchie Barton (Keyboard) und Jäckie Reznicek (Bass) um 2004 durch kleinere Konzerte mit verschiedenen Gastauftritten wiederbelebt wurde. Weitere sechs Jahre später und damit insgesamt 14 Jahre nach dem letzten, noch von Danz mitgestalteten Silly-Album erscheint nun "Alles rot" - der gewagte Versuch, eine ostdeutsche Musiklegende wiederzubeleben.


Über die vermauerten Grenzen hinweg

Die Band Silly prägte seit ihrer Gründung 1978 und vor allem seit dem Beitritt von Danz im selben Jahr die Rockszene der DDR wie kaum eine andere Musikgruppe. Zwischen griffigen Hits wie "Die wilde Mathilde" und "Mont Klamott" fanden sich schon unter den frühen Aufnahmen rauchige Balladen, die ganz von der Stimmengewalt Tamara Danz' lebten. "Bataillon d'Amour", "Vollmond" und "Ein Lied für die Menschen" erreichten über die vermauerten Grenzen des kleinen sozialistischen Landes Kultstatus und begründeten die europaweite Popularität der Männer um Tamara Danz.

Dessen ungeachtet, geriet Silly durch ihre unangepassten Äußerungen häufig ins Visier der staatlichen Zensur und nicht immer gelang es Texter Werner Karma, die für die Band kennzeichnenden politischen und sozialkritischen Seitenhiebe gegen das SED-Regime unauffällig genug zu verpacken. So wurde etwa schon über das dritte Silly-Album, "Zwischen unbefahrenen Gleisen", 1984 ein Veröffentlichungsverbot verhängt und auch über späteren Produktionen der Band hing immer wieder bedrohlich das Damoklesschwert der Zensur.


Während sich die Band mit ihrer 1989 erschienenen Platte "Februar" entschieden politischer zeigte und auch mit ihrem nächsten Album, "Hurensöhne" (1993), den ostdeutschen Zeitgeist während der Wiedervereinigung auffing, standen die darauffolgenden Jahre ganz im Zeichen einer raumgreifenden Innerlichkeit, hervorgerufen von Danz' Krebserkrankung. Auf "Paradies" (1996), das kurz vor ihrem Tod erschien, trat Danz wie schon auf den Alben zuvor als Texterin in Erscheinung, doch äußerte sie sich wesentlich bedächtiger und einfühlsamer. Dies und ihr facettenreicher, sensibler, doch zugleich ruppiger Gesang formten "Paradies" zu einem Höhepunkt im musikalischen Schaffen von Silly.


Comeback nach jahrelangem Stillstand

Nach einem anschließenden, jahrelangen Stillstand meldet sich Silly nun wieder zurück. Bereits vor einigen Jahren kristallisierte sich die Schauspielerin Anna Loos ("Das Wunder von Berlin", "Es liegt mir auf der Zunge") während einiger unplugged-Konzerte als neue Frontfrau der Ostrocker heraus. "Ich fühle mich Tamara sehr verbunden und es ist eine große Ehre, ihre Lieder zu singen", erklärt Loos. "Tamara ist für mich ein großer Ansporn, denn sie war eine echte Ausnahmesängerin und ihre Lieder zu singen heißt, sie auch zu meinen."

Dabei gehe es ihr nicht darum, eine möglichst scharfe Kopie von Danz darzustellen, auch wenn Loos "in manchen Momenten" an ihre Vorgängerin erinnert, wie Hassbecker eingesteht. Vielmehr will die Band gemeinsam mit ihrer neuen Sängerin den musikalischen Neustart wagen, ohne dass "Alles rot" einen völligen Bruch mit dem Vergangenen darstellen soll.

Neben den Musikern von einst wirkte so auch Texter Werner Karma an dem Album mit, um den bekannten Silly-Sound beizubehalten. "Ich sag nicht ja" und die Danz gewidmete Ballade "Sonnenblumen" liefern dafür äußerst hörenswerte Belege. In den insgesamt 13 Songs nähert sich Silly zugleich aber auch dem derzeitigen Popgeschmack an und landet einen stilsicheren Treffer irgendwo zwischen den Kollegen von Rosenstolz und Silbermond. Die Ankunft in der Gegenwart ist somit also gelungen.


Ob die Wiederbelebung von Silly aber auch den erhofften Schritt in die Zukunft mit sich bringt, wird sich erst noch auf der Tournee im Mai zeigen, wenn es gilt, im direkten Kontakt mit der Zuhörerschaft zu bestehen.

Silly: Alles rot
Veröffentlichung: 19.3. 2010
Label: Island (Universal)
Preis: 14,99 Euro
Tourdaten unter www.sillyhome.de

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Autor*in
Bernhard Spring

erhielt 2008 den Literaturpreis des Landes Sachsen-Anhalt, 2011 erschien sein erster Roman, „Folgen einer Landpartie“.

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