Wie Rechtsextreme den „Mythos Dresden“ für sich nutzen
Die Luftangriffe auf die sächsische Landeshauptstadt sind nicht nur Teil des kollektiven bundesdeutschen Gedächtnisses. Sie sind zum Mythos geworden. Und wie bei jedem Mythos fällt es schwer, Fakten von Legenden zu trennen. Dies gilt im Fall von Dresden vor allem für die Zahl der Opfer. Angaben der Dresdner Historikerkommission zufolge sind bei dem Luftangriff der Alliierten auf die sächsische Landeshauptstadt rund 25.000 Menschen ums Leben gekommen.
Der „Mythos Dresden“ - ein politisches Konstrukt
Die NS-Machthaber instrumentalisierten die Bombardierung, sprachen gleich von „hunderttausenden Opfern“. Mit ihrer verlogenen Berichterstattung wollten sie die Kriegshandlungen der Alliierten anprangern und die Bevölkerung zum Widerstand gegen die vorrückenden Befreier anhalten. Vier Tage nach dem Angriff auf Dresden hatte Hanns Voigt, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Dresdens, den Auftrag erhalten, für die Vermisstenzentrale eine Abteilung einzurichten. Er meldete den NS-Machthabern die Zahl von etwa 35.000 getöteten Menschen. Die Nazis missbrauchten die Toten in einer ihrer letzten Propagandaschlachten, vervielfachten die Zahl der Opfer und schufen den bis heute in rechtsextremen Kreisen beliebten „Mythos Dresden“.
Heute sind es alte und neue Rechtsextremisten, die den „Mythos Dresden“ für ihre geschichtsklitternde Propaganda nutzen. Der sächsische NPD-Fraktionschef Holger Apfel sprach Anfang vergangenen Jahres im Landtag von dem Gedenken an die Dresdner Opfer, „die unser Volk unter dem Zerstörungswahn hassgeifernder und entkultivierter Antimenschen erbringen musste!“
Holocaustleugner mit Zahlen-Schwäche
Gebetsmühlenartig beharren die Rechtsextremisten auf einer Opferzahl von rund 250.000 Personen. Der Geschichtsrevisionist und spätere Holocaust-Leugner David Irving hatte in seinem Buch „The Destruction of Dresden“ (1963), das 1965 in der deutsche Übersetzung erschien, die Zahl der Toten mit 135.000 beziffert, rechnete sie in späteren Neuauflagen des Buches dann auf 250.000 hoch.
Die Behauptung Irvings, viele zehntausend Flüchtlinge aus dem Osten seien bei den Luftangriffen ums Leben gekommen, ist nachweislich falsch. Akribisch weist Richard J. Evans, Professor für Neuere Geschichte an der Cambridge University, im Buch "Der Geschichtsfälscher. Holocaust und historische Wahrheit im David-Irving-Prozess" Irvings Geschichtslüge nach.
1986 stellte Irving in einem Vortrag die Bombardierung von Dresden mit der industriell betriebenen Massenvernichtung im Konzentrationslager Auschwitz gleich: „Mir wurde klar, dass es in dem, was ich da (über Dresden) erfuhr, um etwas ging, das wir heute wahrscheinlich als einen Holocaust bezeichnen würden ... Natürlich spricht heute jedermann über Dresden im gleichen Atemzug wie über Auschwitz und Hiroshima. Das ist mein Verdienst, meine Damen und Herren. Ich bin ein wenig stolz, wenn ich jedes Jahr am 13. oder 14. Februar ... die Zeitungen lese, und dort steht etwas über Dresden, denn bevor mein Buch zu diesem Thema erschien, hatte die Außenwelt noch nie etwas von Dresden gehört.“
Rechtsextreme schwadronieren vom „Bomben-Holocaust“
Am 21. Januar 2005 fand die Legende vom „Bomben-Holocaust“ den Weg in das sächsische Landesparlament. Der NPD-Parlamentarier Apfel lobte den Hitler-Verehrer Irving „weltweit renommierten Historiker“, der als „einer der ersten ... schon vor Jahrzehnten ... das Singuläre des Angriffs vom 13. Februar 1945 ... unterstrich“. Der in rechtsextremen Kreisen gepflegte „Mythos Dresden“ in Kombination mit dem Ausdruck „Bomben-Holocaust“ ist eine perfide Art der Geschichtsfälschung, -verdrehung und -umdeutung.
Den Neonazi-Aufmärschen am 13. ("Trauermarsch") und 19. Februar (Großveranstaltung) will sich ein breites Bündnis aus Politik und Zivilgesellschaft entgegenstellen. Im Februar 2010 verhinderten weit über 10 000 Gegendemonstranten die größte Neonazi-Demonstration Europas und setzten ein klares Signal gegen Rechts. Wiederholung ist angesagt.