Geschichte

Wie eine neue Ausstellung den Kolonialismus aufarbeiten will

Das Deutsche Historische Museum in Berlin widmet sich in einer Ausstellung der deutschen Kolonialgeschichte: Ein Thema, das lange ignoriert wurde. Besonders im Umgang mit afrikanischen Opferverbänden tut sich Deutschland weiterhin schwer.
von Peter Schraeder · 14. Oktober 2016
Comic zum Maji-Maji-Aufstand
Comic zum Maji-Maji-Aufstand

Ein Schildkrötenpanzer, Elfenbein, hölzerne Kelche und ein Elefantenfuß – Trophäen deutscher Kolonialisten, die deutlich machen, wie selbstverständlich es in der Vergangenheit war, sich afrikanische Kulturgüter anzueignen. Die neue Ausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin will mit dem Klischee des „wilden Afrikas“ aufräumen. Thematisiert werden Ausbeutung, Rassismus und Gewaltverbrechen während und auch nach der deutschen Kolonialzeit. Ein Thema, dass lange Zeit vergessen war.

„In der Erinnerungskultur stand der Nationalsozialismus jahrelang im Vordergrund“, sagt die Präsidenten des DHM, Ulrike Kretzschmar. „Bisher gab es keine umfangreiche Ausstellung zum Thema Kolonialismus in Deutschland.“ Auch das DHM ist in der Vergangenheit dafür kritisiert worden, der Kolonialgeschichte in seiner Dauerausstellung zu wenig Platz eingeräumt zu haben. Aus der jetzigen Arbeit wolle man Ideen für die geplante Neugestaltung der Dauerausstellung mitnehmen, so Arnulf Scriba, der Projektleiter der Kolonialismus-Ausstellung.

Kolonialismus: gewaltbeherrschte Fremdherrschaft

Für die Kuratorin Heike Hartmann steht fest: „Der Kolonialismus war eine gewaltbeherrschte Fremdherrschaft.“ Nichts macht das so deutlich wie der Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1905: Als die indigene Bevölkerung sich gegen die Kolonialherren wehrte, erschossen deutsche Truppen die Aufständischen standrechtlich, trieben die übrigen Herero in die Wüste und besetzten die dortigen Wasserlöcher. Mehr als 75.000 Menschen starben.

Die Ausstellung ist nicht chronologisch aufgebaut sondern thematisch; der Völkermord stellt keinen eigenen Themenschwerpunkt dar, wird aber an verschiedenen Stationen behandelt. So werden etwa die Auswirkungen des Völkermords auf die Gegenwart gezeigt: Zu sehen sind T-Shirts mit politischen Forderungen von Opferverbänden der Herero und Nama, die 2004 – also 100 Jahre nach Beginn des Genozids – gegen die Vernachlässigung ihrer Geschichte protestierten.

Wichtig war den Kuratoren, neben deutschen auch afrikanische Sichtweisen einfließen zu lassen. So gibt es einen ostafrikanischen Comic zum Maji-Maji-Aufstand in der Ausstellung: Von 1905 bis 1907 kämpfte die Bevölkerung im heutigen Tansania gegen die deutsche Kolonialmacht. Der tansanischen Gastkuratorin Flower Manase Msuya lag dieses Thema besonders am Herzen: „Dieser Widerstand gehört zu unserer Geschichte.“

Verharmlosung und postkoloniale Strukturen

Nach dem Ersten Weltkrieg endete die deutsche Kolonialzeit. Der Verlust wurde von rechten Kreisen sehr bedauert, wie die Ausstellung zeigt. Eine Flut von Romanen mit Titeln wie „Helden der Kolonie“ oder „Trommeln rufen durch Kamerun“ kam auf den Markt. Auch der Askari-Mythos wird thematisiert: Askari waren in Deutsch-Ostafrika rekrutierte Militäreinheiten, die rückblickend als „afrikanische Kameraden“ bezeichnet wurden – womit die Unterdrückung der übrigen Bevölkerung verharmlost wurde.

Auch heute gibt es in Deutschland noch vielerorts Überreste der Kolonialzeit. Der Historiker Jürgen Zimmerer, der im Fachbeirat der Ausstellung saß, spricht von einer „Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist“. Die Ausstellung greift das auf: Gezeigt wird etwa das Namensschild der Berliner „Mohrenstraße“. Schautafeln informieren über die postkolonialen Strukturen in Wirtschaft und Entwicklungshilfe, die meist allein westliche Interessen begünstigen.

Grußwort der Herero abgelehnt

Die Ausstellung ist gelungen, doch im Vorfeld der Eröffnung gab es auch zu Kritik am Museum, unter anderem vom Berliner Verein Postkolonial. Derzeit befindet sich eine Delegation der Herero und Nama in Berlin, die am Wochenende einen Kongress zum Genozid abhält und gegen die laufenden deutsch-namibischen Verhandlungen protestiert (siehe Infokasten). Ein Grußwort eines Hererovertreters zur Eröffnung der Ausstellung wurde abgelehnt. „Wir wollen kein Forum für politische Forderungen sein“, erklärte Boris Nitzsche, Pressesprecher des DHM.

Der Verein kritisierte auch, dass im Fachbeirat der Ausstellung keine afrikanischen oder schwarzen Experten gesessen hätten. Nitzsche verwies auf die Gastkuratorinnen aus Namibia und Tansania und Treffen mit afrikanischen Experten. „Die eurozentrische Perspektive können wir ohnehin nicht überwinden“, sagte er.

Joshua Kwesi Aikins von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland sprach mit Hinblick auf das abgelehnte Grußwort von einer „vertanen Chance“. „Die Ausstellung ist grundsätzlich ein Schritt hin zu einer Beschäftigung mit den Folgen des Kolonialismus. Aber Geschichtsschreibung ist immer auch politisch.“ Das DHM könne nicht politisch neutral sein. Denn: Auch mit der Nicht-Einladung habe es Position bezogen.

Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart.

Ort: Deutsches Historisches Museum Berlin, Ausstellungshalle

Laufzeit: 14. Oktober 2016 bis 14 Mai. 2017

Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr

Eintritt: bis 18 Jahren frei, Tagesticket 8 Euro, ermäßigt 4 Euro

Die Ausstellung ist barrierefrei; die Hauptinformationen werden in Leichter Sprache, Blindenschrift und als Gebärdenvideo angeboten.

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Autor*in
Peter Schraeder

studiert Public History an der Fu Berlin.

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